Wie Herr X Frau Y fast mit in die Pleite trieb

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Ich bin kein Freund von Angstmacherei. Überschriften wie „Finger weg von Bürgschaften, Privatkrediten oder Vertragsübernahmen!“ langweilen mich. Wer ein für jemanden überschaubares Risiko eingehen will, mag das ruhig tun. Allerdings sollten die Beteiligten vorher alle Risiken besprechen, auch den Worst Case. 

Wie gesagt: vorher. Und hierfür bitte eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen. (Erfahrungen im Netz haben in der Regel nur Unterhaltungswert.) Natürlich, Anwälte kosten. Die paar Euro sollten einen guter Schlaf jedoch wert sein. Stellt der Anwalt dann fest, dass die Aktion für eine Seite mit immensen Nachteilen verbunden wäre – Finger weg! Es gibt oft bessere Alternativen. Wie dieser Fall aus meiner Kanzlei zeigt:

Herr X ist selbstständig und wird bei einer Steuerprüfung dazu verdonnert, einen irre hohen Betrag nachzuzahlen. Ob berechtigt oder nicht, sei dahingestellt. Das Geld kann er nicht aufbringen. Schon bald wird sein Konto gepfändet, Behörden dürfen das recht schnell. Um sein Geschäft am Laufen zu erhalten, bittet X seine Freundin Y darum, für ihn ein neues Konto zu eröffnen. 

X bekommt die Zugangsdaten, informiert seine Kunden und hält sich an die Abmachungen. Regelmäßig zeigt er Y alle Unterlagen und sein Steuerberater arbeitet an einer Einigung mit dem Finanzamt (das ist möglich, ja). Leider erfährt dann die Behörde von dem Fremdkonto. Und die grundgute Frau Y bekommt richtig Ärger. Weshalb?

Die Aufforderung von X an seine Kunden, fortan für alle Zahlungen das neue, fremde Konto zu verwenden, ist eine sogenannte anfechtbare Rechtshandlung. Bedeutet: Der rechtsgültige Kontoinhaber, Frau Y, hat dem Finanzamt alles herauszugeben, was auf dem Konto eingeht. Und wurde das Geld inzwischen von X verwendet (Büromiete, Strom, Wareneinkauf, Abschläge etc.) muss sie dafür Wertersatz leisten, ist also für X’ Schulden mit haftbar. 

Doch damit nicht genug: Durch die Einrichtung des Kontos wurde eine erfolgreiche Pfändung des eigentlichen Kontos von X vereitelt. Das ist strafbar, auch für Frau Y. Beihilfe nennt man das. Im Falle eines Pfändungsbetrages von 65.000 Euro im Worst Case ein sehr teurer Gefallen.

Ich möchte deshalb von der Einrichtung eines Kontos für andere abraten. Im Fall von X und Y wäre es das Beste gewesen, X hätte sofort Pfändungsschutz nach § 850k Abs. 4 ZPO beantragt. Zudem können Selbstständige einen Schutz zur Fortführung des Betriebs und zur Sicherung des Lebensunterhalts erreichen nach § 850i ZPO.

Zwar werde ich die Sache für Frau Y noch hinbiegen (es gibt in ihrem Fall ein Hintertürchen, das gehört jedoch nicht hierher). Eine Rechtsberatung VOR der ganzen Aktion hätte ihr aber viel erspart. 

Uns allen eine gute, sorgenfreie Zeit, 

Herzlichst

Ihr Fachanwalt für Insolvenzrecht, Gerhard Rahn

(Grundsatzurteil zum Sachverhalt: BFH vom 25.04.2017 – VII R 31/15)



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