Keine wirksame Altersbefristung durch allgemeine Bezugnahme auf die AVR im Arbeitsvertrag

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Keine wirksame Altersbefristung mit Renteneintritt im kirchlichen Arbeitsverhältnis durch allgemeine Bezugnahme auf die AVR Caritas - Kirchlicher Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung der Mitarbeiterin auch nach Renteneintrittsalter verpflichtet 

Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammer Bad Kreuznach,  Az: 7 Ca 84/21, Urt. v. 24.06.2021, nicht rechtskräftig

Das Arbeitsgericht Mainz – Auswärtige Kammer Bad Kreuznach- hat der Entfristungsklage unserer Mandantin, die als Ärztin bei einem kirchlichen Arbeitgeber beschäftigt ist und deren Dienstverhältnis nach Willen des Arbeitgebers mit Eintritt der Ärztin in das gesetzliche Rentenalter enden sollte, stattgegeben.

Unsere Mandantin wurde nach einer befristeten Weiterbildung zur Fachärztin für Anästhesie in dem kirchlichen Krankenhaus weiterbeschäftigt, den neuen Dienstvertrag erhielt sie erst (rückwirkend) Monate nach Aufnahme der Tätigkeit.

In § 2 des Dienstvertrages waren die Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritas Verbandes (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung einbezogen. Der Arbeitsvertrag war nach seinem § 3 aber auch auf „unbestimmte Zeit“ abgeschlossen.

Unsere 1955 geborene Mandantin erreichte im April 2021 das in der gesetzlichen Rentenversicherung vorgegebene Alter für den Bezug einer Altersrente.

Deshalb wurde ihr von dem Arbeitgeber mitgeteilt, dass das Ar- beitsverhältnis auf Grund einer Altersbefristung am 30.04.2021 enden wird. Denn in § 19 AVR Caritas, auf den der Arbeitgeber sich stützt, ist geregelt:

„Das Dienstverhältnis endet ohne Kündigung mit Ende des Monats, in dem der Mitarbeiter das gesetzlich festgelegte Alter zum Erreichen einer abschlagsfreien Regelaltersrente vollendet.“

 Eine solche Klausel findet sich auch in Tarifverträgen, eine Altersbefristung mit Renteneintritt ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und EUGH grundsätzlich legitim und zulässig.

Nach unserer Auffassung genügte die allgemeine Bezugnahme auf die AVR aber schon nicht der für eine Befristung des Arbeitsverhältnisses vorgeschriebenen Schriftform nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz.

Das Bundesarbeitsgericht hatte schon am 25.10.2017, 7 AZR 632/15, entschieden, dass die Schriftform des § 14 Abs. 4 TzBfG auch für die Befristung von Arbeitsverträgen gilt, die automatisch endeten, wenn der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung erreiche. Ausnahmen macht das BAG nur für Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich insgesamt anwendbarer einschlägiger Tarifverträge. Die AVR sind aber keine Tarifbedingungen, sondern allgemeine Geschäftsbedingungen.

Zudem wäre eine Befristung nur wirksam, wenn die Befristungsabrede vor Aufnahme der Tätigkeit getroffen war, was vorliegend nicht der Fall war.

Das Arbeitsgericht Mainz hat der Entfristungsklage gemäß § 17 TzBfG i.V.m. § 4 und 7 KSchG stattgegeben.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht durch Befristung sein Ende gefunden. Denn die Altersbefristung durch § 19 Abs. 3 AVR i.V. mit § 2 des Dienstvertrages der Parteien verstößt nach Würdigung der Kammer gegen § 14 Abs. 4 TzBfG.

Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, diese erfordert den Zugang der unterzeichneten Befristungsabrede beim Erklärungsempfänger vor Vertragsbeginn (vgl. BAG vom 25.10.2017, 7 AZR 632/15, unter Hinweis auf BAG vom 14.12.2016, 7 AZR 797/14, Randnummer 44).

Die Grundsätze zum Schriftformerfordernis finden auch dann Anwendung, wenn der Arbeitsvertrag auf den Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze befristet ist.

Das gesetzliche Schriftformerfordernis findet nach der Rechtsprechung des Senats nur dann keine Anwendung, wenn das Arbeitsverhältnis insgesamt einem einschlägigen Tarifvertrag unterfällt, der eine Befristung vorsieht (BAG 25.10.2017, 7 AZR 632/15 unter Hinweis auf die Entscheidung vom 23.07.2014, 7 AZR 771/12, dort Randziffer 16 und Randziffern 35 ff.).

Das Arbeitsgericht Mainz verweist sodann auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.03.2009 - 7 AZR 710/07 -, in der das BAG zur Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG entschieden hat, dass kirchenrechtliche Arbeitsrechtsregelungen nicht als Tarifverträge im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG anzusehen seien. Dies ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 2 Satz 3 TzBfG. Die Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts stehe der Anwendung der den Bestandsschutz gewährleistenden Gesetze nicht entgegen, sondern sie gebiete nur, dass die Besonderheit des kirchlichen Dienstes bei ihrer Anwendung und Auslegung zu beachten sei (vgl. BAG a.a.O., Randziffer 27 mit weiteren Nachweisen).

Diese Erwägungen gelten im Rahmen der Betrachtung des § 14 Abs. 4 TzBfG aus Sicht der Kammer des Arbeitsgerichts Mainz entsprechend.

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung hätte der Arbeitgeber vor Aufnahme der Tätigkeit der Mandantin als Anästhesistin einen entsprechend ausdrücklich befristeten Arbeitsvertrag schließen müssen, zumindest aber einen deutlichen Hinweis auf die sich aus § 19 Abs. 3 AVR ergebende Altersbefristung im Arbeitsvertrag aufnehmen müssen.

Eine höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage, ob Arbeitsverhältnisse, die einen bloßen Verweis auf die dynamische Geltung der AVR enthalten, mit Eintritt der Regelaltersgrenze befristet werden können, gibt es bisher nicht. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Mainz ist angesichts der bisherigen Rechtsprechung des BAG folgerichtig.

Eine Befristung im Geltungsbereich der AVR bedarf also nach § 14 Abs. 3 TzBfG einer gesonderten, ausdrücklichen Befristungsabrede in dem Arbeitsvertrag. Dies gilt insbesondere auch für eine Begrenzung mit Eintritt in das gesetzliche Rentenalter.

Betroffene Arbeitnehmer haben allerdings gemäß § 17 TzBfG eine Frist von 3 Wochen ab dem mitgeteilten Ende des Arbeitsvertrages zu wahren, um gegen diese Befristung vorgehen zu können und auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu klagen.



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