Beitragsanpassungen in der Krankenversicherung nach § 203 VVG auch rückwirkend prüfen lassen

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Der Bundesgerichtshof hat mit der Rechtsprechung zum Aktenzeichen IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 die Rechte der Versicherungsnehmer gestärkt und klargestellt, dass eine Prämienerhöhung in der privaten Krankenversicherung nur dann wirksam ist, wenn diese vom Versicherer auch konkret begründet wird.

Als Änderungsgrund der neuen Beiträge wird vom Versicherer meist ausgeführt „Beitragsanpassung infolge geänderter Rechtsgrundlagen gem. § 203 VVG“, dem Nachtrag zum Versicherungsschein ist ein Schreiben dann beigefügt, welches Informationen zu Beitragsänderungen enthält.

Zumeist werden in einem solchen Schreiben die grundsätzlichen Voraussetzungen, nach denen der Versicherer Prämien anpassen kann, beschrieben. Zumeist erfolgen die in dem Vertrag vorzunehmende/n Beitragsanpassung/en „gemäß § 203 VVG, weil die im Tarif erbrachten Versicherungsleistungen von der Kalkulation abweichen“. Es schließen sich Erklärungen zur grundsätzlichen Kalkulation der Beiträge wie Zusammensetzung der Beiträge, Altersrückstellung, Kalkulationsgrundlage Leistungen, Lebenserwartung und Sterbewahrscheinlichkeit etc. an.

Um den gesetzlichen Vorgaben einer wirksamen Beitragserhöhung zu genügen, reicht das bloße Aufzeigen der rechnerischen Kalkulation nicht aus.

Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. II 1 VVG veranlasst hat.

Welche Rechnungsgrundlage sich tatsächlich verändert hat, ist diesen Ausführungen u.U. nicht zu entnehmen.

„Der Gesetzeswortlaut sieht im Fall der Prämienanpassung die Angabe der „hierfür“ maßgeblichen Gründe vor und macht damit deutlich, dass sich diese auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen müssen, eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht.“ BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19.

Ein Versicherungsnehmer muss der Mitteilung über die Beitragsanpassung mit der gebotenen Klarheit entnehmen können, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat.

Das Gesetz gibt selbst Schwellenwerte vor, die überschritten sein müssen, um eine Anpassung zu erlauben. So darf erst, wenn die Krankheitskosten um mehr als 10 Prozent über den kalkulierten Ausgaben liegen, der Beitrag steigen.

Beschreiben also die Versicherer in ihren „Informationen zur Beitragsanpassung“ nur in allgemein gehaltener Form die jährliche Durchführung der Prämienüberprüfung, ohne das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mitzuteilen, muss der Versicherungsnehmer daraus nicht den Schluss ziehen, dass die beschriebenen gesetzlichen Voraussetzungen einer Prämienerhöhung in diesem Fall eingetreten sind.“ BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19

Nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH ist die Beitragsanpassung dann unwirksam.

Bis zur Grenze der gesetzlichen Verjährung von 3 Jahren zum Ende des Kalenderjahres können mithin Regressansprüche geltend gemacht werden, bis zum 31.12.2021 mithin die monatlichen Erhöhungen ab dem 1.1.2018.

Der BGH hatte im Fall eines Versicherungsnehmers der AXA Krankenversicherung AG entschieden. Auch andere Krankenversicherer dürften umfangreich unwirksame Prämienerhöhungen vorgenommen haben, was angesichts der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung zukünftig eher nicht zu erwarten ist.

Ein genauerer Blick in die Unterlagen lohnt sich, schnell ist ein Betrag von 6.000 € erreicht und die nächste Beitragserhöhung folgt Ende des Jahres mit ziemlicher Sicherheit.


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