Wie Ihr Anwalt Ihre Scheidung steuert (was alles dazugehört)

  • 7 Minuten Lesezeit

Ohne Anwalt ist Ihre Scheidung nicht möglich. Vielleicht empfinden Sie es als Bevormundung, wenn der Gesetzgeber vor den Familiengerichten den Anwaltszwang vorschreibt. Vielleicht glauben Sie, dass sich die Aufgabe eines Anwalts darauf beschränkt, den Scheidungsantrag beim Familiengericht einzureichen und Sie in der oft kurzen mündlichen Verhandlung im Scheidungstermin vor Gericht zu begleiten. Tatsächlich ist es aber so, dass der Anwalt „hinter den Kulissen“ Ihr Scheidungsverfahren steuert und mit seiner Erfahrung und Kompetenz bestimmt, wie Ihr Verfahren verläuft. Scheidungsverfahren sind alles andere als Selbstläufer. Wir erläutern, warum dies so ist und warum Sie gute Gründe haben sollten, sich im Scheidungsverfahren anwaltlich begleiten zu lassen.

Ihr Anwalt hilft, die Scheidungsunterlagen zusammenzustellen

Bevor Sie den Scheidungsantrag stellen, müssen Sie die dafür notwendigen Scheidungsunterlagen zusammenstellen. Sie benötigen

  • Ihre Heiratsurkunde, die sich im Familienstammbuch befindet
  • und die Geburtsurkunden Ihrer Kinder.

Ist das Stammbuch nicht zugänglich, kann der Anwalt helfen, die Unterlagen beim Standesamt zu beschaffen. Zur Bemessung der Verfahrenswerte und vor allem, wenn Sie Verfahrenskostenhilfe beantragen möchten, benötigen Sie Nachweise über

  • Ihr Einkommen und
  • eventuell vorhandene Vermögenswerte.

Ihr Anwalt wird Sie informieren, welche Relevanz diese Unterlagen für das Verfahren haben.

Ihr Anwalt hilft, Verfahrenskostenhilfe zu beantragen

Haben Sie und Ihr Ehepartner nicht die Liquidität, um die Verfahrensgebühren für Ihre Scheidung aus eigener Tasche zu bezahlen, haben Sie Anspruch auf Verfahrenskostenhilfe. Dazu ist das amtlich vorgesehene Formular „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- und Verfahrenskostenhilfe“ auszufüllen. Da die dafür maßgeblichen Voraussetzungen komplex sind, steht Ihnen Ihr Anwalt mit Rat und Tat zu Seite, Ihren Anspruch einzuschätzen, das Formular sachgerecht auszufüllen und die notwendigen Unterlagen vorzulegen.

Ihr Scheidungsantrag stellt die Weichen

Es genügt nicht, einen Scheidungsantrag zu formulieren. Bereits der Scheidungsantrag muss alle vom Gesetz vorgegebenen Informationen enthalten. Dazu gehören

  • Ihre Personalien und die Ihres Ehepartners,
  • Angaben zu Ihren Kindern,
  • die Erklärung über die elterliche Sorge,
  • den Umgang mit Ihrem Kind,
  • Angaben zu Unterhaltspflichten,
  • zu den Rechtsverhältnissen an der Ehewohnung
  • und dem Hausrat.

Insgesamt muss der Antrag so formuliert sein, dass das Gericht möglichst keine Rückfragen hat und auch der Ehepartner als Antragsgegner keinen Ansatzpunkt findet, Ihrem Antrag entgegenzutreten.

Sie möchten Ihre Adresse geheim halten

Ehepartner trennen sich oft, weil ein Partner gewalttätig ist. Dann kann ein Interesse daran bestehen, die eigene Anschrift geheim zu halten. Ihr Anwalt kann bei Gericht beantragen, dass Ihre Anschrift im Scheidungsantrag, der dem Ehepartner von Amts wegen zugestellt werden muss, unkenntlich gemacht wird. Ihr Ehepartner erfährt so nicht, wo Sie aktuell wohnen. Das Gericht wird dem Antrag entsprechen, wenn der Antrag ausreichend begründet ist.

Scheidungsunterlagen müssen übersetzt werden

Die Gerichtssprache in Deutschland ist Deutsch. Ist der Ehepartner ausländischer Staatsangehöriger, muss er seine Heiratsurkunde und die Geburtsurkunden seiner Kinder vorlegen. Sind diese in fremder Sprache verfasst, müssen die Urkunden in die deutsche Sprache übersetzt werden. Ihr Anwalt kann dabei helfen, den geeigneten vereidigten Übersetzer zu finden, der die Urkunden in die deutsche Sprache übersetzt.

