Blitz-Marathon NRW: Anspruch auf faire Geschwindigkeitsmessungen

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Am Dienstag, den 3. Juli 2012 um 6.00 Uhr beginnt in NRW zum zweiten mal der sogenannte Blitzmarathon. Bei dieser landesweiten Polizeiaktion wird 24 Stunden lang an 3124 zusätzlichen Kontrollstellen durch 3300 Polizisten und 500 kommunale Mitarbeiter Jagd auf vermeintliche Temposünder gemacht. Bei der Auswahl der Messstellen wurden diesmal sogar Wünsche von Bürgern berücksichtigt. Das  NRW-Verkehrsministerium gibt vor, durch die Aktion die Verkehrssicherheit zu stärken.

Längst nicht jeder Fahrer, der beim Blitz-Marathon auffällt, verdient es als Raser abgestempelt zu werden. Aber es ist auch kein Betroffener der geballten Kontrollaktion der Staatsmacht rechtlos ausgeliefert. Anspruch auf ordnungsgemäß gewonnene Messdaten Nach der der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat jeder Betroffene im Bußgeldverfahren den Anspruch, nur auf Grund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten belangt zu werden. Es handelt sich um einen Rechtsanspruch mit Verfassungsrang. Daher muss kein Bürger das ihm drohende oder gegen ihn verhängte Bußgeld einfach stillschweigend hinnehmen. Vielmehr hat jeder Bürger die Möglichkeit von seinen Verfahrensrechten Gebrauch zu machen und die Rechtmäßigkeit des gegen ihn erhobenen Vorwurfs zu überprüfen.

Dies kann sich lohnen, denn Fehler in Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsmessungen sind keine Seltenheit. Zwar sind nur fünf Prozent der Messungen nachweislich falsch oder technisch mangelhaft. Oft fehlt es aber an der korrekten Beweisführung. In rund 30 Prozent der Fälle ist der Bußgeldbescheid aus diesen Gründen nicht gerechtfertigt. Die Messungen sind dann einfach nicht ausreichend dokumentiert. Gegen einen Bußgeldbescheid kann innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung Einspruch eingelegt werden. Jeder Rechtsanwalt hat die Möglichkeit für den Betroffenen Einsicht in die Verfahrensunterlagen zu nehmen.

Ein erfahrender Anwalt erkennt Schwächen in solchen Verfahren schnell. Nur der Anwalt erhält Akteneinsicht und darf die entsprechenden Dokumente sichten und bewerten und wird die Geschwindigkeitsmessung  gegebenenfalls durch konkrete Beanstandungen angreifen.

Auf der Rechtsfolgenseite ist im Falle der Verhängung eines Fahrverbotes zudem zu beachten, dass ein solches angesichts des auch für das Bußgeldverfahren geltenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit nur angeordnet werden darf, wenn die Folgen des Fahrverbotes den Betroffenen nicht in seiner beruflichen bzw. wirtschaftlichen Existenz bedrohen. Messgeräte müssen exakt nach Gebrauchsanweisung bedient werden Insbesondere müssen bei Geschwindigkeitsmessungen im Straßenverkehr die Vorschriften des Eichgesetzes, der Eichordnung und die Zulassungsvorschriften der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB)für Geschwindigkeitsmessgeräte eingehalten werden, damit die Messdaten „ordnungsgemäß" im Sinne der Rechtsprechung des BGH gewonnen wurden. Die Messungen müssen von qualifiziertem Messpersonal durchgeführt werden. Nach § 74 Nr. 11 EichO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 4 EichG, wer vorsätzlich oder fahrlässig ein Messgerät entgegen § 6 Abs. 1 Nr. 1 EichO aufstellt, anschließt, handhabt oder wartet. Diese Ordnungswidrigkeit kann sogar mit einem Bußgeld von bis zu 10.000 Euro sanktioniert werden.

