Arbeitslosengeld: Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe – ist sie wirklich nötig?

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Wenn Arbeitnehmer ihr Beschäftigungsverhältnis kündigen oder ihrem Arbeitgeber Grund zur Kündigung geben, führt das zu einer Sperrzeit beim Bezug des Arbeitslosengelds (§ 159 Abs. 1 SGB III). Denn aus der Sicht der Bundesagentur für Arbeit haben sie sich versicherungswidrig verhalten.
"Lösung des Beschäftigungsverhältnis" bedeutet nicht nur Kündigung der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers, sondern auch andere Mitwirkungshandlungen oder Absprachen mit dem Arbeitgeber, die für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ursächlich sind. Z. B. Abschluss eines Aufhebungs- oder Abwicklungsvertrags, vorherige Absprache über eine Kündigung, Aufgabe eines unbefristeten Beschäftigungsverhältnisses zugunsten einer befristeten Beschäftigung oder Hinnahme einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung (zum Beispiel bei fehlender Zustimmung der zuständigen Behörde bei der Kündigung eines Schwerbehinderten oder einer Schwangeren).
Eine weitere Mitwirkungshandlung kann vorliegen, wenn Beschäftigte ihre arbeitsvertraglichen Pflichten verletzen und dadurch die Voraussetzungen für eine verhaltensbedingte fristgemäße Kündigung oder für eine fristlose Kündigung vorliegen. Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber vorher eine Abmahnung ausgesprochen haben.

Hatten sie hierfür einen wichtigen Grund, kann die Dauer der Sperrzeit verkürzt werden, - ganz entfallen wird sie jedoch nur in seltenen Fällen:

Dauer der Sperrzeit:

Grundsätzlich beträgt die Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe zwölf Wochen.

Sie verkürzt sich
    auf drei Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis ohne die Arbeitsaufgabe ohnehin sechs Wochen später geendet hätte,
    auf sechs Wochen, wenn das Arbeitsverhältnis zwölf Wochen später geendet hätte, § 159 Abs. 3 SGB III.

Verkürzung der Sperrzeit bei besonderer Härte:


Eine Verkürzung auf sechs Wochen ist möglich, wenn eine zwölfwöchige Sperrzeit für Arbeitslose eine besondere Härte bedeuten würde.

Die Grenzen zwischen "Sperrzeit bedeutet eine besondere Härte" (Sperrzeit wird verkürzt) und "Arbeitsaufgabe erfolgt aus wichtigem Grund" (Sperrzeit entfällt völlig) sind fließend.

Im Rahmen einer Interessenabwägung prüft die Arbeitsagentur, ob Beschäftigten das Festhalten am Arbeitsverhältnis zugemutet werden kann. Arbeitslose müssen der Arbeitsagentur ihre Gründe nachweisen. Die können zum Beispiel vorliegen, wenn

- Beschäftigte gemobbt oder einem erheblichen psychischen Druck ausgesetzt wurden,
 - Arbeitgeber gegen wesentliche Arbeitsschutzbestimmungen oder Vertragspflichten verstoßen haben,
-  die Arbeit sittenwidrig war oder gegen ein Gesetz verstoßen hat,
- der Arbeitgeber Insolvenz angemeldet hat,
 - eine Ehe- bzw. Lebenspartnerschaft oder Erziehungsgemeinschaft mit einem Kind begründet oder aufrecht erhalten werden soll,
- Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft zusammenziehen wollen oder

- zur Verhinderung einer ansonsten rechtmäßigen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung ein Aufhebungsvertrag mit Abfindungszahlung geschlossen worden ist,
.- der Betroffene einen nahen Angehörigen pflegt und Pflege und Arbeit nicht miteinander verbinden kann,
- ein älterer oder besonders vor Kündigungen geschützter Arbeitnehmer (z.B. Schwerbehinderte oder Schwangere) kündigt, weil sonst ein jüngerer Kollege entlassen würde.

Nur häufig krank oder schon voll erwerbsgemindert?

Wann eine Arbeit für den Arbeitnehmer aufgrund seines körperlichen oder geistigen Leistungs-vermögens nicht zumutbar ist, wird von den Gerichten sehr unterschiedlich bewertet. Hier neigen Gerichte dazu, keinen wichtigen Grund zu sehen. Der Arbeitnehmer müsse das eben "aussitzen". Schlimmstenfalls müsse er /sie sich so oft / lange krankschreiben lassen, daß der Arbeitgeber kün-digt.
Dabei wird häufig übersehen, daß dadurch das nächste Problem auftreten kann: Die Bundesagen-tur für Arbeit zweifelt dann nämlich an der Erwerbsfähigkeit generell.

Keine Vorteile für behinderte Arbeitnehmer

Daß die Eigenkündigung für behinderte Arbeitnehmer generell "leichter" ist, läßt sich nicht feststellen. Im Gegenteil: Sie müssen sich viel eher auf mögliche Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verweisen lassen als nicht behinderte Arbeitnehmer.

Voraussetzung ist aber stets, daß Arbeitnehmer im Vorfeld versucht haben, die Arbeitslosigkeit zu vermeiden oder auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.

Eine Sperrzeit mindert die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld um die Tage der Sperrzeit, bei einer Sperrzeit von zwölf Wochen mindestens aber um ein Viertel der gesamten Anspruchsdauer. Be-steht zum Beispiel ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von 18 Monaten, erhalten Ar-beitslose für insgesamt 4,5 Monate kein Arbeitslosengeld.

Die Arbeitsagentur sammelt Ihre Sperrzeiten: Summieren sich Sperrzeiten auf 21 Wochen innerhalb von einem Jahr, erlischt der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter den Voraus-setzungen des § 161 Abs. 1 Nr. 2 SGB III vollständig.

Weitere sozialrechtliche Konsequenzen

Alle Gebiete des Sozialrechts sind eng miteinander verzahnt. Eine Sperrzeit wirkt sich daher auch auf andere Bereiche aus
Pflichtversicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung sind im ersten Monat der Sperrzeit durch den nachwirkenden Versicherungsschutz abgesichert (§ 19 Abs. 2 SGB V). Privat und freiwillig Versicherte müssen ihre Beiträge zur Krankenversicherung selbst zahlen.

Ab dem zweiten Monat der Sperrzeit setzt die Versicherungspflicht für Arbeitslose ein (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Während der Sperrzeit besteht jedoch kein Anspruch auf Krankengeld und es werden keine Beiträge zur Rentenversicherung abgeführt (§ 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V).

Sie sehen, eine Sperrzeit kann häufig vermieden, zumindest verkürzt werden. Die Arbeitsagentur akzeptiert Ihre Argumente nicht? Kontaktieren Sie mich, ich setze mich für Sie ein!



Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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