Eigenbedarfskündigung zur rein gewerblichen Nutzung

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Bereits mit Urteil vom 26.09.2012 – VIII ZR 330/11 hatte der BGH entschieden, dass die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Eigenbedarf zur rein beruflichen Nutzung zulässig sein kann, weil das hierdurch begründete Interesse des Vermieters den in § 573 Abs. 2 BGB genannten Gründen gleichwertig sei.

Dieses Urteil hatten das Amtsgericht Charlottenburg (Urteil v. 19.01.2015 – 211 C 381/13) und danach das Landgericht Berlin (Urteil v. 13.01.2016 – 18 S 74/15) zum Anlass genommen, zu postulieren, dass ein Nutzungsbedarf für (frei-)berufliche oder gewerbliche Zwecke den in § 573 Abs. 2 BGB angeführten Kündigungsgründen (schuldhafte Pflichtverletzung, Eigenbedarf für sich, Familien- oder Haushaltsangehörige, wirtschaftliche Verwertung) generell gleichzusetzen sei. (Auch wenn die Räumungsklage letzten Endes wegen dem Berliner Zweckentfremdungsgesetz abgewiesen wurde.)

Dies ist jedoch unzutreffend, wie der BGH jetzt mit Urteil vom 29.03.2017 – VIII ZR 45/16 klarstellte. Ob ein (frei-)beruflicher oder gewerblicher Bedarf des Vermieters die Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses wegen Eigenbedarf rechtfertigt, lässt sich nicht allgemein beantworten (BGH a. a. O. Rz. 18).

Die Aufzählung in § 573 Abs. 2 BGB sei jedenfalls nicht abschließend, sondern beispielhaft wie das Wort „insbesondere“ zeige. Daher umfasse und gewähre der § 573 Abs. 2 BGB grundsätzlich auch eine Eigenbedarfskündigung die im (frei-)beruflichen oder gewerblichen Bedarf des Vermieters motiviert ist. Allerdings sei immer eine Einzelfallbetrachtung und Abwägung nötig.

Hierzu stellt der BGH auf die beiden gesetzlichen Tatbestände des § 573 Abs. 2 Ziff. 2 BGB – Eigenbedarf zu Wohnzwecken und § 573 Abs. 2 Ziff. 3 BGB – Verwertungskündigung ab.

  1. Die Eigenbedarfskündigung des Vermieters zu Wohnzwecken sei personalbezogen. Es reichen daher nachvollziehbare und vernünftige Gründe aus. Es reicht somit ein ernsthafter Nutzungsentschluss.
  2. Die Kündigung wegen wirtschaftlicher Verwertung weise demgegenüber nur einen geringen personalen Bezug auf. Zusätzlich zu den nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen ist es daher notwendig, dass dem Vermieter bei Fortsetzung des Mietverhältnisses erhebliche Nachteile entstünden.

Die Eigenbedarfskündigung wegen (frei-)beruflichen oder gewerblichen Bedarf des Vermieters habe einerseits weniger personalen Bezug als die Kündigung zu Wohnzwecken, andererseits liege keine reine Verwertung vor, da es nicht um die Ertragskraft der Mieträume oder Grundstücks an sich ginge (Verkauf, Abriss, Neubau oder Ähnliches), sondern um die Ermöglichung einer unter Einsatz dieses „Sachmittels“ ausgeübten (frei-)beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit.

Die Eigenbedarfskündigung wegen (frei-)beruflichen oder gewerblichen Bedarf des Vermieters liege daher zwischen den beiden gesetzlichen Tatbeständen. Je nachdem ob eine gemischte Nutzung beabsichtigt sei oder eine rein (frei-)berufliche oder gewerbliche Nutzung, reiche es aus, wenn dem Vermieter ein beachtenswerter Nachteil entstünde (beabsichtigte gemischte Nutzung). 

Bei nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen dürfte das häufig der Fall sein. Umso untergeordneter die Nutzung zu Wohnzwecken ist, umso höhere Anforderungen sind an die zu erwartenden Nachteile des Vermieters zu stellen. Bei einer rein (frei-)beruflichen oder gewerblichen Nutzung müsse der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen, wobei allerdings nicht zwingend der Grad von erheblichen Nachteilen im Sinne des § 573 Abs. 2 Ziff. 3 BGB erreicht werden müsse.

Im Übrigen änderte der BGH seine Rechtsprechung und stellte fest, dass eine Abwägung allein im Rahmen der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG zu erfolgen habe und die Berufsfreiheit aus Art 12 I GG, die allgemeine Handlungsfreiheit gem. Art. 2 I GG sowie der Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 I GG regelmäßig außer Betracht zu bleiben habe.

Zusammengefasst bedeutet das bei einer beabsichtigten gemischten oder rein beruflichen Nutzung: Umso geringer der beabsichtigte Wohnanteil, umso größer müssen die zu erwartenden Nachteile aufseiten des Vermieters bei einem Fortbestand des Wohnraummietvertrages sein.



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