Widerruf von Home Office – wann ist es möglich?

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Widerruf von Home Office – wann ist es möglich?


Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 08.02.2022 (1 AZR 233/21)


Nicht immer ist Arbeitnehmern bewusst, dass zwar die meisten wesentlichen Konditionen ihres Arbeitsvertrags – das Gehalt, die Arbeitsstunden, der Arbeitsinhalt dem Grunde nach – nicht einseitig seitens des Arbeitgebers geändert werden können, der Arbeitsort hingegen häufig schon.


Im Arbeitsvertrag kann z.B. eine Formulierung wie folgt verwendet sein:


„Der Arbeitnehmer wird als Projektmanager eingestellt. Arbeitsort ist Hannover. Der Arbeitgeber behält sich vor, dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsort zuzuweisen.“


Eine solche Formulierung gestattet es dem Arbeitgeber zum Beispiel, bei Verlegung des Betriebssitzes den Arbeitsort des Arbeitnehmers dorthin zu verlegen. Auch andere Versetzungen sind im Rahmen des sogenannten billigen Ermessens denkbar.


Sonderfälle stellen Versetzungen ins Home Office und von dort wieder in den Betrieb zurück da. Letzteres ist mit zunehmender Dauer der Corona Pandemie wieder häufiger geworden.


Kann das Home Office entzogen werden?


Eine Tätigkeit im Home Office beruht in der Regel auf einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Üblich ist eine schriftliche Vereinbarung, eine mündliche oder sogar durch einvernehmliches Tätigwerden zustande gekommene Vereinbarung ist allerdings auch wirksam. Gibt es keine zeitliche Begrenzung, kann der Arbeitgeber nicht ohne Weiteres das Home Office entziehen. Dies ist nur unter Darlegung einer betrieblichen Notwendigkeit und einer Interessenabwägung möglich.


Zusätzliche Hürde: Der Betriebsrat


Das Betriebsverfassungsgesetz kennt ebenfalls Regelungen zu Versetzungen. Eine Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Arbeitsumstände verbunden ist (§ 95 Abs.3 Satz 1 BetrVG). Konsequenzen ergeben sich hieraus allerdings nur in Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitnehmern; in diesen Fällen ist der Betriebsrat vorab zu informieren und um seine Zustimmung zu bitten (§ 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG). In § 99 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz sind die Gründe genannt, aus denen der Betriebsrat die Zustimmung verweigern kann. Hierbei kann es sich insbesondere um einen Verstoß gegen ein Tarifvertrag handeln oder weil keine betrieblichen oder persönlichen Gründe für die Versetzung vorliegen. Erklärt der Betriebsrat sich mit der Versetzung nicht einverstanden, kann der Arbeitgeber beim Arbeitsgericht um die Ersetzung der Zustimmung nachsuchen (§ 99 Abs. 4 BetrVG).


Der Fall: Widerruf von Home Office nach zehn Jahren


In einem Ende letzten Jahres vor dem Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall ging es genau darum. Die Arbeitnehmerin hatte seit über zehn Jahren aufgrund einer Vereinbarung mit ihrem Arbeitgeber ihre Tätigkeit fast ausschließlich im Home Office erbracht. In der entsprechenden Vereinbarung war eine Widerrufsfrist von drei Monaten vorgesehen. Der Arbeitgeber änderte im Jahr 2019 sein Organisationskonzept. Das zukünftige Arbeitsmodell sah „Desk Sharing“ und mithin Anwesenheit im Betrieb vor. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung zum Widerruf der Telearbeit. Der Arbeitgeber leitet ein Ersetzungsverfahren vor dem Arbeitsgericht ein.


Bundesarbeitsgerichts: unternehmerische Entscheidung nur eingeschränkt überprüfbar


Auch das Bundesarbeitsgericht war der Auffassung, dass es sich bei dem der Telearbeit um eine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG handelte (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.10.2021, Az. 7 ABR 34/20). Das Gericht nahm die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats allerdings vor. Zur Begründung argumentierte das Gericht, dass der Entscheidung zum Widerruf der Homeoffice-Vereinbarung eine unternehmerische Entscheidung zu Grunde liege, die als vorgegebener betrieblicher Grund hinzunehmen sei, da sie zum einen praktisch umsetzbar sei und zum anderen nicht lediglich auf die konkrete Arbeitnehmerin fokussierte. Dem Arbeitgeber war es daher gestattet, im Rahmen der arbeitsorganisatorischen Maßnahme die Vereinbarung zum Home Office zu widerrufen, der Betriebsrat durfte seine Zustimmung nicht verweigern.


Weitere Hinweise zum Thema und zum Urteil können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/blog/widerruf-home-office/ nachlesen.





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