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Cum-Ex-Tagebuchstreit zugunsten der Pressefreiheit vom BGH entschieden

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Cum-Ex-Tagebuchstreit zugunsten der Pressefreiheit vom BGH entschieden
anwalt.de-Redaktion

Die privaten Tagebuchaufzeichnungen eines im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Skandal bekannt gewordenen Hamburger Bankiers können laut Bundesgerichtshof (BGH) sogar wörtlich wiedergegeben werden, weil das Informationsinteresse der Öffentlichkeit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Tagebuchschreibers überwiegt. Denn durch die wortlautgetreue Wiedergabe der Passagen leistet die Presse einen wichtigen Beitrag zur Meinungsbildung in der Öffentlichkeit, zum „geistigen Meinungskampf", wie der BGH ausführt. Schließlich beschäftige sich auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss mit dem Thema und der mutmaßlichen politischen Einflussnahme auf die Hamburger Finanzbehörden zugunsten der steuerpflichtigen Bank, deren Chef der Tagebuchschreiber einst war.

Wie hat der BGH seine Entscheidung begründet?

Der Bankier hat gemäß der Entscheidung des BGH keinen Anspruch auf Unterlassung der Zitate aus seinen Tagebüchern. Er scheiterte mit seinem Vorbringen, die Veröffentlichung sei rechtswidrig.

Unterlassungsanspruch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes

Ein Unterlassungsanspruch ergibt sich nicht aus der Verletzung eines Gesetzes zum Schutze des Bankiers (§§ 1004 Abs. 1 S. 2 analog, 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), i. V. m. § 353d Nr. 3 Strafgesetzbuch (StGB). Denn zum einen verneint der BGH den Charakter des vom Bankier ins Feld geführten § 353d Nr. 3 StGB als Schutzgesetz im Sinne des zu beurteilenden Unterlassungsanspruchs. Zum anderen sind die Tagebuchaufzeichnungen keine amtlichen Dokumente im Sinne des § 353d Nr. 3 StGB, sodass die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.

Unterlassungsanspruch wegen Verletzung von Grundrechten

Der BGH stellt fest, dass die wortlautgetreue Wiedergabe einzelner Einträge in seinen Tagebüchern das Persönlichkeitsrecht des Bankiers zwar tangieren, dies aber nur in „verhältnismäßig geringem Maß“. Ein besonders hohes Maß misst der BGH dagegen den Grundrechten der Meinungs- und Medienfreiheit zu, denn die Tageszeitung habe mit ihrem Artikel einen „Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit in höchstem Maße berührenden Frage geleistet“, die sogar einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss beschäftige. Dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit, dem sich insbesondere die Tageszeitung durch ihren Artikel verschrieb, und der Meinungs- und Medienfreiheit der Journalisten räumt der BGH in seiner Entscheidung also einen überragenden Stellenwert ein und stellt sie über das Interesse des tagebuchschreibenden Bankiers am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Dass das Persönlichkeitsrecht in diesem speziellen Fall beeinträchtigt wird, ist laut BGH daher nicht rechtswidrig und muss von ihm hingenommen werden.

Steht die Pressefreiheit über allen anderen Grundrechten?

Der BGH hat erneut die überragende Bedeutung der Meinungs- und Pressefreiheit beziehungsweise Medienfreiheit herausgestellt. Doch nicht jeder Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht muss hingenommen werden, erst recht dann nicht, wenn der Eingriff den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung betrifft.

Wichtig: Dies kann auch bei der Verwertung sensitiver Daten aus Tagebüchern oder der Zurschaustellung von Fotos der Fall sein. Wenn Sie sich durch die Veröffentlichung privater Daten, Tagebucheinträgen, intimen Fotos von Ihnen auf fremden Instagram-Seiten etc., bloßgestellt fühlen, kann es also durchaus sein, dass Sie den Eingriff in Ihr Grundrecht nicht hinnehmen müssen und Ansprüche auf Unterlassung, Löschung, Schadensersatz oder Sonstiges haben: Mithilfe unserer anwalt.de-Suche finden Sie den passenden Rechtsanwalt zum Thema Schadensersatz!

Worum geht es im Cum-Ex-Tagebuchstreit?

Nicht nur die Auslegung eines eher weniger geläufigen Straftatbestandes („Verbotene Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen") stand auf dem Prüfstand, sondern es ging um nicht weniger als die Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechte, als der BGH am 16.05.2023 in Sachen Tagebuchstreit entschied. Die streitgegenständlichen Tagebücher stammen von einem Hamburger Bankier, der in den sogenannten Cum-Ex-Skandal rund um eine Privatbank verwickelt ist. Sie wurden im Rahmen von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den Bankier wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung beschlagnahmt.

Warum kam es zum Rechtsstreit?

Journalisten einer großen deutschen Qualitätstageszeitung konnten die Tagebücher nach der Beschlagnahme einsehen und zitierten einzelne Tagebuchpassagen in einem Online-Artikel wörtlich. In dem Artikel ging es um die Cum-Ex-Geschäfte einer Hamburger Privatbank, Steuerhinterziehung sowie die mutmaßliche Einflussnahme der Hamburger Politik auf die Entscheidungen der Finanzbehörden im Zusammenhang mit Steuerrückforderungen. Zunächst mahnte der Bankier die Tageszeitung ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf, was diese ablehnte.

Vor dem Landgericht Hamburg klagte der Bankier gegen die Tageszeitung, und das Gericht verurteilte diese auf Unterlassung, aus den Tagebüchern des Klägers, also des Bankiers, zu zitieren beziehungsweise zitieren zu lassen. Die Tageszeitung ist in Berufung gegangen, jedoch vor dem OLG Hamburg größtenteils erfolglos geblieben. Daraufhin legte sie Revision beim BGH ein.

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(ANZ)

Foto(s): ©Adobe Stock/Pefkos

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