Urteil des BAG: Kopftuchverbot bei Ausführung von Arbeiten in christlichen Einrichtungen

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Das Tragen eines Kopftuchs als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben und damit als Kundgabe einer anderen Religionszugehörigkeit ist regelmäßig mit der arbeitsvertraglichen Verpflichtung einer in einer Einrichtung der Evangelischen Kirche tätigen Arbeitnehmerin zu einem zumindest neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche nicht in Einklang zu bringen.

BAG, Urteil vom 24.09.2014 – 5 AZR 611/12

Sachverhalt

Die Klägerin, die dem islamischen Glauben angehört, war seit 1996 bei dem beklagten Krankenhaus als Krankenschwester angestellt. Arbeitsvertraglich wurden die Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages in der für die Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche von Westfalen geltenden Fassungen (BAT-KS) sowie die sonstigen für die Dienstverhältnisse der Angestellten im Bereich der evangelischen Kirche von Westfalen beschlossenen arbeitsrechtlichen Bestimmungen, so auch eine Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche (RL-EKD), in Bezug genommen. Aus der RL-EKD und dem BAT-KS ergibt sich die Pflicht der Klägerin, sich loyal gegenüber der Beklagten zu verhalten.

„Der kirchliche Dienst ist durch den Auftrag der Verkündigung des Evangeliums in Wort und Tat bestimmt. […]Es wird von ihnen erwartet, dass sie die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bejahen.“

Die Klägerin befand sich in der Zeit vom April 2006 bis zum Januar 2009 in Elternzeit. Danach war sie arbeitsunfähig erkrankt. Im April 2010 bot die Klägerin schriftlich eine Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit im Rahmen einer Wiedereingliederung an und teilte zugleich mit, dass sie das von ihr aus religiösen Gründen getragene Kopftuch auch während der Arbeitszeit tragen wolle. Die Beklagte lehnte dieses Angebot ab und zahlte keine Vergütung. Mit ihrer Klage fordert die Klägerin Arbeitsentgelt wegen Annahmeverzugs für die Zeit vom 23.08.2010 bis zum 31.01.2011. Die Beklagte führt an, die Klägerin habe ihre Arbeitsleistung nicht ordnungsgemäß angeboten. Sie habe das Recht, der Klägerin das Tragen eines Kopftuches zu untersagen. Die Klage war in erster Instanz erfolgreich. In zweiter Instanz wurde die Klage abgewiesen.

Entscheidung des BAG

Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Das BAG hob die angefochtene Entscheidung auf und wies die Sache an das LAG zurück, weil der Sachverhalt nicht vollständig aufgeklärt wurde. Die Klage sei bislang unschlüssig, weil die Klägerin ihre Leistungsfähigkeit nicht dargelegt hat. Der Wiedereingliederungsplan des Arztes spreche gerade dafür, dass eine Leistungsfähigkeit nicht bestehe. Darüber hinaus habe die Klägerin möglicherweise – was durch das LAG noch zu beurteilen ist – eine Tätigkeit nur im Rahmen einer Wiedereingliederung und nicht die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleitung angeboten. Dies begründe keinen Anspruch auf Vergütung aus Annahmeverzug. Das Wiedereingliederungsverhältnis sei ein Vertragsverhältnis eigener Art.

Darüber hinaus habe sie ihre Arbeitsleistung nicht in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Dies erfordere das Anbieten der Leistung in der Weise, wie sie zu bewirken ist.

Die Beklagte könne der Klägerin untersagen, ein Kopftuch während der Arbeitszeit zu tragen.

Im Arbeitsvertrag habe sich die Klägerin zu einem neutralen Verhalten gegenüber der Evangelischen Kirche verpflichtet. Nach § 4 der RL-EKD hätten die nichtchristlichen Mitarbeiter den kirchlichen Auftrag zu beachten und die ihnen übertragenen Aufgaben i.S.d. Kirche zu erfüllen. Auch die Abwägung des grundrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts der Kirche nach Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 WRV mit dem Recht auf Glaubensfreiheit der Klägerin aus Art.4 Absatz 1 und 2 GG ergebe nichts anderes. Dem Recht auf Glaubensfreiheit komme hier kein höheres Gewicht als dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zu. Die Klägerin hat insbesondere bei Begründung des Arbeitsverhältnisses in die Loyalitätserwartungen der Beklagten eingewilligt. Darüber hinaus stünden dem weder die Normen des AGG noch das Grundrecht auf Religionsfreiheit der Klägerin nach Art. 9 Absatz 1 EMRK entgegen. Es sei jedoch noch nicht geklärt, ob die Beklagte der Evangelischen Kirche institutionell zugeordnet sei. Dies setze eine Verbindung der Kirche und der Einrichtung voraus, aufgrund derer die Kirche über ein Mindestmaß an Einflussmöglichkeit verfügt, um auf Dauer eine Übereinstimmung der religiösen Betätigung der Einrichtung mit kirchlichen Vorstellungen gewährleisten zu können.

Kommentar

Auch wenn der Glaubensfreiheit des Einzelnen eine überaus hohe Bedeutung zugemessen wird, hat das BAG das Selbstbestimmungsrecht der Kirche als höherwertiger eingestuft. Die Weisung, kein Kopftuch während der Arbeitszeit zu tragen, soweit es sich um einen in konfessioneller Trägerschaft befindlichen Arbeitgeber handelt, ist rechtmäßig. Religionsgemeinschaften dürfen von ihren Mitarbeitern ein loyales Verhalten verlangen. Hierzu gehört es, sich während der Arbeitszeit gegenüber dem jeweiligen Glaubensbekenntnis neutral zu verhalten. Insofern ist die Weisung, während der Arbeitszeit kein Kopftuch zu tragen, vom Direktionsrecht gem. §106 GewO gedeckt.

Bereits das BVerfG hat in seiner Entscheidung vom 24. September 2003 - 2 BvR 1436/02 - über das Kopftuch folgendes geäußert:

„Das Tragen eines Kopftuchs macht […] die Zugehörigkeit der Beschwerdeführerin zur islamischen Religionsgemeinschaft und ihre persönliche Identifikation als Muslima deutlich.“

Insoweit kollidiert das Tragen des Kopftuches als Ausdruck zu einer muslimischen Religionsgemeinschaft mit der konfessionellen Ausrichtung der Evangelischen Kirche. Der „Kopftuchstreit“ ist bereits ein Thema, welches die juristische Welt seit nunmehr 12 Jahren begleitet. In vielen Landesgesetzen wurden Verbote aufgenommen für Einstellungen in den Beamtendienst. Der UN-Menschenrechtsrat in Genf sagt hierzu, dass darin nicht nur die Religionsausübung gefährdet, sondern auch die Gleichberechtigung von Frauen eingeschränkt sei. Sie könnten nicht mehr frei ihren Beruf wählen.

Das der Streit noch andauern wird, steht ohnehin außer Zweifel. Es gibt aber manche (wenige) Bereiche, in denen bereits jetzt der Streit über das Tragen eines Kopftuches entschieden ist.


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