Betriebsschließungsversicherung | Rechtsanwalt | Heidelberg

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Rechtsanwälte der Kanzlei Fathieh in Heidelberg

Viele Betriebsinhaber mussten  im Zuge der Coronavirus-Pandemie ihre Betriebe schließen. In vielen Fällen haben die Betriebsschließungsversicherungen jedoch nicht gezahlt. Alle Betriebsinhaber mit einer Betriebsschließungsversicherung sollten sich zumindest anwaltlich erstberaten lassen. In keinem Fall, sollten sich versicherte Betriebsinhaber ohne anwaltliche Beratung auf eine Einigung in Höhe von 15 % der vereinbarten Tagesentschädigung einlassen.

Die Rechtsprechung ist derzeit uneinheitlich. Selbst wenn das das Coronavirus nicht durch die Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz in den konkreten Bedingungen, die dem Versicherungsvertrag zugrunde liegen in Bezug genommen wird, kann es, wie die folgenden Ausführungen zeigen, nach einer Klage zu einer Verurteilung der Betriebsschließungsversicherung zur Leistung kommen.

Urteile des OLG Karlsruhe vom 30.06.2021

Am 30.06.2021 hat das OLG Karlsruhe über zwei Klagen zur Leistungspflicht von Betriebsschließungsversicherungen bei COVID-19 bedingten Schließungen geurteilt und kam in einem Fall zu dem Ergebnis, dass eine Leistungspflicht des Versicherers besteht, im anderen Fall lehnte es eine solche Leistungspflicht ab. Grund für diese unterschiedliche Bewertung war die Ausgestaltung der jeweiligen allgemeinen Versicherungsbedingungen.

Leistungspflicht des Versicherers besteht

Die Leistungspflicht der Betriebsschließungsversicherung bejahte das OLG Karlsruhe in einem Urteil, in welchem es über den Anspruch eines Hotelbetreibers mit angegliederter Gaststätte in Heidelberg gegen die Betriebsschließungsversicherung zu entscheiden hatte (OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.06.2021, Az. 12 U 4/21). Entscheidend war nach der Argumentation des OLG Karlsruhe, dass in den Versicherungsbedingungen mehrfach Bezug auf das Infektionsschutzgesetz genommen wurde und dem Versicherungsnehmer nicht in hinreichender Klarheit dargelegt wurde, dass der aufgeführte Katalog von Krankheiten und Krankheitserregern hinter dem des Infektionsschutzgesetz zurückbleibt. Aus diesem Grund läge ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor. Das Landgericht Heidelberg hatte zuvor einen Anspruch der Hotelbetreiberin abgelehnt (LG Heidelberg, Urteil vom 08.12.2020, Az. 2 O 156/20).

Das zweite Urteil des OLG Karlsruhe vom 30.06.2021 zu einem Fall über eine Betriebsschließungsversicherung

Im zweiten Urteil (OLG Karlsruhe, Urteil vom 30.06.2021, Az. 12 U 11/21) bestätigte das OLG Karlsruhe das Urteil des LG Mannheim (LG Mannheim, Urteil vom 04.12.2020, Az. 11 O 113/20), welches die Klage eines Hotel- und Gaststättenbetreibers zuvor abgewiesen hatte. Das OLG Karlsruhe kam zu dem Ergebnis, dass bei den Versicherungsbedingungen in diesem Verfahren keine Leistungspflicht des Versicherers bestünde. Die Klausel sei insoweit eindeutig gefasst und der Katalog von Krankheiten eindeutig abschließend. Insoweit bestünde, nach Auffassung des Gerichts, kein Zweifel an der Wirksamkeit der Klausel.

Rechtsprechung anderer Gerichte

Doch nicht nur das OLG Karlsruhe hatte zuletzt über die Leistungspflicht von Betriebsschließungsversicherern aufgrund der Schließungen wegen COVID-19 zu entscheiden. In den letzten Monaten kam es deutschlandweit zu Urteilen in diesem Themenfeld, deren Argumentation und Ergebnisse sich nicht immer decken. Es zeichnen sich jedoch Aspekte ab, die in vielen Fällen den Prozessausgang bedingen.

Abschließende Aufzählung von Krankheiten oder Krankheitserregern

Vor dem LG Frankfurt wurde bereits im Februar 2021 eine Klage einer Diskothekenbetreiberin aus einer Betriebsschließungsversicherung abgewiesen (Urteil des LG Frankfurt am Main vom 12.02.2021, Az. 2-08 O 186/20). Dies lag in diesem Fall allerdings nicht daran, dass Betriebsschließungen aufgrund von Covid-19 grundsätzlich keine Leistungspflicht des Betriebsschließungsversicherers begründen kann, sondern ergab sich aus den Versicherungsbedingungen. Diese sahen vor, dass bei Schließungen wegen des Auftretens von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern die Versicherung leistet. Die meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger waren in den Versicherungsbedingungen jedoch nicht nur allgemein, sondern als Liste aufgeführt. Diese war nach Auffassung des Gerichts auch als abschließend anzusehen, sodass kein Raum bestand, Covid-19 bedingte Schließungen vom Versicherungsschutz zu umfassen. Auch die Klage einer Kinobetreiberin wurde mit dieser Argumentation abgelehnt (Urteil des LG Frankfurt am Main vom 19.02.2021, Az. 2-08 O 147/20).Auch eine Berufung eines Eisdielenbetreibers gegen ein erstinstanzliches Urteil des LG Trier hatte vor dem OLG Koblenz keinen Erfolg. Die Begründung war hier gleichfalls, dass bei einer abschließenden Aufzählung von Krankheiten oder Krankheitserregern eine Einstandspflicht der Versicherung nur dann vorliegt, wenn die Schließung auch durch eine solche Krankheit oder einen solchen Krankheitserreger bedingt ist (OLG Koblenz, Urteil vom 28.07.2021, Az. 10 U 259/21). Auch die Berufung einer Restaurantbetreiberin wurde in einem vergleichbaren Fall vom OLG Dresden zurückgewiesen, da eine Auflistung von Krankheiten als abschließend zu verstehen sei (OLG Dresden, Urteil vom 29.06.2021).

