Boxenstopp für den Führerschein - Befreiung vom Fahrverbot hat hohe Hürden

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Das Fahrverbot in einem Bußgeldbescheid setzt eine grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers voraus. Auf der Rechtsfolgenseite darf es für den Betroffenen keine unangemessene Härte bedeuten. Als unangemessene Härte, die gegen das Übermaßverbot verstößt, gelten nicht schon bloße Unannehmlichkeiten wie der Zwang zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Unannehmlichkeiten sind vom Gesetzgeber sogar gewollt, da ein Fahrverbot eine erzieherische Wirkung auf den Betroffenen ausüben soll. Berufliche Folgen durch ein Fahrverbot hingegen können zu einem Wegfall des Fahrverbotes führen, wenn diese den Betroffenen so schwer treffen, dass er in seiner Existenz bedroht ist und diese schlimme Folge auch nicht durch Einsatz organisatorischer Mittel abwenden könnte. Die Existenzgefährdung muss also eine konkrete und unabwendbare Folge des Fahrverbotes sein. Das Fahrverbot soll den Verkehrssünder also schon eine Weile ausbremsen, es darf ihn aber nicht völlig aus der Bahn werfen. In der Rechtsprechung der Obergerichte ist seit einiger Zeit leider eine Tendenz zu erkennen, die Voraussetzungen für ein Absehen vom Fahrverbot sehr streng zu sehen. Bei Arbeitnehmern wird in der Regel der Nachweis einer konkret drohenden Kündigung des Arbeitsplatzes im Falle eines Fahrverbots verlangt, die auch nicht durch Absitzen des Fahrverbotes im Urlaub verhindert werden kann.

Es reicht zumeist nicht aus, wenn der Arbeitnehmer den konkret drohenden Verlust seines Arbeitsplatzes nur behauptet. Insbesondere bei dem in vielen Fällen im Bußgeldbescheid gewährten viermonatigen Vollstreckungsaufschub wird sich ein Betroffener zudem auf die Frage einstellen müssen, ob er in diesem Zeitraum nicht die Möglichkeit hat, Urlaub zu nehmen um dann sein Fahrverbot zu verbüßen. Er sollte in der Lage sein, die im Falle eines Fahrverbotes drohende Kündigung durch die Vorlage einer „Arbeitgeberbescheinigung" unter Beweis zu stellen. Einige Gerichte verlangen zusätzlich die Vernehmung des Arbeitgebers als Zeuge. Letzteres kann manchmal vermieden werden, wenn bereits die „Arbeitgeberbescheinigung" die Umstände, die zu einer Entlassung des Betroffenen führen ausführlich genug darlegt. Für das Amtsgericht Lüdinghausen ist die alleinige Verlesung der Bescheinigung des Arbeitgebers jedenfalls immer dann ausreichend, wenn sich der Arbeitnehmer noch in der Probezeit befindet (AG Lüdinghausen, Beschl. v. 12.11.2007, 19 OWi-89 Js 1767/07-183/07). Das Oberlandesgericht Köln hat sogar klargestellt, dass es nicht die Sache des betroffenen Arbeitnehmers sei, über die Arbeitgeberbescheinigung hinaus, weitere Tatsachen für eine drohende Kündigung zu beweisen. Bei Zweifeln des Tatrichters am Wahrheitsgehalt eines solchen Schreibens des Arbeitgebers habe das Gericht diesen vor der Entscheidung über die Anordnung des Fahrverbotes zu befragen (OLG Köln, Beschl. v. 16.11.2007, 83 Ss OWi 82/07).

Für manch einen Betroffenen ist die Einholung eines eindeutig auf eine Kündigung abzielenden Schreibens des Arbeitgebers natürlich eine heikle Angelegenheit. Nicht immer möchte man den Chef vorzeitig davon in Kenntnis setzen, dass ein Fahrverbot droht. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, wenn nach Absprache der Rechtsanwalt des Betroffenen Kontakt mit dem Arbeitgeber aufnimmt und ihn über die Rechtslage und die Notwendigkeit einer solchen Arbeitgeberbescheinigung aufklärt. Oft ist es z.B. hilfreich, wenn der Chef weiß, dass es nicht auf die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der für den Fall des Fahrverbotes anzudrohenden Entlassung ankommt.

