Update II – Urteile zur Reichsbürgerproblematik im Bereich des Waffen- und Jagdrechts

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Zwei neuere Urteile zur sogenannten Reichsbürgerproblematik sollen die Spannbreite der derzeitigen Rechtsprechung zur waffen- und jagdrechtlichen Zuverlässigkeit von Waffenbesitzern, die einen Staatsangehörigenausweis beantragt haben, exemplarisch darstellen:

1. VG Gießen

Nach dem Verwaltungsgericht Gießen (Beschluss vom 18.06.2018, Az.: 9 L 9756/17.GI) ist der Widerruf der Waffenerlaubnis für „Reichsbürger“ grundsätzlich gerechtfertigt.

Im zugrunde liegenden Verfahren hatte die Waffenbehörde die Unzuverlässigkeit des Antragstellers damit begründet, dass Erkenntnisse vorlägen, die den Schluss zuließen, dass der Antragsteller sich nicht als Bürger der Bundesrepublik Deutschland verstehe, sondern als „Reichsbürger“. Er habe bei seiner Gemeinde seinen Personalausweis zurückgegeben und einen Staatsangehörigkeitsnachweis beantragt. Bei der Zulassungsstelle habe er einen sogenannten Personalausweis des Deutschen Reiches vorgelegt und verlangt, diesen als Ausweis anzuerkennen.

In seinen Schreiben führe er im Briefkopf den Zusatz „Natürliche Person gemäß § 1 BGB“. Die Bundesrepublik Deutschland habe er als Privatfirma und sich selbst als preußischen Staatsbürger bezeichnet. In einem Klageverfahren habe er unter Hinweis auf die fehlende Staatlichkeit der Bundesrepublik seine Steuerpflicht angezweifelt; bei dem im Nachgang auf „YouTube“ veröffentlichten Interview habe der Hemdsärmel des Antragstellers den preußischen Adler gezeigt. Im linken oberen Bereich seines Kfz-Kennzeichens habe er einen schwarz-weiß-roten Aufkleber mit Adler angebracht, der offensichtlich dem preußischen Wappen nachgebildet worden sei.

In Anbetracht der Intention des Waffengesetzes, den erheblichen Gefahren vorzubeugen, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgingen, sei keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für die Beurteilung der Zuverlässigkeit erforderlich, so das VG Gießen. Es genüge vielmehr eine auf der Lebenserfahrung beruhende Einschätzung, bei der kein Restrisiko hingenommen werden müsse. Der Umgang mit Waffen dürfe nur Personen erlaubt werde, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienten, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen.

Der Antragsteller habe mehrfach ein für „Reichsbürger“ typisches Verhalten an den Tag gelegt, was die Annahme rechtfertige, er stehe dieser Gruppe bzw. ihrer Ideologie zumindest nahe. Damit ist er nach dem VG Gießen waffenrechtlich unzuverlässig, was zwingend den Widerruf nach sich zieht.

2. VG Dresden

Das Verwaltungsgericht Dresden (Beschluss vom 10.09.2018, Az.: 4 L 1369/17) hat den Bescheid einer Waffenbehörde, einem mutmaßlichen Reichsbürger seine acht Schusswaffen abzunehmen, aufgehoben. Die Waffenbehörde hatte die waffenrechtlichen Erlaubnis widerrufen, weil der Waffenbesitzer einen Antrag auf Ausstellung einer Staatsangehörigkeitsurkunde gestellt hatte, die auch ausgestellt wurde. Der Waffenbesitzer erschien allerdings erneut und verlangte die Rücknahme seines Staatsangehörigkeitsausweises, weil daraus die Abstammung nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 nicht ersichtlich sei.

Der Verfassungsschutz und die zuständige Waffenbehörde waren daraufhin überzeugt, dass der Mann Reichsbürger ist, was für sie automatisch zur waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit führte. Doch das allein reicht nach dem VG Dresden nicht, um einen Widerruf zu rechtfertigen, denn:

Es „[dürfte] von dem hohen Gut der Meinungsfreiheit (...) gedeckt sein, die Gründung der Bundesrepublik Deutschland in Zweifel zu ziehen“, heißt es in dem Beschluss. Solche Meinungen mittels des Waffenrechts zu bekämpfen, sei „eines freiheitlichen Staats nicht angemessen“.

Es argumentiert, dass eine unterstellte „gewisse Nähe zu ähnlichen Argumenten aus dem Kreis der sogenannten 'Reichsbürger'„ alleine noch keine abschließende Prognose zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit stütze.

Und weiter:

Dem steht entgegen, dass mit dem Begriff der 'Reichsbürger' gegenwärtig keine klar organisierten oder hinreichend strukturierten Personengruppen umschrieben werden.

Das VG Dresden stellt sich damit gegen die Rechtsprechung wie die des VG Gießen, die einen generalpräventiven Verdacht ohne Hinzutreten weiterer, waffenrechtlicher relevanter und durch das Verhalten des Waffenbesitzers selbst begründeter Tatsachen genügen lässt, was allerdings – weil der waffenrechtliche Vorwurf personalisiert ist – eine unzulässige Durchbrechung der Unschuldsvermutung darstellt.

Philip Keller

Rechtsanwalt Köln


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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