Transparenzgebot

Anders sah dies das LG München (LG München I, Urteil vom 01.10.2020, Az. 12 O 5895/20). Dies stellte fest, dass die Klausel der Versicherungsbedingungen, in der die Krankheiten und Erreger aufgeführt sind, gegen das Transparenzgebot verstoße und somit unwirksam sei. Allerdings liegt in diesem Fall der Sachverhalt auch insoweit anders, als dass die Betriebsschließungsversicherung im April 2020 neu geschlossen wurde und zur Überzeugung des Gerichts feststand, dass die Parteien Corona in den Versicherungsvertrag insoweit mit einbezogen haben. Gegen dieses Urteil ist ein Berufungsverfahren beim OLG München anhängig (OLG München, Az. 25 U 6306/20). Keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot nahm hingegen das LG Oldenburg in einem ähnlichen Fall an (LG Oldenburg, Urteil vom 14.10.2020, Az. 13 O 2068/20). Auch gegen dieses Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt, eine Entscheidung des OLG Oldenburg steht noch aus (OLG Oldenburg Az. 1 U 259/20).

Verweisungen auf das Infektionsschutzgesetz

In einigen Fällen wird es für die Leistungspflicht des Versicherers darauf ankommen, ob ein dynamischer oder statischer Verweis auf das Infektionsschutzgesetz vorliegt. Dies hängt von den jeweiligen Versicherungsbedingungen und den verwendeten Formulierungen ab und muss unter Umständen durch Auslegung ermittelt werden.

Statischer Verweis

Bei einer statischen Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz werden nur solche meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserreger vom Versicherungsschutz erfasst, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder gegebenenfalls bei einer Änderung des Vertrags zu diesem Zeitpunkt im Infektionsschutzgesetz aufgeführt waren. Spätere Ergänzungen oder Hinzufügungen werden aufgrund der Statik der Verweisung nicht erfasst. Das Coronavirus wird erst in der Fassung des Infektionsschutzgesetzes vom 19.05.2020, gültig ab dem 23.05.2020 unter § 6 Abs. 1 Nr. 1 t) IfSG als meldepflichtige Krankheit „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ aufgeführt. Viele Gerichte haben bereits geurteilt, dass die Klausel mit einem statischen Verweis gegen das Transparenzgebot verstößt. Es kann also auch zu einer Leistungspflicht des Versicherers kommen, auch wenn das Coronavirus nicht durch die Verweisung auf das Infektionsschutzgesetz erfasst wird.

Dynamischer Verweis

Anders als beim statischen Verweis werden bei einem dynamischen Verweis Änderungen des Infektionsschutzgesetzes mit einbezogen. Es kommt somit auf die Fassung des Infektionsschutzgesetzes an, die zum jeweiligen Zeitpunkt des Schadenseintritts, also der Betriebsschließung, gültig war. Bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen ist von einer Einstandspflicht des Betriebsschließungsversicherers bei einem dynamischen Verweis auszugehen.

Ausblick und Fazit

Es ist davon auszugehen, dass sich der BGH mit dem Thema der Leistungspflicht aus Betriebsschließungsversicherung in naher Zukunft befassen muss. Aufgrund der Vielzahl von unterschiedlich gelagerten Sachverhalten sowie unterschiedlichen Versicherungsbedingungen ist ferner damit zu rechnen, dass ein Urteil des BGH nicht abschließend alle Fragen rund um die Betriebsschließungsversicherung in der Pandemie klären wird.

Alle versicherten Betriebsinhaber bei denen eine Betriebsschließung im Zuge der Coronavirus-Pandemie eingetreten ist, sollten sich ohne jede Ausnahme anwaltlich zumindest auch über die Höhe ihre Rechtsansprüche im konkreten Fall erstberaten lassen. 

In keinem Fall sollte im konkreten Fall eine Einigung mit der Betriebsschließungsversicherung ohne vorherige anwaltliche Erstberatung geschlossen werden.

Zu dem Thema Betriebsschließungsversicherung gibt es eine spezielle Unterseite der Kanzlei Fathieh:

https://www.kanzlei-fathieh.de/betriebsschliessungsversicherung-coronavirus.html

Zum Versicherungsrecht finden sie auf dieser Seite unserer Kanzlei weitergehende Informationen: 

https://www.kanzlei-fathieh.de/Versicherungsrecht.html

Rechtsanwalt Kian Fathieh aus Heidelberg
Foto(s): Kanzlei Fathieh

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