Betriebsratswahl - Wahlvorstand - Bestellung

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Teil 3

Wichtige Normen bei der Bestellung des Wahlvorstands

§ 16 BetrVG regelt, wie der Wahlvorstand in Betrieben bestellt wird, in denen bereits ein Betriebsrat besteht, wie er sich zusammensetzt und aus wie vielen Mitgliedern er besteht.

§ 17 BetrVG regelt die Bestellung in Betrieben ohne Betriebsrat.

In Betrieben, die nach dem vereinfachten Wahlverfahren wählen, gelten die §§ 16 und 17 BetrVG mit bestimmten Abänderungen, die in §§ 14a und 17a BetrVG zu finden sind.

Besteht ein Betriebsrat, bestellt grundsätzlich er den Wahlvorstand.

Andere Gremien, die ausnahmsweise den WV bestellen

Nur ausnahmsweise, nämlich dann, wenn im Zeitpunkt der Bestellung kein Betriebsrat existiert – entweder, weil es noch nie einen gab, oder weil die Amtszeit des vorangegangenen zwischenzeitlich endete –, wird der Wahlvorstand durch den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat bestellt, § 17 Abs. 1 BetrVG und, sofern diese Gremien nicht bestehen, durch die Wahlversammlung, § 17 Abs. 2 und 3 BetrVG.

Und wenn auch sie keinen bestellt, können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einen Antrag auf Bestellung des Wahlvorstands beim Arbeitsgericht stellen, § 17 Abs. 4 BetrVG.

Ähnliches gilt, wenn der amtierende Betriebsrat 8 Wochen vor Ablauf seiner Amtszeit noch keinen Wahlvorstand bestellt hat. Hier wird auf entsprechenden Antrag von drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft das Arbeitsgericht tätig, § 16 Abs. 2 BetrVG; parallel dazu ist aber immer noch sowohl eine Bestellung durch den GBR/KBR als auch durch den amtierenden Betriebsrat möglich, vgl. hierzu § 16 Abs. 3 BetrVG.

Keine Delegation auf die Betriebsversammlung

Der Betriebsrat kann die Aufgabe nicht auf die Betriebsversammlung delegieren, auch wenn er meint, dies sei demokratischer; es ist auch egal, ob der Arbeitgeber damit einverstanden war.

Das LAG Köln schreibt dazu (Beschl. v. 02.08.2011, 12 TaBV 12/11): „Es kommt auch nicht darauf an, ob die Bestellung des Wahlvorstandes im vorliegenden Fall durch die Betriebsversammlung im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber, der vorliegend die Betriebsratswahl angefochten hat, erfolgt ist. Denn bei der Bestellung des Wahlvorstandes handelt es sich gemäß § 16 BetrVG um eine zwingende Vorschrift und eine Pflicht des Betriebsrates, der er nachzukommen hat und die er nicht delegieren kann“.

Die Bestellung erfolgt ausschließlich durch Beschluss des Betriebsrats in einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung (dazu noch unten).

Bestellung ist eine Pflicht

Die Bestellung des Wahlvorstands ist Pflicht des Betriebsrats. Kommt er ihr nicht nach, handelt es sich um eine grobe Pflichtverletzung, die eine Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 BetrVG rechtfertigt.

Jedoch ist diese Sanktion meist ohne Bedeutung, weil die Amtszeit des BR ohnehin bald enden wird; und dem Arbeitgeber ist es mindestens egal, er wird sich nicht rühren.

Lediglich dann, wenn eine (außerordentliche) Neuwahl nach § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BetrVG notwendig wird, kann sie eine Rolle spielen, weil in diesem Fall der Betriebsrat ansonsten bis zum Ablauf der regelmäßigen Amtszeit im Amt bliebe, was sich aus den §§ 21 Satz 5 und 22 BetrVG ergibt. Er könnte seine Amtszeit pflichtwidrig bis dahin ausschöpfen – in sehr vielen Fällen geschieht dies auch, der Verstoß bleibt meist ohne Folgen.

Zu denken wäre in solchen Fällen von interessierter Seite an die Ersatzbestellung durch das Arbeitsgericht.

