Verkehrsunfall - Probleme mit dem Schadenmanagement durch die Kfz-Haftpflichtversicherung des Schädigers

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Seit einigen Jahren versucht die Kfz-Versicherungswirtschaft verstärkt, im Haftpflichtschadenfall - also i.d.R. nach einem Verkehrsunfall - den Geschädigten möglichst unverzüglich an die Versicherung des Schädigers zu binden, um sein Verhalten zu beeinflussen und ihm die Regulierung seines Schadens aus den Händen zu nehmen.

Der Geschädigte soll insbesondere möglichst davon abgehalten werden, einen Rechtsanwalt einzuschalten sowie einen unabhängigen Schadengutachter zu beauftragen.

Viele Versicherungen nennen das „Schadenregulierung in einem Rutsch”, angeblich schnell und unkompliziert. Dem Geschädigten wird insbesondere der Eindruck vermittelt, zügig und ohne erforderlichen Eigeneinsatz entschädigt zu werden. Ziel dieser Vorgehensweise, die unter dem Namen „aktives Schadenmanagement" berühmt und mitunter berüchtigt geworden ist, ist die - grundsätzlich legitime - Absenkung der Schadenskosten für den Versicherer.

Das Problem daran ist, dass auf Seiten der Versicherung und auf Seiten des Geschädigten unterschiedliche Interessen vorherrschen. Die Versicherung will Geld sparen - und der Geschädigte will nicht nur schnell, sondern auch vor allem anspruchsgerecht und umfassend entschädigt werden. Für die regulierende Versicherung zählt in erster Linie das Eigeninteresse. Es ist deshalb so, dass einige Versicherungen versuchen, mit zumindest zweifelhaften Methoden die tatsächlichen Ansprüche des Geschädigten u.U. zu verkürzen.

Hier ein besonders drastisches Beispiel - wobei wir uns keine unmittelbare „Schuldzuweisung” anmaßen wollen:

Der Mandant kam nach einem Unfall und erfolgter Reparatur auf den Kanzleiparkplatz gefahren. Das Kfz war keine 2 Jahre alt. Der Wiederbeschaffungswert des Kfz lag bei 14.500 €. Die von der Versicherung beauftragten Gutachter stellten eine Wertminderung von lediglich 850 € fest - bei Reparaturkosten in Höhe von ca. 11.000 €.

Das eigentliche Problem jedoch: Die Vertragswerkstatt der Versicherung war nicht in der Lage, das Kfz ordnungsgemäß zu reparieren. Selbst nach zweimaliger Nachbesserung war mit dem bloßen Auge zu erkennen, dass weiterer erheblicher Bedarf an Nachreparatur bestand. Der Mandant war jedoch vom Werkstattleiter und dem Gutachter der Versicherung abgespeist worden, dass jetzt alles okay sei. Auch die Versicherung selbst zeigte sich nicht mehr verhandlungsbereit.

Erst ein unabhängiges Gutachten, das durch unsere Kanzlei in Auftrag gegeben wurde, brachte wieder Bewegung in die Sache. Feststellung: eine Wertminderung von mindestens 1.500 € war gegeben sowie ein immer noch bestehender Schaden von mindestens 2.500 €. Kostenpunkt des Gutachtens: ca. 800 €.

Die Versicherung ließ es sich trotzdem nicht nehmen, noch mal ein eigenes Gegengutachten erstellen zu lassen. Doch kam dieses erstaunlicherweise plötzlich zu einem ähnlichen Ergebnis wie das unabhängige Gutachten des Mandanten. Zähneknirschend gab die Versicherung die Nachreparatur frei.

Die endgültige fachgerechte Reparatur ergab dann Kosten in Höhe von mehr als 4.000 €. Es waren u.a. versteckte Schäden von der Erstreparatur während der Nachreparatur entdeckt worden. Natürlich wollte die Versicherung nur 2.500 € zahlen und schickte nochmals einen Vertrags-Gutachter los, der jedoch ein weiteres Mal dem Mandanten recht geben musste. Sämtliche Schäden und Kosten wurden letztendlich von der Versicherung des Schädigers ausgeglichen.

Hätte sich unser Mandant jedoch auf das anfängliche „Schadenmanagement" der Versicherung verlassen, hätte er sich eigener Ansprüche in Höhe von fast 5.000 € vergeben und wäre im Übrigen mit einem miserabel reparierten Kfz herum gefahren. Nur mit anwaltlicher Hilfe konnte der Mandant seine berechtigten Ansprüche umsetzten.

Für die Versicherung hat sich die Sparpolitik in diesem Fall auch nicht gelohnt. Der ursprüngliche Schaden hatte sich all in auf mehr als 20.000 € fast verdoppelt, es waren drei eigentlich überflüssige Gutachten erstellt worden. Hätten Versicherung und Werkstatt von Anfang an mehr im Interesse des Geschädigten gehandelt, wäre die Angelegenheit nicht für sämtliche Beteiligten derartig aus dem Ruder gelaufen.

Dabei handelt es sicherlich um einen drastischen Einzelfall. Doch gibt es eine Vielzahl von Sachverhalten, in denen die Versicherung mal hier, mal da eine Schadenposition „vergisst" oder weg-begutachten lässt. Zum Nachteil des Geschädigten, der als Laie oft gar nicht weiß, dass ihm etwas vorenthalten wird.

In der Regel wird es sich daher in jedem Fall rentieren, einen Anwalt mit der Interessenvertretung nach einem Unfallschaden zu beauftragen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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