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Hartz IV: Ist eine Erbschaft verwertbares Einkommen?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Arbeitslosengeld II (ALG II) bzw. Hartz IV erhält, wer unter anderem hilfsbedürftig nach § 9 I Zweites Sozialgesetzbuch (SGB II) ist, also seinen Lebensunterhalt nicht mit eigenen Mitteln bestreiten kann. Erbt der Hilfebedürftige jedoch Geld, Immobilien oder Wertgegenstände, stellt sich die Frage, ob er die zunächst verwerten muss, bevor er weiter ALG II erhält.

Kein Hartz IV wegen Erbschaft?

Ein Erblasser hinterließ seiner Tochter Bargeld, ein Fahrzeug und eine Immobilie. Die renovierte das Haus ein bisschen und zog danach zusammen mit ihrem Mann dort ein. Beide waren ALG-II-Empfänger – als sie jedoch einen Weiterbewilligungsantrag stellten, erlebten sie eine Überraschung: Das zuständige Jobcenter lehnte ihn nämlich unter dem Hinweis ab, dass eine Hilfebedürftigkeit des Paares nicht mehr erkennbar sei. Schließlich verfüge die Frau nun über Bargeld, eine Immobilie und einen Pkw, der ca. 3000 Euro wert sei und sofort veräußert werden könne. Von diesem einmaligen Einkommen könne das Paar die nächsten Monate gut leben.

Die Frau erwiderte, dass sie das Bargeld für die Renovierung ausgegeben habe. Im Übrigen seien sie in das geerbte Haus eingezogen – es stelle daher, wie auch der von ihr genutzte Wagen, geschütztes Vermögen nach § 12 III SGB II dar. Dennoch verweigerte das Jobcenter eine Weiterbewilligung von Hartz IV. So habe die Frau z. B. nicht nachweisen können, ob das geerbte Bargeld tatsächlich für die Renovierung verwendet wurde. Auch müsse sie Haus und Kfz verkaufen, um von dem Erlös zu leben. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Erbschaft: Einkommen oder Vermögen?

Das Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt lehnte eine Hilfebedürftigkeit des Paares für einige Monate vollständig ab – mit der Erbschaft verfügte die Frau nämlich über ausreichend Einkommen, um davon zu leben.

Wäre die Erbschaft als Vermögen einzuordnen, müsste die Frau Bargeld, Pkw und Haus nach § 12 III SGB II zwar tatsächlich nicht zur Deckung des Lebensbedarfs verwenden. Allerdings stellt eine Erbschaft nur Vermögen dar, wenn der Erbfall vor der ersten Hartz-IV-Antragstellung eingetreten ist, der Erbe also bereits über den Nachlass verfügen konnte, bevor er ALG II beantragte.

Tritt der Erbfall dagegen erst ein, als der Bedachte längst Hartz IV empfing, handelt es sich bei der Erbschaft um ein einmaliges Einkommen. Das ist gemäß § 11 III SGB II zu berücksichtigen. Entfällt die Hilfebedürftigkeit dabei sogar vollständig, kann das Jobcenter bzw. die Agentur für Arbeit die Leistung für einen bestimmten Zeitraum komplett verweigern: Der Erbe muss die Erbschaft also erst einmal verbrauchen, bevor er wieder Hartz IV bekommt.

Vorliegend hat die Erbin bereits seit einiger Zeit ALG II erhalten, als sie ihren Vater beerbte. Somit stellte die Erbschaft Einkommen dar. Das Gericht sah keine akute finanzielle Notlage des Paares, die trotz Erbschaft in den Folgemonaten einen Hartz-IV-Bezug gerechtfertigt hätte. Zwar ging das Gericht davon aus, dass die Barmittel für die Renovierung des Hauses und den üblichen Lebensbedarf längst verbraucht waren. Auch gab es zu, dass der Verkauf einer Immobilie nicht kurzfristig abgewickelt werden kann. Zumindest der Pkw sei aber schnell veräußerbar und könnte ohne große Verzögerung zu einem Erlös von 3000 Euro führen. Verteile man diesen auf drei Monate, stünden dem Paar 1000 Euro/Monat zur Verfügung, bevor eine Weiterbewilligung von Hartz IV in Betracht komme.

Fazit: Stellt eine Erbschaft Einkommen dar, muss sie vollständig verwertet werden. Im schlimmsten Fall erhält der Leistungsempfänger in dieser Zeit kein ALG II.

(LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 27.10.2015, Az.: L 4 AS 652/15 B)

(VOI)

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