Zeitpunkt – Ende der Amtszeit

§ 16 BetrVG regelt die Bestellung des Wahlvorstandes durch den Betriebsrat, dessen Amtszeit in Kürze ablaufen wird und der nun bei der nächsten regelmäßigen Wahl nach § 13 Abs. 1 BetrVG im normalen Verfahren neu gewählt werden soll.

Mit Amtszeit ist gemeint 

  • das Ende der regelmäßigen Amtszeit von vier Jahren, vgl. § 21 S. 1 BetrVG,
  • das Ende der Amtszeit eines BR, der nach außerordentlicher Neuwahl abgelöst wird
  • das Ende der verkürzten Amtszeit eines außerhalb der regelmäßigen Wahlperiode gewählten BRs
  • und für Spezialisten: das Ende der auf 6 Monate befristeten Periode bei Übergangsmandaten, § 21a BetrVG.

Anmerkung: Die allerwenigsten Betriebsräte wissen, wann die Amtszeit ihres BR abläuft. Auch die Arbeitgeber wissen das meist nicht. Wenn ich in den Seminaren oder Schulungen vor Ort frage, erhalte ich sehr unterschiedliche Antworten. Die häufigste ist: „Wir haben immer so Mitte/Ende April gewählt“ (Thema verfehlt), dann folgt „die konstituierende Sitzung“ (falsche Antwort!).

Daher kommt noch ein eigenes Kapitel zum Thema „Amtszeit“.

Wenn es um den Ablauf der regelmäßigen Amtszeit geht, hat der Betriebsrat den Wahlvorstand spätestens an dem Tag zu bestellen, der um 10 Wochen zurückgerechnet dem Tag entspricht, an dem seine regelmäßig Amtszeit abläuft, § 16 Abs. 1 BetrVG; zwischen Bestellung und Amtszeitende müssen also mindestens 10 Wochen liegen (normales Verfahren).

Im vereinfachten Verfahren gelten andere Fristen: 4 Wochen, § 17a Nr. 1 BetrVG.

Wo möglich: Normales Wahlverfahren!

Übrigens: Das „vereinfachte Verfahren“ ist überhaupt nicht einfacher, sondern mit Glück höchstens kürzer als das normale. 

Das „vereinfachte“ Verfahren ist sehr fehleranfällig, gerade durch die erheblich verkürzten Fristen; und es müssen ohnehin fast alle wesentlichen Schritte des normalen Verfahrens durchgeführt werden.

Ich möchte den Betrieben, die zwischen dem vereinfachten und dem normalen Verfahren wählen können, dringend das „normale“ Verfahren ans Herz legen.

Die von Arbeitsminister Heil zu Beginn der Legislaturperiode angekündigte vermeintlich segensreiche Gesetzesänderung, es solle in Betrieben bis 200 Arbeitnehmer zwingend im vereinfachten Verfahren gewählt werden können, lag länger auf Eis, wird aber leider jetzt offenbar doch Gesetz. Ob eventuell am Wahlverfahren selbst noch etwas geändert werden soll, müssen wir abwarten, ich fürchte aber nein.

Fristberechnung

Falls ein BR also tatsächlich sicher weiß, dass seine Amtszeit zB. am Donnerstag, den 28.04.2022, 24:00 Uhr ablaufen wird, so ist der Wahlvorstand spätestens am Donnerstag, den 17.02.2022 zu bestellen (normales Verfahren).

Wählen Sie im Jahr 2022 einen BR, um (wieder) in den regelmäßigen Rhythmus zu gelangen – also nach einer außerordentlichen Neu-Wahl –, dann gilt: Die Amtszeit des jetzt amtierenden BR endet spätestens am Dienstag, den 31.05.2022. Der Wahlvorstand muss folglich spätestens am Dienstag, den 22.03.2022, bestellt werden. Ich empfehle allerdings, die Frist nicht auszuschöpfen und nicht zu spät zu wählen, zugleich aber auch auf die Lage der Osterferien zu achten. Hierzu beim Kapitel „Amtszeit“ noch Einzelheiten.

