Betriebsratswahl - Wahlvorstand - Ersatzmitglieder - Entsandte der Gewerkschaft

  • 7 Minuten Lesezeit

Teil 6

Ersatzmitglieder

Bestellung

Um die Funktionsfähigkeit und Kontinuität des eingesetzten Wahlvorstands zu sichern, sieht § 16 Abs. 1 S. 4 BetrVG vor, dass für jedes Mitglied des Wahlvorstands ein Ersatzmitglied bestellt werden kann. Die Bestellung von Ersatzmitgliedern möchte ich dringend empfehlen.

Auch insoweit kommen natürlich nur wahlberechtigte Arbeitnehmer des Betriebs in Frage.

Die Ersatzmitglieder werden durch Beschluss des Betriebsrats bestimmt. Auch hier sollte der BR vorher gefragt haben, ob die Kandidaten das Amt auch wirklich ausüben wollen.

Das Gesetz sieht vor, dass für ein bestimmtes Mitglied des Wahlvorstands jeweils ein konkretes Ersatzmitglied (namentlich) bestimmt wird (also: wenn Herr/Frau A fehlt, rückt immer Herr/Frau B nach).

Es ist aber auch zulässig, Ersatzmitglieder für alle Mitglieder des Wahlvorstands zu bestellen. In diesem Falle muss der Betriebsrat natürlich die Reihenfolge des Nachrückens vorher festlegen. Es rückt also – wie bei der Personenwahl zum BR – immer das erste Ersatzmitglied nach, egal wer fehlt, und bei Verhinderung des ersten Ersatzmitglieds rückt das zweite nach usw. Es genügt also, wenn der BR den Beschluss fasst: Herr/Frau B ist erstes, Herr/Frau C zweites und Herr/Frau D drittes Ersatzmitglied usw.

In der Praxis überwiegt diese Form der Bestellung deutlich.

Die Bestellung von Ersatzmitgliedern für jeweils ein bestimmtes Mitglied möchte ich nicht empfehlen. Es kommt durchaus vor, dass sowohl das ordentliche Mitglied als auch das Ersatzmitglied verhindert sind; es stellt sich dann die Frage, wer nachrückt, da für diesen Fall meistens keine Regelung getroffen wird. Und was wäre, wenn man fünf Wahlvorstandsmitglieder bestellen will, weil man fünf Wahllokale öffnen möchte, aber nur drei Nachrücker findet? Die Vorstellung des Gesetzes ist also ziemlich unpraktisch.

Beim Nachrücken ist nicht auf die Geschlechterquote zu achten, weil für den Wahlvorstand eine Geschlechterquote gar nicht vorgesehen ist.

Verhinderung

Das Ersatzmitglied rückt im Falle der Verhinderung des ordentlichen Mitglieds in den Wahlvorstand ein.

Scheidet ein ordentliches Mitglied endgültig aus (Niederlegung des Amtes, Ausscheiden aus dem Betrieb), rückt das Ersatzmitglied dauerhaft nach.

Ist ein ordentliches Mitglied nur zeitweilig verhindert, rückt das Ersatzmitglied nur vorübergehend nach. Was diese Fälle der zeitweiligen Verhinderung angeht, gelten die gleichen Grundsätze wie bei der Verhinderung von Betriebsratsmitgliedern gem. § 25 Abs. 1 BetrVG:

Wer arbeitsunfähig erkrankt ist, sich im Urlaub befindet oder sonst ortsabwesend ist, gilt als verhindert. Wer dennoch an den Sitzungen des Wahlvorstands teilnehmen möchte, muss dies dem Vorsitzenden anzeigen, da dieser ansonsten das Ersatzmitglied laden muss. Und auch hier gilt: Wer keine Lust hat, ist grds. nicht verhindert.

Kündigungsschutz

Ist das Ersatzmitglied eingerückt, genießt es Kündigungsschutz nach § 15 KSchG i.V.m. § 103 BetrVG. Nach Ende der Verhinderung hat es nachwirkenden Schutz nach § 15 KSchG i.V.m. § 102 BetrVG, sofern es Aufgaben als Wahlvorstandsmitglied wahrgenommen hat; dies muss nicht notwendig die Teilnahme an einer Sitzung sein. Auch hier gelten die gleichen Grundsätze wie bei Betriebsräten. Der nachwirkende Schutz beträgt hier allerdings nur 6, nicht 12 Monate.