Ähnliche Grundsätze gelten übrigens auch für den Fall einer festen Arbeitsplatzzusage, die durch ein Fahrverbot gefährdet wäre. Bei allen Überlegungen eine Arbeitgeberbescheinigung einzuholen sollte man noch die Tatsache miteinbeziehen, dass die Chance auf ein Absehen vom Fahrverbot trotz Bescheinigung nur sehr gering ist, wenn man schon erhebliche, einschlägige Vorbelastungen hat oder der aktuelle Verkehrsverstoß extrem schwerwiegend war. Wiederholungstäter oder besonders rücksichtslose Fahrer müssen, so sagt es die Rechtssprechung, auch erhebliche berufliche Folgen durch die Verhängung eines Fahrverbotes in Kauf nehmen.

Doch auch wenn ein Autofahrer schon mit zahlreichen erheblichen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung vorbelastet ist, kann unter Umständen noch gegen eine spürbare Erhöhung der Regelgeldbuße noch auf die Verhängung eines Fahrverbotes verzichtet werden, sofern diese mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Verlust des Arbeitsplatzes führen würde. Das Übermaßverbot ist stets zu beachten. Voraussetzung ist allerdings, dass seit dem letzten Verstoß eine längere Zeit unbeanstandeter Verkehrsteilnahme liegt und der Betroffene außerdem ernsthaft an seiner Einstellung zur Einhaltung der Verkehrsregeln gearbeitet hat.

In einem konkreten Beispiel hatte ein im Außendienst tätiger Mann, der jährlich für seinen Betrieb ca. 50.000 km zurücklegen musste, schon sieben Voreinträge mit erheblichen Geschwindigkeits- und Abstandsverstößen auf seinem Konto. Wegen einer neuerlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 40 km/h innerorts drohte ihm nun erneut ein einmonatiges Fahrverbot. Die letzte eingetragene Verkehrssünde lag zum Zeitpunkt der Gerichtsverhandlung schon über ein Jahr zurück und war zudem nicht ganz so heftig. Er hatte inzwischen auch freiwillig an einem Aufbauseminar und einer verkehrspsychologischen Beratung teilgenommen. Außerdem konnte er über eine Bescheinigung seines Arbeitgebers belegen, dass für diesen Fall eine Kündigung seines Arbeitsplatzes nicht ausgeschlossen war. Ferner konnte er glaubhaft machen, dass ihm ein Urlaub von mehr als zwei Wochen am Stück nicht möglich war und er im Betrieb für die Dauer des Fahrverbotes auch nicht durch einen Kollegen ersetzt werden konnte. In der Gesamtsicht dieser Umstände war das Gericht bereit, gegen eine drastische Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung des eigentlich vorgesehenen Fahrverbotes ausnahmsweise abzusehen.

Grundsätzlich sind die Hürden für ein Absehen vom Fahrverbot besonders hoch, wenn jemand bereits einschlägig vorbelastet ist. Die Einträge im Verkehrszentralregister müssen aber unter Beachtung der Tilgungsfristen noch verwertbar sein. Noch nicht gelöschte, aber im Zeitpunkt der Entscheidung schon tilgungsreife Einträge darf das Gericht nicht mehr berücksichtigen. Sie unterliegen einem Verwertungsverbot.

Fazit: Die Argumente für ein Absehen vom Fahrverbot müssen gegenüber dem Gericht qualifiziert vorgetragen werden. Das Gericht muss stets das Übermaßverbot beachten und kann in Ausnahmefällen von der Verhängung eines Regel-Fahrverbots absehen. Die Klippen eines Fahrverbotes sind nicht ganz leicht zu umschiffen. Betroffene, die der Zwangspause für den Führerschein entgehen wollen, sind gut beraten, sich dabei der Hilfe eines kundigen Anwalts zu bedienen.

Hinweis des Verfassers : Der Beitrag nimmt teilweise Bezug auf eine Entscheidung des Amtsgericht (AG) Essen (Urt. v. 25.11.2005, 49 OWi 82 Js 1374/05-626/05) in DAR 2006, 344,345

Die Haftung für die Aktualität, Vollständigkeit und Richtigkeit des oben stehenden Beitrags ist ausgeschlossen. Beim Inhalt des oben stehenden Beitrags handelt es sich um ein allgemeines Informationsangebot und nicht um Rechtsberatung. Rechtsberatung setzt genaue Kenntnisse des Einzelfalls voraus. Der Verfasser ist nahezu ausschließlich im Verkehrsstraf- und Bußgeldrecht sowie Fahrerlaubnisrecht tätig.

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