Finanzielle Abgeltung von Überstunden: So sichern Sie Ihre Ansprüche

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Die finanzielle Abgeltung von Überstunden ist ein komplexes Thema, das immer wieder zu Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern führt. Hier erfahren Sie, welche Ansprüche bestehen, wie Sie diese durchsetzen können und welche aktuellen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) dazu relevant sind.


Rechtlicher Rahmen und Anspruchsgrundlage

Ohne ausdrückliche Regelung im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag ist § 612 Abs. 1 BGB die wichtigste Anspruchsgrundlage:

§ 612 Abs. 1 BGB

„Eine Vergütung gilt als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist.“


Grundsätze zur Vergütung von Überstunden

Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit vergütet werden muss.

Objektiver Maßstab: Die Vergütungserwartung ist objektiv anhand der Verkehrssitte, der Art und Dauer der Dienstleistung und der Stellung der Beteiligten zueinander zu beurteilen.

Tarifverträge: In tariflich geregelten Wirtschaftsbereichen kann sich die Vergütungserwartung aus tarifvertraglichen Regelungen ergeben.


Überstunden von Führungskräften und Diensten höherer Art

Keine Vergütungserwartung besteht, bei Dienstleistungen höherer Art: Hierzu gehören Dienste, bei denen das Entgelt die Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung übersteigt (BAG 22.02.2012 – 5 AZR 765/10).


Darlegungs- und Beweislast bei Überstundenvergütung (BAG 04.05.2022 – 5 AZR 359/21)

Das BAG stellte 2022 die Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast zur Vergütung von Überstunden klar:

Arbeitnehmer:

Darlegung, dass er Überstunden geleistet oder sich bereitgehalten hat.

Nachweis, dass der Arbeitgeber die Überstunden angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat.

Arbeitgeber:

Substanzielle Erwiderung im Rahmen einer gestuften Darlegungslast.


Elektronische Zeiterfassung (BAG 26.06.2019 – 5 AZR 452/18)

Wird die Arbeitszeit elektronisch erfasst und vom Arbeitgeber oder Vorgesetzten bestätigt:

Darlegung des Arbeitnehmers:

Vorbringen der abgezeichneten Arbeitsstunden und des Saldos.

Erwiderung des Arbeitgebers:

Substanzielle Erwiderung, welche Arbeitsstunden nicht geleistet oder durch Freizeitausgleich kompensiert wurden.


Finanzielle Abgeltung und Geltendmachung von Ansprüchen

Vereinbarte Vergütung

Wenn im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag eine Vergütungsregelung für Überstunden besteht, ist diese bindend. Fehlt eine ausdrückliche Vereinbarung, ist die Vergütung anhand von § 612 Abs. 1 BGB zu bestimmen.


Anspruchsgrundlagen für Teilzeitbeschäftigte (BAG 19.12.2018 – 10 AZR 231/18)

Teilzeitbeschäftigte haben Anspruch auf Überstundenzuschläge, wenn sie ihre individuelle Arbeitszeit überschreiten. Der EuGH hat im Oktober 2023 klargestellt, dass eine Begrenzung der Überstundenzuschläge auf Vollzeitarbeitnehmer gegen das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG verstößt (EuGH 19.10.2023 – C-660/20).


Nachweis und Dokumentation

Für die erfolgreiche Geltendmachung von Ansprüchen ist eine genaue Dokumentation der geleisteten Überstunden wichtig. Dazu gehören:

Arbeitszeitnachweise

Abzeichnungen durch Vorgesetzte oder elektronische Zeiterfassung


Überstundenklauseln im Arbeitsvertrag

Nach BAG-Rechtsprechung (BAG 01.09.2010 – 5 AZR 517/09) müssen Überstundenklauseln klar und verständlich sein. Eine pauschale Regelung zur Vergütung von Überstunden ist unwirksam, wenn:

Die Arbeitsleistungen nicht eindeutig erfasst sind.

Die Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers nicht begrenzt ist.


Zusammenfassung: Die wichtigsten Tipps

Überstunden dokumentieren: Führen Sie ein präzises Arbeitszeitprotokoll.

Klare Regelungen: Sorgen Sie für klare Regelungen im Arbeits- oder Tarifvertrag.

Betriebsrat einbeziehen: Nutzen Sie das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.

Rechtliche Beratung: Ziehen Sie bei Unsicherheiten einen Anwalt für Arbeitsrecht hinzu.


Fazit

Die finanzielle Abgeltung von Überstunden erfordert klare Absprachen und eine ordnungsgemäße Dokumentation. Nutzen Sie die aktuelle BAG-Rechtsprechung, um Ihre Ansprüche erfolgreich durchzusetzen oder Streitigkeiten präventiv zu vermeiden.

Foto(s): DALL-E

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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