Bis zum Eintritt ist das Ersatzmitglied (nur) nach § 20 BetrVG geschützt, der eine Behinderung der Wahl – auch in Form von Kündigungen – für unzulässig erklärt. Beweispflichtig für diese Form der Maßregelung ist allerdings der Gekündigte. Es gibt im Bereich des Wahlvorstands leider (noch) keinen Schutz als Wahlkandidaten.

Die Entsendung nicht stimmberechtigter Mitglieder durch Gewerkschaften

§ 16 Abs. 1 Satz 6 BetrVG gestattet jeder im Betrieb vertretenen Gewerkschaft, einen Beauftragten, der dem Betrieb angehört, als nicht-stimmberechtigtes Mitglied in den Wahlvorstand zu entsenden.

Ich habe keinerlei Kenntnis, wie häufig dies in der Praxis vorkommt; bei meinen Schulungen ist mir bislang noch kein Fall begegnet, in dem die Gewerkschaft hiervon Gebrauch gemacht hätte. Aber vielleicht werde ich auch nur dort zu Schulungen gerufen, wo die Gewerkschaft nicht schon irgendwie eingegriffen hat.

Jedenfalls soll dadurch die Tätigkeit des Wahlvorstands transparenter werden, weil die Sitzungen des Wahlvorstands schließlich nicht öffentlich sind.

Voraussetzungen des Entsendungsrechts

Das Entsendungsrecht steht nur Gewerkschaften zu, die im Betrieb vertreten sind, d.h. denen mindestens ein Arbeitnehmer des Betriebs als Mitglied angehört.

Das Entsendungsrecht besteht ferner nur, wenn die Gewerkschaft nicht bereits durch ein ordentliches Mitglied im Wahlvorstand vertreten ist. Dass ein Ersatzmitglied des Wahlvorstands Mitglied der Gewerkschaft ist, steht dem Entsendungsrecht solange nicht entgegen, als das Ersatzmitglied nicht in den Wahlvorstand nachgerückt ist.

Ein Entsendungsrecht kommt erst nach Bestellung des Wahlvorstands durch den Betriebsrat in Betracht. Denn erst dann steht fest, ob die Gewerkschaft durch ein ordentliches Mitglied im Wahlvorstand vertreten ist oder nicht.

Die Ausübung des Entsendungsrechts ist an keine bestimmte Frist gebunden. Sie ist auch noch nachträglich zulässig, sogar noch am Wahltag, aber nicht mehr zur anschließenden konstituierenden Sitzung des BR, da dies keine Sitzung des Wahlvorstands mehr ist, obwohl der Wahlvorstand zu dieser Sitzung einlädt. Wenn also die Gewerkschaft im Laufe der Vorbereitungen zur Wahl merkt, dass etwas nicht rund läuft, kann sie jederzeit jemanden entsenden.

Ob und wie sich der Wahlvorstand durch die Gewerkschaft oder andere Sachverständige helfen lassen kann, dazu noch später.

Die Entsendung muss durch einen bevollmächtigten Vertreter der Gewerkschaft erklärt werden. Die Erklärung ist an den Vorsitzenden des Wahlvorstands zu richten. Die Erklärung muss den Namen der Person enthalten, die als nicht stimmberechtigtes Mitglied entsandt werden soll; erst wenn diese Erklärung vorliegt, muss der Wahlvorstandsvorsitzende den Entsandten zu den Sitzungen laden.

Der Wahlvorstand ist berechtigt und verpflichtet zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine rechtswirksame Entsendung vorliegen (zB. dass die Gewerkschaft überhaupt im Betrieb vertreten ist, der/die Entsandte dem Betrieb angehört und wahlberechtigt ist). Der WV hat sodann darüber durch Beschluss der stimmberechtigten Mitglieder zu entscheiden. Kommen dem Wahlvorstand Zweifel, kann er die Gewerkschaft auffordern, die Voraussetzungen zu belegen. Die Gewerkschaft muss beweisen, dass die Voraussetzungen vorliegen.

Entsendungsrecht, nicht: Entsendungspflicht

Die Gewerkschaft hat ein Entsendungsrecht, aber keine Entsendungspflicht.

Der Betriebsrat oder der Wahlvorstand sind auch nicht verpflichtet, von sich aus die Gewerkschaften auf das Entsendungsrecht hinzuweisen.

Allerdings ist der Wahlvorstand verpflichtet, auf Anfrage den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften die Mitglieder und auch Ersatzmitglieder des Wahlvorstandes namentlich mitzuteilen, damit sie entscheiden können, ob ein Entsendungsrecht in Frage kommt und ob sie davon Gebrauch machen wollen.

