EuGH zum Widerruf von Verbraucherdarlehensverträgen: Widerrufsjoker für Immobilien und Pkw-Darlehen

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Nachdem der Bundesgerichtshof in seinen letzten Urteilen zum Widerrufsrecht von Verbraucherdarlehensverträgen (Az.: XI ZR 650/18 und XI ZR 11/19, Urteile vom 05.11.2019) äußerst verbraucherunfreundlich urteilte, dass Darlehensgeber nicht über das gesetzliche außerordentliche Kündigungsrecht informieren müssen, da dies nach EU-Recht nicht zu den notwendigen Angaben zähle, zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung die Angabe der wesentlichen Parameter ausreichend sei und eine Klausel, wonach bei einem Widerruf erst nach vollständiger Rückzahlung des Darlehens ein Zins von „0,00 Euro“ pro Tag fällig war, nicht unklar sei, erschien die Ausübung des sogenannten Widerrufsjokers bei Kfz-Finanzierungsverträgen und Immobilienkrediten als nunmehr aussichtslos. In der Folge konnten Verbraucher ihre im Gegensatz zu den heutigen Konditionen stark überteuerten Immobiliendarlehen nicht mehr widerrufen. Auch Betroffenen des sogenannten Diesel-Abgasskandals war die letzte rechtliche Möglichkeit zur Rückzahlung des Kaufpreises nach Verjährung ihrer schadensersatzrechtlichen Ansprüche bei finanzierten Fahrzeugen verwehrt.

Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Doch ein aktuelles Urteil des EuGH gibt Anlass zur Hoffnung auf eine Rückkehr des sogenannten Widerrufsjokers: In der Rechtssache C-66/19 hat der EuGH entschieden, dass die meisten privaten Kreditverträge, die nach Juni 2010 abgeschlossen worden sind, unzureichende Informationen zum Widerrufsrecht haben. Die Konsequenz ist, dass die Widerrufsfrist dieser Kredite nicht zu laufen begonnen hat. Millionen Verbraucher können mit diesem Widerrufsjoker ihren Vertrag auch Jahre nach Abschluss noch widerrufen – und erhalten den Widerrufsjoker.

Unübersichtliche und unklare Klausel: der Kaskadenverweis

Die Ausübung des Widerrufsjokers macht der in einer Vielzahl von Darlehensverträgen verwendeten Kaskadenverweis möglich. Hintergrund ist, dass die darlehensgebende Bank dem Verbraucher spezielle Informationen geben muss, damit für den Kunden erkennbar ist, wann die reguläre Widerrufsfrist von 14 Tagen zu laufen beginnt. In den häufig verwendeten standardisierten Widerrufsbelehrungen sind diese Informationen – die sogenannten Pflichtangaben – jedoch nicht übersichtlich aufgezählt. Vielmehr findet sich regelmäßig ein Verweis auf die Vorschrift des § 492 Abs. 2 BGB, die wiederum auf weitere Vorschriften verweist (Kaskadenverweis). In der Folge muss sich der Verbraucher durch eine Flut von verschiedenen Paragrafen kämpfen und sich mühsam selbst alle nötigen Pflichtangaben zusammentragen, die notwendig sind. Der EuGH urteilte zu dieser Vorgehensweise, dass jene für den Verbraucher unzumutbar und mit dem europäischen Recht nicht zu vereinbaren sei, weil der Verbraucher nicht in klarer und prägnanter Form in die Lage versetzt werde, den Beginn der Widerrufsfrist selbst zu berechnen. Bei Verwendung des beschriebenen Kaskadenverweises liegt eine unzureichende Information vor, sodass die 14-tägige Widerrufsfrist nie zu laufen begonnen hat. Der Verbraucher kann sein Darlehen also auch Jahre nach Abschluss des Vertrages noch widerrufen.

Bau- und Kfz-Finanzierung

Die Ausübung des Widerrufsjokers ist insbesondere für Bau- und Autofinanzierungen interessant. Immobilienbesitzer, die eine Finanzierung zwischen Juni 2010 und März 2018 abgeschlossen haben, können den Widerruf nutzen, um aus einem überteuerten Kredit auszusteigen. Eine Vorfälligkeitsentschädigung wird dabei nicht fällig. Im Falle einer Autofinanzierung führt ein Widerruf dazu, dass das finanzierte Kfz zurückgegeben werden muss, jedoch sämtliche Kreditraten zurückerhalten werden. Dies ist für Immobilienkäufer sowie z. B. für Betroffene des Abgasskandals lukrativ, da diesen Fahrzeugen ein enormer Wertverlust anhaftet. 

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