Es kann sein, dass der Tag, an dem die Amtszeit endet, ein Samstag, ein Sonntag oder ein gesetzlicher Feiertag ist. Dann ist der letzte davor liegende Arbeitstag für die Bestellung des Wahlvorstands maßgebend.

Mindestfrist

Die 10-Wochen-Frist ist eine Mindestfrist, die Bestellung des Wahlvorstands kann also auch zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen; dies wird in aller Regel auch sinnvoll sein.

Als amtierender Betriebsrat sollte man schon im Vorfeld der Bestellung überlegen, welche Rechts- und Statusfragen zu klären sind (Leitende Angestellte, Betriebsstruktur, Betriebszugehörigkeit (zB. Matrixstrukturen) Synchronisation mit den Sprecherausschusswahlen) und wie viel Zeit dies evtl. in Anspruch nehmen wird. Man sollte diese Frist also nicht zu knapp kalkulieren, drei Monate, also ca. 13 Wochen sollten es mindestens sein.

Abstimmung mit Wahlen zum Sprecherausschuss

Die BR-Wahlen sind zeitgleich mit den Sprecherausschusswahlen einzuleiten. „Einleiten“ ist ein fest definierter Begriff und bedeutet „Aushang des Wahlausschreibens“.

Zuvor ist ein sog. Zuordnungsverfahren nach § 18a BetrVG durchzuführen. Die beiden Wahlausschüsse müssen die Mitarbeiter je nach Status dem einen oder anderen Gremium zuordnen; sie müssen sich also darüber einig werden, wer leitender Angestellter ist und wer nicht.

Wegen dieser Verknüpfung der Wahlen ist für die Bestellung des Wahlvorstandes vom Ende derjenigen Vertretung auszugehen, deren Amtszeit zuerst endet.

Vorzeitige Bestellung und Kündigungsschutz

Da es sich bei der Frist in § 16 Abs. 1 BetrVG um eine Mindestfrist handelt, ist Raum für taktische Überlegungen ganz anderer Art eröffnet:

Kann man nicht einfach schon drei Jahre vor Ablauf der Amtszeit den Wahlvorstand bestellen, um Kollegen, die beim Arbeitgeber in Ungnade gefallen sind, Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 1 KSchG als Wahlvorstandsmitglied zu verschaffen? Oder gibt es neben der Mindest- auch eine Höchstfrist?

Die Grenze ist allein der Rechtsmissbrauch, aber wann die Grenze überschritten ist, ist nicht entschieden. Nach herrschender Meinung soll sie erreicht sein, wenn der Betriebsrat deutlich früher bestellt wird, und das allein deshalb, um den Kündigungsschutz herbeizuführen und das Mitglied, um das es geht, dies auch weiß.

Dabei soll der Rechtsmissbrauch nach schlauen Stimmen in dicken Büchern bei mehr als dem Doppelten der Mindestfrist indiziert sein, wenn er also mehr als 20 Wochen vorher bestellt wird. Dann soll seine Bestellung sogar unwirksam sein und der Kündigungsschutz entfällt.

Man wird wohl unterscheiden müssen, ob die nachfolgende Wahl angefochten wird, oder ob man sich als gekündigtes Wahlvorstandsmitglied auf den Kündigungsschutz beruft.

Das LAG Niedersachsen (Beschl. v. 13.10.2010, 17 Sa 569/10) schreibt: „Zumindest wird allein die Tatsache, dass der Betriebsrat den Wahlvorstand ca. 36 Wochen vor Beginn des gesetzlichen Wahlzeitraums gemäß § 13 BetrVG bestellt hat, nicht zur Nichtigkeit der Bestellung des Wahlvorstands führen“.

Ob sich das betreffende Wahlvorstandsmitglied dann auf den Kündigungsschutz berufen kann oder nicht, wird auch davon abhängen, ob die Bestellung tatsächlich treuwidrig war und das Wahlvorstandsmitglied davon Kenntnis hatte. Auch wird es davon abhängen, wann letztlich die Kündigung zuging. Die Chancen für den Arbeitgeber dürften in solchen Fällen in der Regel nicht so gut stehen.

