Krankentagegeldversicherung – Verrechnung Verletztengeld und gesetzliches Krankengeld

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Auch in den vergangenen Jahren haben wir erfolgreich Versicherungsnehmern zu ihrem Recht verholfen, den versicherten Tagessatz des Krankentagegeldes ungekürzt durchzusetzen.

Nach wie vor besteht regelmäßig die Situation, dass der Krankentagegeldversicherer bei Arbeitsunfällen zunächst das zuletzt bezogene jährliche „Nettoeinkommen“ durch Nachweise ermittelt und dann aus dem so errechneten Tagessatz unter Abzug des von der Berufsgenossenschaft gezahlten Verletztengeldes den „Tagessatz“, der noch zur Auszahlung kommen soll, errechnet, statt die betragsmäßig versicherte Summe zu zahlen.

Krankentagegeldversicherer stützt sich zumeist auf die Vorschrift des § 4 Abs. 2 MB/KT und zitieren diese: „Das Krankentagegeld darf zusammen mit sonstigen Krankentage und Krankengeldern das auf den Kalendertag umgerechnete, aus der beruflichen Tätigkeit herrührende Nettoeinkommen nicht übersteigen. Maßgebend für die Berechnung des Nettoeinkommens ist der Durchschnittsverdienst der letzten 12 Monate vor Antragstellung bzw. vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit, sofern der Tarif keinen anderen Zeitraum vorsieht.“

Der Bundesgerichtshof hatte mit Urteil vom 6. Juli 2016 (IV ZR 44/15) entschieden, dass die bis dato verwandte Klausel den Versicherungsverträgen zu § 4 Abs. 4 MB/KT (die Absenkung des Tagessatzes durch den Versicherer) unwirksam ist, weil der Begriff des „Nettoeinkommens“ nicht transparent geregelt ist.

Herabsetzung von Krankentagegeld bei gesunkenem Nettoeinkommen unwirksam – BGH 6. Juli 2016 (IV ZR 44/15)

Diese höchstrichterliche Rechtsprechung lässt sich nach hiesiger Auffassung auf den in § 4 Abs. 2 MB/KT verwendeten Begriff des „Nettoeinkommens“ übertragen.

„[36] … Der Begriff ist in den Versicherungs- und Tarifbedingungen … nicht eigenständig definiert und kann daher nur im Wege der Auslegung erschlossen werden. … [40] (20) Verbindet danach die Rechtssprache mit dem verwendeten Ausdruck „Nettoeinkommen“ keinen fest umrissenen Begriff und unterhalten auch die Tarifbedingungen keine nähere Erläuterung (vergleiche dazu OLG Saarbrücken ZfSch 202, 445, 446), so erweist sich der in § 4 Abs. 4 iB/KT verwendete Begriff als intransparent“ (BGH Urteil vom 6. Juli 2016 zum Aktenzeichen IV ZR 44/14).“

So hat es jedenfalls auch das Oberlandesgericht Dresden gesehen und in einem Obersatz gesagt: Sonderbedingungen eines Versicherers für die Krankentagegeldversicherung für Berufssportler, die an den Begriff des Nettoeinkommens in § 4 MB/KT anknüpfen, sind intransparent, wenn dieser Begriff nicht näher erläutert wird. Die Anordnung der Anrechnung von Verletztengeld ist ebenfalls intransparent, wenn unklar bleibt, wie sie rechnerisch im Einzelnen erfolgen soll. OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Urteil vom 13. Dezember 2016, Az.: 4 U 976/16.

Wir sehen unsere seit langen Jahren vertretene Rechtsauffassung in diesem Urteil auf ganzer Linie bestätigt.

Auch das OLG Köln hat in der mündlichen Verhandlung zu Berufungsverhandlung zum Aktenzeichen 20 U 217/16 „durchgreifende Bedenken“ gegen die Wirksamkeit des § 4 Abs. 2 MB/KT erklärt. Diese Berufungsverhandlung endete allerdings in einem für unsere Mandanten umfassend befriedigendem Vergleich.

Gegenstand dieses Gerichtsverfahrens war auch die Frage, ob der Versicherer bei Eintritt der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht (die regelmäßig mit einem Anspruch auf Krankengeld einhergeht) aufgrund der bestehenden Versicherungsbedingungen die Krankentagegeldversicherung einseitig auf einen Tagessatz herabsetzen darf, welcher nur noch die Differenz zwischen gesetzlichen Krankengeld und Nettoeinkommenseinbuße erfasst. 

Das OLG Köln war der Auffassung, dass unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung sich eine Absenkung sich nach § 4 Abs. 4 MB/KT als unwirksam erweist, eine einseitige Absenkung ergänzende Vertragsauslegung eher zweifelhaft ist und auch die Anwendung des § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) keine „Anpassung“ der Krankentagegeldversicherung erlaubte. 

Dies hatte zur Folge, dass die Krankentagegeldversicherung unseres zwischenzeitlich gesetzlich versicherten Mandanten zu dem versicherten Tagessatz trotz Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht (mit der Folge von Krankengeldleistungen) fortbestand und die Versicherung rückwirkend ungekürzt zu leisten hatte.

Privat versicherte Versicherungsnehmer, die ein Krankentagegeld versichert haben, sollten mit Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht sorgfältig darauf achten, dass Sie beim Wechsel in die GKV tatsächlich nur die Krankheitskosten und Pflegeversicherung kündigen und die Krankentagegeldversicherung aufrechterhalten, gegebenenfalls diese einvernehmlich mit dem Versicherer unter Abschluss einer Anwartschaftsversicherung zur vollen versicherten Summe anpassen.

Auch wenn im Versicherungsrecht sich die Überzahl der Verträge an die Musterbedingungen MB/KT orientieren und damit die vorstehenden Aussagen auf eine Vielzahl von Verträgen zu treffen, muss stets in den konkreten Versicherungsvertrag gesehen werden, welche allgemeinen und tariflichen Bedingungen tatsächlich gelten und ob diese eine andere als die generelle Beurteilung verlangen.

Tatsächlich haben im Zuge der BGH Rechtsprechung die privaten Versicherer die Klausel des § 4MB/KT zur Bestimmung des Begriffs "Nettoeinkommen" seit 2017 neu geregelt – teils unter deutlichem Hinweis mit Anschreiben an die Versicherten, teils wurden diese nur mit einem Info-Blatt ausgestattet, welches z. B. der Beitragsbestätigung beilag. Grundsätzlich haben die Versicherungen das Recht, unwirksame Bestimmungen neu zu regeln und die unwirksamen zu ersetzen. Hier muss also neben der Frage der Wirksamkeit der Verrechnung, die m. E. dennoch unter dem Aspekt Summenversicherung z. B. nicht vom BGH geklärt ist, die wirksame Einbeziehung der neuen Bestimmungen geprüft werden.  

Über unsere Erfahrungen und neueren Urteile werden wir weiter informieren. 

Sofern Sie Hilfe benötigen, wenden Sie sich gern an uns, wir vertreten Sie bundesweit.

Mit freundlichen Grüßen 

Kornelia Punk

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Versicherungsrecht


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