Wenn es bei Gericht hakt

Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Es ist immer gut, wenn der Anwalt nicht nur den Scheidungsantrag beim Familiengericht einreicht, sondern in begründeten Fällen auch den Kontakt zum Gericht sucht.

Irgendetwas erscheint unklar und wird (erstmal) nicht bearbeitet

Es kommt vor, dass die zuständigen Richter Anträge „links liegen lassen“, weil irgendetwas unklar scheint und es immer wieder aufschieben, die Unklarheit durch Rücksprache mit dem Anwalt zu bereinigen. Dann ist es vorteilhaft, wenn der Anwalt selbst initiativ wird und zur Klärung beiträgt. Eine dafür passende Gelegenheit bietet sich oft auch dann, wenn sich Anwalt und Richter im Gerichtsgebäude begegnen und sich austauschen. Es versteht sich, dass ein Anwalt darauf bedacht sein wird, den Richter nicht unsachgemäß zu beeinflussen und sich darauf beschränkt, das Verfahren voranzubringen.

Gericht ist überlastet

Ist das Gericht überlastet, schiebt sich der Scheidungstermin immer wieder auf. Dann kann es hilfreich sein, wenn Ihr Anwalt das Gericht kontaktiert und ersucht, Ihre Akte zu bearbeiten und, wenn das Verfahren entscheidungsreif ist, doch bitte Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

Kontenklärung für Versorgungsausgleich lässt auf sich warten

Auch wenn Ihre Scheidung einvernehmlich verläuft, muss im Regelfall immer noch der Versorgungsausgleich durchgeführt werden. Die damit verbundenen Formalitäten und Rücksprachen mit dem Rentenversicherungsträger werfen oft Probleme auf, die sich bei entsprechender Verständigung der Beteiligten klären und in der Regelung beschleunigen lassen. Ihr Anwalt kann Sie bei der oft notwendigen Kontenklärung Ihres Rentenversicherungskonto unterstützen.

Anwalt kann helfen, Fristverlängerungen zu beantragen

In gerichtlichen Verfahren sind immer irgendwelche Fristen zu beachten. Wird eine Frist versäumt, werden Sie nicht mehr gehört. Ihr Anwalt wird Sie darauf aufmerksam machen, welche Bedeutung Fristen haben. Lässt sich eine Frist unverschuldet nicht einhalten, kann der Anwalt bei Gericht darauf drängen, die Frist angemessen zu verlängern.

Neuer Termin nach verpasstem Gerichtstermin

Werden Sie zum Verhandlungstermin vor Gericht geladen, kann es sein, dass Sie den Termin aus persönlichen Gründen nicht wahrnehmen können. Ihr Anwalt wird dann die Aufgabe übernehmen, mit dem Gericht einen neuen Termin zu vereinbaren.

Anwalt kann Scheidungstermin per Videokonferenz beantragen

Bisweilen gibt es Gründe, warum ein Ehepartner im mündlichen Scheidungstermin vor dem Familiengericht nicht persönlich erscheinen kann. Ist der Ehepartner inhaftiert oder schwer erkrankt oder lebt in so weiter Entfernung, dass das gesetzlich notwendige Erscheinen vor Gericht nicht zugemutet werden kann, kann der Anwalt bei Gericht anregen, dass der Partner per Videokonferenz in den mündlichen Scheidungstermin eingebunden wird. Ihre Scheidung kann dann trotzdem stattfinden, obwohl der Partner nicht persönlich im Gerichtssaal anwesend ist.

Rücksprache mit dem gegnerischen Anwalt

Ist auch der Ehepartner anwaltlich vertreten, ist es ein Gebot wirtschaftlicher und strategischer Vernunft, außergerichtlich im Vorfeld eventuelle Streitigkeiten zu verhandeln und möglichst einer Regelung zuzuführen. Soweit Sie wegen Ihrer Trennung emotional überfordert sind, werden Sie Schwierigkeiten haben, zielführend und sachgerecht mit dem Partner oder der Partnerin zu kommunizieren. Ihr Anwalt ist das Sprachrohr, über das Sie Ihre Wünsche und Gedanken übermitteln. Bestenfalls verständigen Sie sich über Ihre Anwälte auf eine Scheidungsfolgenvereinbarung und ermöglichen so die kostengünstige und zügige einvernehmliche Scheidung im gegenseitigen Einvernehmen.