Das BAG (Urt. v. 19.04.2012, 2 AZR 299/11) führt noch aus: „Da § 16 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur regelt, bis wann spätestens ein Wahlvorstand zu bestellen ist, nicht aber festlegt, ab wann frühestens er bestellt werden kann, liegt nicht allein in einer „unnötig“ frühen Bestellung schon ein Rechtsmissbrauch, solange nicht der Zeitpunkt der Bestellung sachlich gänzlich unangemessen ist“.

Zu späte Bestellung

Wird die Mindestfrist nicht eingehalten, der Wahlvorstand also zu spät bestellt, ist er dennoch wirksam im Amt; allerdings kann es zu einer betriebsratslosen Zeit kommen.

Diese Überlegungen sind nur bei Ablauf der Amtszeit anzustellen. Ist neu zu wählen, zB. weil der BR zurückgetreten ist oder nicht mehr über die gesetzliche Anzahl Mitglieder verfügt, muss der BR den Wahlvorstand „unverzüglich“ bestellen (gemeint ist in solchen Fällen in der Regel die nächste ordentliche Sitzung).

Die Beschlussfassung durch den Betriebsrat

Die Mitglieder des Wahlvorstands werden vom Betriebsrat in einer Sitzung bestellt. Die Sitzung muss natürlich ordnungsgemäß einberufen sein.

Die Bestellung der Mitglieder erfolgt sodann durch Beschluss des Betriebsrats mit einfacher Stimmenmehrheit (d. h. der Mehrheit der in der Sitzung anwesenden Mitglieder, genauer: derjenigen Mitglieder, die an der Abstimmung teilnehmen).

Über die vorgeschlagenen Mitglieder kann einzeln oder „en bloc“ (also alle Kandidaten auf einmal) abgestimmt werden.

Offen oder geheim?

Die Abstimmung ist grundsätzlich offen. Eine förmliche dh. geheime Wahl kann aber vom Betriebsrat beschlossen werden oder bereits in der Geschäftsordnung festgelegt sein.

Im Kommentar von Däubler, den sicherlich viele Betriebsräte benutzen, heißt es hingegen, eine geheime Wahl sei unzulässig. Warum, schreibt der Kommentar jedoch nicht.

Ich meine, eine geheime Wahl muss zulässig sein. Dies deshalb, weil es darum geht, bestimmte Personen in ein bedeutsames Amt zu wählen; und niemand im BR soll kontrollieren dürfen, wer für wen gestimmt oder auch nicht gestimmt hat. Der Druck, gerade bei Ämterbesetzungen ein bestimmtes Wahlverhalten an den Tag zu legen, um nicht später mit einem schlechten Listenplatz o.ä. bestraft zu werden, ist sehr groß.

Achtung: Es gibt keinen Grundsatz, dass geheim zu wählen ist, nur weil ein einziges Mitglied im BR dies so wünscht (es sei denn, so steht es in der Geschäftsordnung). Grundsätzlich ist darüber, ob geheim gewählt wird, mit einfacher Mehrheit zu beschließen (die Abstimmung hierüber findet offen statt!).

Keine Listenwahl

Ausgeschlossen sind Wahlen nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dh. es finden keine Listenwahlen statt. Die Wahl in den Wahlvorstand ist immer eine Personenwahl; denn schließlich darf man ja auch wahlberechtigte Personen in den Wahlvorstand wählen, die nicht BR-Mitglied sind (dazu später).

Übertragung auf einen Ausschuss?

Es spricht auch nichts dagegen, dem Betriebsausschuss oder einem anderen Ausschuss nach § 28 BetrVG durch besonderen Beschluss die Bestellung des Wahlvorstands zur selbstständigen Erledigung zu übertragen. Ob dies sinnvoll ist, mag man im Gremium diskutieren.

Der Übertragungsbeschluss muss schriftlich und mit absoluter Mehrheit gefasst sein, da die Bestellung der Wahlvorstandsmitglieder nicht zu den laufenden Geschäften des BR gehört, § 27 Abs. 2 BetrVG.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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