Zeugnis: Wer ein „gut“ haben möchte, muss die überdurchschnittliche Leistung vortragen und beweisen, BAG, Urteil vom 08.11.2014 – 9 AZR 584/13

  • 1 Minuten Lesezeit

Dem BAG wurde folgender Fall vorgelegt: Der Arbeitnehmer verlangt im Zeugnis die Note „stets zur vollen Zufriedenheit”, während der Arbeitgeber allenfalls bereit ist, die Leistung mit „zur vollen Zufriedenheit” zu bewerten. 

Unter Verweis auf die Rechtsprechung zur Zufriedenheitsskala (BAG NJW 2004, 2770) hält das BAG daran fest, dass die Formulierung „stets zur Zufriedenheit” oder „zur vollen Zufriedenheit” der Schulnote „befriedigend” zugeordnet wird; die Schulnote „gut” kommt durch den vorangestellten Zusatz „stets”, „immer” oder „durchgehend” zum Ausdruck. Die Gesamtbeurteilung „zur vollen Zufriedenheit” drückt eine durchschnittliche Leistung aus, wobei weiterhin die Beurteilung „stets zur vollsten Zufriedenheit” die Schulnote „sehr gut” ausdrückt. Der Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Benotung (mindestens „stets zur vollen Zufriedenheit”), haben will, muss die entsprechende Leistung vortragen und beweisen. 

Eine Beweislastumkehr für den Arbeitgeber, dass die Leistungen des Arbeitnehmers nicht der Note „stets zur vollen Zufriedenheit” entsprechen, lässt sich auch nicht aus einer Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg entnehmen. In dieser Untersuchung wurden insgesamt 802 Zeugnisse untersucht. Von den untersuchten Zeugnissen hatten 86,6% der Arbeitnehmer die Abschlussnote „gut” und „sehr gut”. Die Beweislast kann nicht dem Arbeitgeber auferlegt werden, da zumindest für die Gesundheitsbranche zu wenig Zeugnisse (insgesamt 13) ausgewertet wurden und die Studie daher nicht repräsentativ sei. Aber selbst wenn es sich um eine repräsentative Studie handeln würde, muss der Arbeitnehmer eine bessere Leistung als „zur vollen Zufriedenheit” vortragen und beweisen. Denn diese „Noteninflation” komme deshalb zustande, weil der Arbeitgeber die Kosten eines Zeugnisrechtsstreits scheut und deshalb eine Neigung zu „Gefälligkeitszeugnissen” besteht, was jedoch keine Rechtspflicht des Arbeitgebers begründet, dieser Tendenz Rechnung zu tragen und trotz einer durchschnittlichen Leistung des Arbeitnehmers diesem eine gute Leistung zu bescheinigen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Christian Schrader

Beiträge zum Thema