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Unfallflucht in Witten - Verfasser des anonymen Briefes meldet sich bei Polizei

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Vor über fünf Jahren, am frühen Morgen des 1. November 2010 wurde ein junger Mann in Witten von einem Auto überfahren und starb. Der Täter oder die Täterin beging Unfallflucht. Fest stand wegen eines gefundenen Fahrzeugteils nur, dass ein Opel Corsa den 20-Jährigen erfasst haben musste. Anschließende aufwendige Ermittlungen und auch eine Belohnung von 5000 Euro brachten jedoch keinen Erfolg. Nun versuchte die Bochumer Polizei, den Fall mit einem öffentlichen Brief doch noch aufzuklären. In diesem appellierte sie eindringlich an das Gewissen des Täters bzw. der Täterin. Auch wenn die Verkehrsunfallflucht in 72 Stunden verjährt sei, würden Schuldgefühle sowie die Angst, verraten oder entdeckt zu werden, bleiben. Das schien zu wirken. Am Wochenende wurde ein anonymer Brief entdeckt, eingeklemmt hinter dem Scheibenwischer eines Polizeiautos.

Brief hinter Scheibenwischer geklemmt

Der mehrseitige, handgeschriebene Brief beinhaltet die Aussage: „Ich schreibe diesen Brief, um mein Gewissen bereinigen zu können …“ Darüber hinaus beschreibt er den Unfall, gibt konkrete Hinweise zum Unfallauto und nennt sogar Namen.

Verfasser meldet sich bei der Polizei

Wie die Polizei Bochum nun in einer Pressemitteilung meldet, hat sich der Verfasser am Montag in den frühen Abendstunden bei ihr gemeldet. Es soll sich dabei um eine Frau handeln. Inzwischen fand eine Vernehmung statt.

Wann verjährt die Unfallflucht infolge eines tödlichen Unfalls?

Entscheidende Frage für eine mögliche Bestrafung ist nun, ob in dem Fall tatsächlich Verjährung eingetreten ist. Das lässt sich nur bei Kenntnis der konkreten Umstände beantworten. Zum einen kommt es auf die im Raum stehenden Straftaten an. Zum anderen kann die Verjährung unterbrochen worden sein oder geruht haben. Bei einer Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist von Neuem voll zu laufen. Grund dafür kann eine erste Vernehmung des Beschuldigten sein. Bei einem Ruhen läuft die Verjährung nur vorübergehend nicht weiter – sie legt sozusagen eine Pause ein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn ein Täter sich im Ausland aufhält und dem jeweiligen Land ein Auslieferungsersuchen zugegangen ist.

Fahrlässige Tötung und Unfallflucht unterliegen gleicher Verjährungsfrist

Mit Blick auf das Geschehen stehen in solchen Fällen, in denen jemand infolge des Unfalls gestorben ist, regelmäßig zwei Taten im Vordergrund: die fahrlässige Tötung und die anschließende Unfallflucht. Die Unfallflucht sieht die Rechtsprechung dabei als eigene Tat. Sie geht davon aus, dass jemand erst infolge des Unfalls beschließt, zu flüchten.

Jede Tat unterliegt dabei grundsätzlich ihrer eigenen Verjährung. Nach wie vielen Jahren eine Straftat verjährt, hängt vom Höchstmaß der dafür angedrohten Freiheitsstrafe ab. Das Strafgesetzbuch (StGB) sieht für die fahrlässige Tötung bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe vor (§ 222 StGB). Für die Unfallflucht drohen bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe (§ 142 StGB). Da sich das Höchstmaß beider Straftaten somit zwischen einem Jahr und fünf Jahren bewegt, sieht das Strafgesetz eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vor (§ 78 StGB).

Verjährungsbeginn der Taten kann unterschiedlich sein

Die Verjährungsfrist beginnt, sobald die Tat beendet ist. Eine Unfallflucht ist regelmäßig beendet, wenn sich jemand so vom Unfallort entfernt hat, dass er nicht mehr mit einer Identifizierung rechnen muss. Gehört zu einem Tatbestand dagegen ein Erfolg, wie etwa der Tod bei einer fahrlässigen Tötung, dann beginnt die Verjährung erst mit dem Zeitpunkt, wenn das Opfer an den Unfallfolgen verstirbt. Dies kann erst später der Fall sein. Die Verjährung kann sich somit unterscheiden.

Ohne eine eventuelle Unterbrechung oder ein Ruhen endet die Verjährung aber mit Ablauf der jeweils einschlägigen Verjährungsfrist am Ende des Tages, der dem Tag vorangeht, an dem die Verjährung begann. Grund dafür ist, dass der Tag des Verjährungsbeginns miteingerechnet wird. Auf eine am 1. November  2010 beginnende Verjährung bezogen bedeutet das, dass diese mit Ablauf des 31. Oktober 2015 eintritt.

Die Verjährung schließt dabei aus, die Tat zu ahnden bzw. zu bestrafen. Ein Verfahren wird bei festgestellter Verjährung vor der Anklageerhebung daher in der Regel eingestellt. Ob es dazu auch im Fall der Fahrerflucht in Witten kommt, hängt von den weiteren Ermittlungen ab. So etwa, ob ein Verdacht auf weitere Taten zutage tritt, die einer längeren Verjährungsfrist unterliegen, oder ob die Verjährung geruht hat bzw. unterbrochen wurde. Je nach Sachverhalt können auch zivilrechtliche Ansprüche wie insbesondere auf Schadenersatz im Raum stehen, die sich nach anderen Verjährungsregeln richten und sich eventuell noch durchsetzen lassen.

Unfallflucht bei nahezu jedem 22. Unfall mit Personenschaden

Das Statistische Bundesamt zählte im Jahr 2014 insgesamt 584.716 Straßenverkehrsunfälle mit Personenschaden. In 26.643 Fällen kam es dabei zu einer Unfallflucht. Das ergibt eine Quote von 4,5 Prozent, in denen bei Unfällen mit Personenschaden Unfallflucht begangen wird.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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