Geht es beispielsweise darum, wie der Zugewinnausgleich durchgeführt wird, kann der Anwalt konstruktiv mitwirken, die Vermögenssituation zu recherchieren und unter Einbeziehung der Interessen beider Ehepartner einen angemessenen Ausgleich zu verhandeln. Gleiches gilt, wenn Sie über das Umgangsrecht für Ihr gemeinsames Kind verhandeln und trotz aller Befindlichkeiten und emotionalen Vorbehalte das Beste für Ihr Kind erreichen wollen.

Antragsgegner ist verschollen, unauffindbar oder lebt versteckt

Reichen Sie den Scheidungsantrag beim Familiengericht ein, muss das Gericht den Antrag dem Ehepartner von Amts wegen zustellen. Voraussetzung ist, dass Sie dem Gericht im Scheidungsantrag eine ladungsfähige Anschrift des Ehepartners angeben. Andernfalls ist eine Zustellung nicht möglich und Ihre Scheidung ist blockiert. Ist die Anschrift nicht bekannt, kommt die öffentliche Zustellung in Betracht. Dazu müssen Sie nachweisen, dass Sie alles Zumutbare unternommen haben, die aktuelle Anschrift Ihres Ehepartners herauszufinden. Um die Recherchen optimal zu gestalten, kann Ihr Anwalt die Anschrift über ein Einwohnermeldeamt oder eine Postanfrage ermitteln, in sozialen Plattformen recherchieren, beim letzten Arbeitgeber oder dem Sozialamt nachfragen oder bei ausländischen Staatsangehörigen beim Ausländerzentralregister anfragen oder das zuständige deutsche Konsulat im Ausland kontaktieren.

Ehepartner lebt im Ausland

Lebt der Ehepartner im Ausland, ist es meist schwierig, ihn/sie in das Verfahren vor dem deutschen Familiengericht einzubeziehen. Die Schwierigkeiten beginnen bereits damit, dass Zustellungen kaum möglich sind. Hier sollte der Ehepartner angehalten werden, in Deutschland einen Bevollmächtigten mit einer Zustelladresse anzugeben. Dann wird der Schriftverkehr dorthin mit der Post zugestellt. Spricht der Ehepartner kein Deutsch, braucht der Schriftverkehr nicht in dessen Heimatssprache übersetzt werden. Ihr Anwalt kann zudem bei Gericht anregen, den Ehepartner vom persönlichen Erscheinen im mündlichen Verhandlungstermin zu entbinden, den Partner beim zuständigen Konsulat im Ausland oder per Rechtshilfe durch einen ersuchten Richter im Ausland anzuhören oder den Partner eventuell im Wege einer Videokonferenz in die mündliche Verhandlung zur Scheidung einzubeziehen.

Antrag auf Rechtsmittelverzicht

Das Familiengericht beschließt im mündlichen Scheidungstermin über Ihre Scheidung. Sie und der Ehepartner werden gefragt, ob Sie auf Rechtsmittel verzichten. Falls Sie auf Rechtsmittel verzichten, wird Ihre Scheidung sofort rechtskräftig. Um den Verzicht zu erklären, müssen beide Ehepartner anwaltlich vertreten sein. Ist ein Ehepartner bei der einvernehmlichen Scheidung nicht anwaltlich vertreten, kann Ihr Anwalt helfen, dass ein anderer Anwalt kollegial die Aufgabe übernimmt und für den nicht anwaltlich vertretenen Ehepartner den Rechtsmittelverzicht erklärt.

Fazit: Die Scheidung ist mehr als nur 2x15min Gespräche

Wie Sie sehen, stellen sich einem Anwalt in gerichtlichen Verfahren eine Fülle von Aufgaben und Herausforderungen. Aufgrund ihrer Kompetenzen und Erfahrungen sind Anwälte dafür ausgebildet, diesen Herausforderungen gerecht zu werden. Sie brauchen also nicht den Eindruck zu haben, die Scheidung Ihrer Ehe sei eine unlösbare Aufgabe. Auch wenn es bei Scheidungen oft weder Sieger noch Verlierer gibt und auch nicht geben sollte, wird Ihr Anwalt oder Ihre Anwältin darauf bedacht sein, Ihre Interessen sachgerecht zu vertreten und Ihre Scheidung so abzuwickeln, dass Sie trotz der widrigen Gegebenheiten eine Perspektive haben.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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