Betriebsangehörige, wahlberechtigte Beauftragte

Die Gewerkschaft kann nur einen betriebsangehörigen Beauftragten in den Wahlvorstand entsenden. Die Entsendung eines externen Vertreters ist selbst dann unzulässig, wenn sich kein Betriebsangehöriger bereit erklärt, diese Aufgabe zu übernehmen.

Das Gesetz beschränkt das Entsendungsrecht der Gewerkschaften nicht auf ihre Mitglieder, sodass auch andere Betriebsangehörige in den Wahlvorstand entsandt werden können, sofern sie hiermit einverstanden sind.

Der betriebsangehörige Beauftragte muss zudem immer ein im Betrieb wahlberechtigter Arbeitnehmer sein.

Ob es zulässig ist, dass die Gewerkschaft für das entsandte Mitglied ein Ersatzmitglied bestellt, ist nicht geklärt. Im Kommentar von Däubler heißt es, das sei nicht zulässig. Warum eigentlich? Wenn die/der Entsandte verhindert ist, darf die Gewerkschaft aber in jedem Fall einen Ersatz entsenden, den sie dann vorher anmelden muss.

Rechtsstellung im Wahlvorstand

Der/Die von der Gewerkschaft Entsandte ist Mitglied des Wahlvorstands. Sie/Er soll vor allem als Beobachter für Transparenz bei Tätigkeiten des Wahlvorstands sorgen. Das bestellte Mitglied hat daher ein Teilnahmerecht an allen Sitzungen des Wahlvorstands, sie/er ist zu diesen Sitzungen zu laden, so wie die ordentlichen Mitglieder auch.

Die/Der entsandte Beauftragte hat aber kein Stimmrecht. Es ist ihm/ihr untersagt, an den Abstimmungen teilzunehmen. Beschlussorgan ist allein der vom Betriebsrat bestimmte Wahlvorstand.

Ob sie/er sich auch an den (Schluss-)Beratungen im Wahlvorstand beteiligen darf, ist umstritten. Grundsätzlich gilt: wer an der Beschlussfassung nicht teilnehmen darf, soll auch von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen sein. Ist die/der Beauftragte dennoch bei den Beratungen zugegen, werden Beschlüsse aber nur unter bestimmten Voraussetzungen unwirksam sein.

Sofern die/der Entsandte nicht in erheblicher Weise Einfluss auf die Entscheidungsfindung der Stimmberechtigten genommen hat, sind die Beschlüsse nicht aufgrund seiner Anwesenheit unwirksam. Diejenigen, die sich auf die Unwirksamkeit berufen, müssten beweisen, dass das Abstimmungsergebnis bei Abwesenheit anders ausgefallen wäre.

Ich hörte von Fällen, in denen urplötzlich ein Gewerkschaftsvertreter bei den Wahlvorstandssitzungen auftauchte, ohne dass er offiziell entsandt oder auch nur durch Beschluss eingeladen wurde. Natürlich wird ein Wahlvorstandsmitglied ihn heimlich „hergebeten“ oder ihm zumindest den Zutritt erlaubt haben. Aber das Gremium insgesamt darf sich so etwas nicht gefallen lassen. Eine einvernehmlich beschlossene Zusammenarbeit mit der Gewerkschaft ja, aber „feindliche Übernahme“ nein. Soll die Gewerkschaft doch ihr Entsendungsrecht ausüben, sofern die Voraussetzungen vorliegen. Dennoch werden Beschlüsse des Wahlvorstands auch bei Anwesenheit dieses uneingeladenen Gewerkschaftsmitglieds nur unter den o.g. Voraussetzungen unwirksam sein; Urteile hierzu gibt es allerdings nicht.

Der/Die Entsandte hat aber in jedem Fall das Recht, Einblick in die Unterlagen des Wahlvorstandes zu nehmen.

Dem/Der Entsandte steht als Mitglied des Wahlvorstands der besondere Kündigungsschutz für Wahlvorstandsmitglieder zu.

Die/Der Entsandte kann nicht alleine (oder mit einem Wahlhelfer zusammen) in einem Wahllokal anwesend sein und ein Wahllokal leiten. Voraussetzung ist nämlich immer, dass ein stimmberechtigtes Mitglied des Wahlvorstands im Wahllokal anwesend ist. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Oliver Derkorn

Beiträge zum Thema