Jeder Hersteller eines für die Durchführung amtlicher Geschwindigkeitsmessungen eingesetzten Messgeräts muss diesem eine Gebrauchsanweisung beigeben. Änderungen der Gebrauchsanweisungen unterliegen der Genehmigung durch die PTB und sind allen Geräte-Betreibern mitzuteilen. Stellt sich bei der Überprüfung des Messvorgangs heraus, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht gemäß den Vorgaben der Hersteller-Bedienungsanleitung und von qualifiziertem Messpersonal durchgeführt wurde, liegt kein standardisiertes Messverfahren vor und es kann nicht mehr ohne Weiteres von der Richtigkeit der vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung ausgegangen werden. Es ist dann von einer fehlerhaften Messung auszugehen, die einem Beweisverwertungsverbot unterliegt. Ob für das konkrete Geschwindigkeitsmessgerät bei der Messung des Betroffenen die Gebrauchsanweisung des Geräteherstellers eingehalten wurde, wird der Verteidiger ggf. durch einen Sachverständigen klären lassen diesbezügliche Zweifel durch Beweisanträge ins Verfahren einführen.

Auch die konkreten Umstände der Durchführung einer Messung können Zweifel zu Tage fördern Auch beim Anvisieren eines Fahrzeugs in größerer Entfernung mittels Laserpistole ist die Zuordnung nicht immer gewährleistet. Aufgrund der Aufweitung des Laserstrahls kann bereits ab Entfernungen von 300 m unter Umständen nicht ausgeschlossen werden, dass der Messwert von einem anderen Fahrzeug verursacht wird, das sich rechts oder links, vor oder hinter dem anvisierten befindet. Bei einspurigen Fahrzeugen sind schon Messungen ab 100 m unsicher. Messungen mit dem Lasergerät Riegl FG 21 sind nicht standardisiert, wenn zugunsten des Betroffenen davon auszugehen ist, dass er während eines Überholvorgangs mit einem Seitenabstand von nur 60cm von einem anderen Motorrad überholt wurde, so dass keine eindeutige Zuordnung des Messwertes möglich ist

Mit formellen Einwänden zum Erfolg.

Neben Einwänden gegen das Messverfahren können auch formelle Einwände zum Erfolg führen. So sind rund 20 Prozent der Bußgeldbescheide fehlerhaft, weil bei deren Erlass die Frist für die Verfolgungsverjährung bereits abgelaufen war. Diese beträgt nur drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist. Wenn die Polizeibeamten dem Betroffenen eröffnen, dass gegen ihn ein Bußgeldverfahren eingeleitet worden ist, gilt dies bereits als Erste Vernehmung.

Praxistipp für Betroffene       

- Sofern Sie angehalten werden, lassen Sie sich an Ort und Stelle das Messergebnis zeigen.

- Dokumentieren Sie nach Möglichkeit die Messeinrichtung, die Messstelle und ggf. die Anhaltestelle mit Fotos.

- Beharren Sie auf Ihr Schweigerecht. Bleiben Sie stets höflich aber unverbindlich. Wenn Sie dokumentieren, tun Sie dies, ohne die Beamten bei der Ausführung der Messung zu behindern. Möchte ein Beamter Ihnen das Fotografieren untersagen, verlangen Sie dessen Namen und Dienststelle.  

- Machen Sie niemals Angaben zur Sachen. Geben Sie den Vorwurf nicht zu und beharren Sie auf Ihr Schweigerecht.  Äußern Sie sich überhaupt niemals zum Vorwurf. Auch nicht dazu, ob Sie der Fahrer waren. Machen Sie bezüglich eines Vorwurfs konsequent von Ihrem Schweigerecht Gebrauch.

- Senden Sie einen Anhörungsbogen nicht zurück und konsultieren Sie stattdessen einen in Verkehrsordnungswidrigkeiten erfahrenen Rechtsanwalt.

Fazit:      

Bugeldbescheide wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen können aus mehreren Gründen nicht korrekt sein. Mit Hilfe von spezialisierten Anwälten lassen sich Bescheide oft erfolgreich anfechten. Bestehende Rechtsschutzversicherungen übernehmen meist die Anwalts- und Verfahrenskosten. Es geht nicht um einen Freifahrtschein für Raserei, sondern um den Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren im Angesicht einer groß angelegten staatlichen Kontrollaktion. 

Weiterführende Infos zum Thema: www.cd-recht.de und www.straffrei-mobil.de


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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