Gütliche Einigung nach einer Verfassungsbeschwerde

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Die statistischen Chancen einer Verfassungsbeschwerde sind gering, da sollte man sich keine Illusionen machen. Auch eine gut begründete, professionell geschriebene Verfassungsbeschwerde ist überwiegend erfolglos. Dass das Bundesverfassungsgericht das angefochtene Urteil aufhebt, kommt insgesamt recht selten vor.

Verhandlungen eröffnen zusätzliche Chance

Die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde bietet aber gerade im Verwaltungsrecht eine zusätzliche Chance: Man kann die Schwebelage, die durch die Verfassungsbeschwerde entsteht, nutzen, um eine gütliche Einigung anzustreben. Dies gilt für Verwaltungsrecht im weitesten Sinn, also überall dort, wo staatliche Behörden involviert sind, sei es nun im "eigentlichen" Verwaltungsrecht, im Sozialrecht, im Steuerrecht, in Sorgerechts- und Umgangsrechtsfällen aus dem familiengerichtlichen Bereich oder auch im Strafvollstreckungrecht.

In all diesen Fällen ist es stets sinnvoll, weiter den Kontakt zu den involvierten Behörden zu halten und an einem Vergleich oder an einer anderen einvernehmlichen Lösung arbeiten. Oft wird sich die Behörde ihrer Sache natürlich recht sicher sein, zumal sie die Auseinandersetzung vor den Fachgerichten ja gewonnen hat. Aber es gibt durchaus einige Fälle, in denen die Beteiligten auch selbst Zweifel an den Urteilen haben.

Einen solchen Fall habe ich gerade für meine Mandantschaft vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich abgeschlossen (alle persönlichen Angaben wurden herausgelassen bzw. sinnwahrend abgeändert, um eine Identifizierung der beteiligten Personen unmöglich zu machen):

Es ging um viel Geld

Die Mandantschaft hatte vom Staat jährliche Zahlungen in der Gegend von 300.000 Euro als Beihilfe verlangt. Die zuständigen Behörden lehnten dies als zu viel und daher unwirtschaftlich ab. Ein Anspruch bestehe nur auf Sachleistungen (also keine Geldzahlungen) im Wert von knapp 100.000 Euro pro Jahr. Da diese Leistungen aber mit erheblichen Einschränkungen für die Mandantschaft verbunden gewesen wäre, lehnte sie dies ab.

Im Eilverfahren vor dem zuständigen Verwaltungsgericht wurde die Klage weitestgehend abgewiesen. Auch die Beschwerdeinstanz bestätigte diese Entscheidung.

Der reguläre Rechtsweg (also außerhalb des Eilverfahrens) wurde noch nicht entschieden. Bis zu diesem Hauptsacheverfahren würde es aber noch Monate dauern, bis zu einem Abschluss des Verfahrens und zum Fließen von Zahlungen vielleicht sogar Jahre.

Umfangreiche Verfassungsbeschwerde durch RA Hummel

Daraufhin legte meine Kanzlei Verfassungsbeschwerde gegen die Eilentscheidungen ein. In der von meinen Mitarbeitern und mir ausgearbeiteten, 32-seitigen Begründung rügen wir die Verletzung mehrerer Grundrechte, darunter des Gleichbehandlungsgrundsatzes und verschiedener Verfassungsprinzipien.

Die Verfassungsbeschwerde ging Ende 2020 zusammen mit den umfangreichen Verfahrensakten beim Bundesverfassungsgericht ein und lag seither bei der zuständigen Kammer.

Einigung: 230.000 Euro pro Jahr

Zwischenzeitlich bemühten sich aber die Mandanten zusammen mit ihrem Anwalt aus dem Instanzverfahren um eine Einigung mit der Behörde. Nach einigem Hin und Her konnte dann tatsächlich eine Lösung gefunden werden. Demnach erhalten sie immerhin ca. 230.000 Euro pro Jahr, müssen dafür aber die Hauptsacheklage und die Verfassungsbeschwerde zurücknehmen.

Insgesamt konnte so eine schnelle und sinnvolle Einigung erreicht werden. Wie des öfteren kam es zu einer Lösung nicht auf dem offiziellen, formellen Weg, sondern durch Verhandlungen parallel zu einer Verfassungsbeschwerde. Man kann zumindest mutmaßen, dass die Behörde der Verfassungsbeschwerde gewisse Chancen gab und ein Präzedenzurteil des höchsten deutschen Gerichts vermeiden wollte.

Damit sie einen gewissen Einigungsdruck aufbauen kann, muss die Verfassungsbeschwerde aber zumindest erfolgversprechend sein, darf also nicht auf die leichte Schulter genommen werden.







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