Das Bundesverfassungsgericht als Hüter der Grundrechte?

  • 3 Minuten Lesezeit

Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.

Es gibt wohl kaum ein Verfassungsorgan in der Bundesrepublik, das einen derart guten Ruf genießt wie das Bundesverfassungsgericht. Wenn von einem „Karlsruher Urteil“ die Rede ist, erstarrt häufig die halbe Öffentlichkeit – juristisch gebildet oder nicht – in Ehrfurcht und die Politik sieht sich entweder bestätigt oder von höchster Stelle getadelt.

Für viele Bürger ist der „Gang nach Karlsruhe“ die letzte Hoffnung auf irdische Gerechtigkeit in rechtlichen Streitfällen. Mögen Behörde und niedere Gerichte kein Verständnis zeigen, wird es das Bundesverfassungsgericht schon richten.

Aber lässt sich diese hohe Meinung objektiv wirklich begründen?

Freilich, von Zeit zu Zeit spricht das BVerfG Urteile, die Aufsehen erregen. Nicht selten handelt es sich dabei um Verfassungsbeschwerden, bei denen der Bürger Recht bekommt, weil der Staat eines seiner Grundrechte verletzt hat.

Nur Verfassungsrecht, kein Fachrecht

Allerdings muss man dabei auch beachten, dass sich das Bundesverfassungsgericht – durchaus im Sinne der Intention des Grundgesetzes – nicht als allzuständiges Höchstgericht wahrnimmt. Es ist keine Superrevisionsinstanz, die – wie bspw. der US-amerikanische Supreme Court – Fachrecht und Verfassungsrecht prüft. Es handelt sich um ein reines Verfassungsgericht, das ausschließlich die Auslegung von Grundrechten und anderen Verfassungsnormen zur Aufgabe hat.

Insofern ist es auch nicht verwunderlich, dass die Erfolgsquoten bei Verfassungsbeschwerden miserabel sind. Rundum 3 % der eingereichten Beschwerden führen zu irgendeinem, teilweise auch nur vorläufigen, Erfolg. Besonders unbefriedigend ist, dass das Bundesverfassungsgericht mittlerweile einen großen Teil der Verfassungsbeschwerden gar nicht zur Entscheidung annimmt und ohne weitere Begründung zurückweist.

Weiter Schutzbereich der Grundrechte

Inhaltlich kann man bei vielen Urteilen zwar feststellen, dass der Schutzbereich von Grundrechten relativ weit gesehen wird. Das Gericht bejaht also zunächst, dass ein bestimmtes Grundrecht einschlägig ist und die angefochtene staatliche Maßnahme (ob nun ein Verwaltungsakt oder erst das Urteil) einen Eingriff in das Grundrecht darstellt. Zu dieser weiten Linie gehört auch die Tatsache, dass das BVerfG bisweilen eigene Grundrechte „erfindet“.

Ein Eingriff ist aber noch keine Verletzung des Grundrechts. Eine rechtswidrige Grundrechtsverletzung liegt nur vor, wenn der Staat sein Handeln nicht durch andere Gesichtspunkte rechtfertigen kann. Und was diese Rechtfertigung angeht, ist das Bundesverfassungsgericht zunehmend großzügig. Fast jede staatliche Zielsetzung, meist gesamtgesellschaftlich begründet, kann dazu führen, dass der Eingriff in die Rechte des Einzelnen als rechtskonform angesehen wird.

Großzügige Eingriffsbefugnisse

Dabei ist auch zu beobachten, dass dem Staat immer mehr Ermessen eingeräumt wird. Der Staat wird immer häufiger als Lenker und Gestalter wirtschaftlicher Verhältnisse und gesellschaftlicher Realitäten wahrgenommen, der dafür Grundrechte einschränken darf. Anders gesagt: Die Masse ist oft wichtiger als der einzelne – die Rolle der Grundrechte als persönliche Abwehrrechte gerät so ins Hintertreffen.

Insgesamt muss man dem Bundesverfassungsgericht schon zugestehen, dass es gegen Grundrechtsverletzungen, die den Rahmen des Nachvollziehbaren überschreiten, konsequent vorgeht. Gleichzeitig wird dieser Rahmen aber immer weiter, weil das Gericht immer mehr an staatlichem Handeln nachvollziehen kann und will.

Professionelle Bearbeitung der Verfassungsbeschwerde

Für diejenigen, die ihre Hoffnung auf ein Karlsruher Urteil bauen, bedeutet dies, dass sie besonders gut vorbereitet in das Verfahren gehen müssen. Man kann längst nicht mehr darauf vertrauen, dass das Bundesverfassungsgericht das Grundgesetz schon richtig anwenden wird, wenn man ihm nur den Sachverhalt vollständig mitteilt.

Es bedarf einer dezidierten Auseinandersetzung mit allen staatlichen Entscheidungen, die angefochten werden sollen. Eventuellen Rechtfertigungen muss man gleich vorbauen. Und man muss sich mit der – umfangreichen und oft Jahrzehnte alten – Rechtsprechung auseinandersetzen. Dies kann leider meistens nur ein auf Verfassungsbeschwerden spezialisierter Anwalt leisten.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Thomas Hummel

Beiträge zum Thema