Ist der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz Fahrzeugführer im Sinne § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO?

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Ist der Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz (während einer Ausbildungsfahrt neben einem Fahrschüler, dessen fortgeschrittener Ausbildungsstand zu einem Eingreifen in der konkreten Situation keinen Anlass gibt) Fahrzeugführer im Sinne § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO?

Diese Frage hat das OLG Karlsruhe unter dem 20.02.2014 dem BGH zur Entscheidung vorgelegt.

Das Amtsgericht hatte den betroffenen Fahrlehrer zu einer Geldbuße von 40 € (und einem Punkt „in Flensburg“) verurteilt, weil dieser auf dem Beifahrersitz sitzend während einer Ausbildungsfahrt mit dem Handy am Ohr telefoniert hatte. Das AG nahm einen (vorsätzlichen) Verstoß gegen § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO und damit nach § 24 Abs. 1 StVG, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO als Ordnungswidrigkeit zu ahnden an, da der Fahrlehrer Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 2 Abs. 15 Satz 2  gewesen sei.

Das OLG Karlsruhe konnte über die Sache nicht entscheiden, da es beabsichtigte, von der bisher vertretenen Rechtsauffassung anderer Oberlandesgerichte abzuweichen.

Das OLG sieht sich an der Verwerfung der Rechtsbeschwerde durch eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 4.7.2013 (in DAR 2014, 40) gehindert, weil dieses die Auffassung vertreten hatte, ein Fahrlehrer, der neben einer fortgeschrittenen Fahrschülerin sitzt und in der konkreten Situation nicht in das Fahrgeschehen eingreifen musste, sei nicht Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO. Das OLG könne aber auch nicht der Rechtsbeschwerde stattgeben und den Betroffenen freisprechen, weil es dann von einer Entscheidung des OLG Bamberg vom 24.3.2009 (NJW 2009, 2393 = DAR 2009, 402 = NZV 2009, 517) abweichen müsste, in der das OLG Bamberg die Auffassung vertreten hatte, dass ein für die Verkehrsbeobachtung verantwortlicher Fahrlehrer wegen seiner Pflicht, den Fahrschüler ständig zu beobachten, um notfalls schnell eingreifen zu können, Führer des Kraftfahrzeuges im Sinne des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO sei.

Der Senat des OLG Karlsruhe neigt nach den Ausführungen in seinem Vorlagebeschluss dazu, der Auffassung des OLG Bamberg und nicht der Auffassung des OLG Düsseldorf zu folgen.

Für die Beschränkung des Anwendungsbereiches von § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG „nur“ (OLG Dresden, a.a.O.) bzw. „vor allem“ (König, DAR 2003, 448, 449) auf die zivilrechtliche Gefährdungshaftung (§ 18 StVG) bzw. auf die Strafnorm des § 21 StVG gibt es – soweit ersichtlich – keine greifbaren Anhaltspunkte.

Im Übrigen steht der Auffassung, der Fahrzeuglehrer könne erst dann als Kraftfahrzeugführer angesehen werden, wenn er konkret in das Verkehrsgeschehen eingreife (z.B. durch Bremsen oder Steuern mittels des Lenkrads) die Erwägung entgegen, dass der (infolge Haltens eines Mobiltelefons) eingeschränkt eingriffsbereite Fahrlehrer oder der (z.B. infolge Alkoholkonsums) in seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit beeinträchtigte Fahrlehrer die Situation, in der ein Eingreifen in das Verkehrsgeschehen geboten ist, möglicherweise nicht erkennt bzw. nicht auf sie reagiert und damit nicht Führer des Kraftfahrzeuges wird.

Die Rechtsprechung zum Führer und zum Führen eines Kraftfahrzeuges im Sinne der §§ 315c, 316 StGB steht zu der Auffassung des OLG Bamberg demnach auch nicht zwingend in Widerspruch, weil § 2 Abs. 15 Satz 2 StVG für das StVG eine Sonderregelung trifft, die den Tatbestand des § 24 Abs. 1 StVG i. V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 22, § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO mit erfasst. Auch überzeuge das Argument nicht, dass die Bejahung der Vorlegungsfrage zu dem untragbaren Ergebnis führe, dass der Fahrschüler, der eigenhändig (unter Verstoß gegen das Verbot des § 23 Abs. 1a Satz 1 StVO) mobil telefoniert, nicht wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 StVG, § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO verfolgt werden könnte, weil „ausschließlich“ der Fahrlehrer aufgrund gesetzlicher Fiktion als Führer des Kraftfahrzeugs anzusehen wäre (so OLG Dresden, a.a.O., zu § 24a StVG).

Einerseits könnte es zwar als sachgerecht angesehen werden, den Fahrschüler überhaupt nicht als Führer eines KFZ im Sinne des StVG (und damit auch der Straßenverkehrsordnung) zu behandeln; diese Ansicht befände sich in Übereinstimmung mit der Auslegung der Kraftfahrzeugführereigenschaft zu der Strafnorm des § 21 StVG, weshalb eine entsprechende Auslegung im Rahmen der Bußgeldvorschriften (§ 24 StVG in Verbindung mit § 24a StVG) an sich folgerichtig wäre. Es läge nach Auffassung des OLG Karlsruhe andererseits aber auch nicht fern, sowohl den Fahrschüler als auch den Fahrlehrer während der Ausbildungsfahrt zumindest ordnungswidrigkeitsrechtlich im Sinne des StVG in Verbindung mit der StVO als Kraftfahrzeugführer zu qualifizieren.

Es bleibt nunmehr abzuwarten, wie der BGH die vorgelegte Frage entscheidet. 

Zur Entscheidung des OLG Bamberg: 
http://lrbw.juris.de/cgi-bin/laender_rechtsprechung/document.py?Gericht=bw&GerichtAuswahl=Oberlandesgerichte&Art=en&Datum=2014&nr=17803&pos=0&anz=14



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