Jugendstrafrecht - Für wen sind die Regelungen des JGG anwendbar?

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Der deutsche Strafprozess hält mit dem Jugendstrafrecht eine Form der Sanktionierung vor, die speziell auf junge Angeklagte ausgerichtet ist. Anders als im allgemeinen Strafrecht geht es im Jugendstrafrecht weniger um Schuldausgleich sondern der Erziehungsgedanken steht im Vordergrund. Der Jugendliche soll durch geeignete Maßnahmen dazu angehalten werden, zukünftig keine weiteren Straftaten mehr zu begehen.

Wer fällt unter das Jugendstrafrecht?

Das Jugendstrafrecht ist auf Jugendliche von 14 bis einschließlich 17 Jahren anwendbar. Kinder unter 14 Jahren gelten als strafunmündig und sind strafrechtlich nicht verantwortlich für ihre Taten. Hier kommen allenfalls familienrechtliche Maßnahmen in Frage.

Grundsätzlich ist das Jugendstrafrecht aber auch bei Heranwachsenden (von 18 bis einschließlich 20 Jahren) anwendbar. Dabei kommt es in dieser Altersstufe jedoch auf eine Einzelfallentscheidung an. Bei dieser muss geklärt werden, ob der Heranwachsende noch einem Jugendlichen gleichsteht. Spätestens wenn die Tat jedoch nach dem 21. Geburtstag begangen wurde, ist Jugendstrafrecht nicht mehr anwendbar sondern ausschließlich Erwachsenenstrafrecht.

Heranwachsende – Jugendverfehlung oder Reifeverzögerung

Bei Heranwachsenden kann aus zwei Gründen Jugendstrafrecht zur Anwendung kommen: Entweder weil eine Jugendverfehlung oder eine Reifeverzögerung vorliegt.

Von einer Jugendverfehlung spricht man, wenn es sich um eine jugendtypische Tat aus jugendtypischen Motiven handelt. Vor allem bei Taten aus der Gruppendynamik heraus wird von einer jugendtypischen Verfehlung ausgegangen. So z.B. beim Fahren ohne Fahrerlaubnis oder Ladendiebstahl bzw. Straftaten aus einer Gruppe heraus gelten als jugendtypische Verfehlungen.

Bei der Frage des Vorliegens einer Reifeverzögerung muss das Gericht beurteilen, ob der Heranwachsende nach seiner persönlichen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleich steht. Hier kommt es beispielsweise darauf an ob der Heranwachsende noch bei seinen Eltern wohnt, ob er einer geregelten Arbeit nach geht und ob er allgemein schon das Leben eines Erwachsenen führt.

Die Unterscheidung zum Erwachsenenstrafrecht

Die Frage der Anwendbarkeit von Jugendstrafrecht kann erhebliche Auswirkungen auf das Strafmaß haben. In den meisten Fällen ist die Anwendung von Jugendstrafrecht für den Angeklagten günstiger, da es häufig zu milderen Sanktionen führt. Dem Richter stehen hier nicht nur weitere Einstellungsmöglichkeiten zur Verfügung, sondern auch eine breitere Palette von Sanktionsmöglichkeiten. Vor allem von der Erteilung einer Arbeitsauflage wird im Jugendstrafrecht umfangreich Gebrauch gemacht. Eine Freiheitsstrafe ist im Jugendstrafrecht, vor allem bei Ersttätern, dagegen eher die Ausnahme.

Verfahrenseinstellungen im Jugendstrafrecht

Das Begehen von Straftaten in jungen Jahren ist als statistischer Normalfall anzusehen. Vor allem Heranwachsende zwischen 18 und 20 Jahren haben häufig zumindest einen einmaligen Kontakt mit der Polizei. Dies bedeutet weder, dass diese Person auch später zwangsweise kriminell wird, noch dass tatsächlich immer eine strafrechtliche Einwirkung notwendig ist. Der Gesetzgeber ist sich dieser Entwicklung von jungen Menschen bewusst und bietet im Jugendstrafverfahren der Staatsanwaltschaft daher umfangreiche Möglichkeiten die Verfahren einzustellen.

Einstellungen nach § 45 JGG

Der § 45 I JGG erlaubt das folgenlose Absehen von Strafe unter den gleichen Bedingungen wie es der § 153 StPO bei Erwachsenen vorsieht. Dies bedeutet konkret, dass es sich lediglich um ein Vergehen (die angedrohte Mindeststrafe muss unter einem Jahr liegen) handeln darf, die Schuld müsste als gering angesehen werden und ein öffentliches Interesse an einer Strafverfolgung darf nicht bestehen. Der große Unterschied ist jedoch, dass bei Jugendlichen die Staatsanwaltschaft nicht die Zustimmung des Gerichts zur Einstellung braucht. Die Staatsanwaltschaft kann somit eigenständig das Verfahren einstellen-

Einstellung auch bei mittlerer Kriminalität

Anders als bei Erwachsenen können aber auch schwerere Taten – selbst Verbrechen - bei Jugendlichen eingestellt werden. Nach § 45 II JGG wird von der Verfolgung abgesehen, wenn andere Erziehungsmaßnahmen bereits durchgeführt wurden. Diese Erziehungsmaßnahmen können von Eltern (Taschengeldentzug, Hausarrest usw.) oder der Schule (Schulverweis, Klassenkonferenz usw.) durchgeführt worden sein. Hält der Staatsanwaltschaft dies für ausreichend, stellt er das Verfahren ein.

Als letzte Möglichkeit sieht § 45 III JGG die Einstellung nach Ermahnung durch den Richter vor. Für diesen Fall muss der Jugendliche geständig sein und sich bereit erklären die vom Richter erteilten Auflage oder Weisung zu erfüllen. Hier kommt vor allem die Arbeitsauflage in Frage.

Einstellung durch den Richter

Die Einstellung der Staatsanwaltschaft kann jedoch lediglich vor Einreichung der Anklage erfolgen. Nach diesem Zeitpunkt stehen dem Richter im Jugendstrafrecht aber die gleichen Einstellungsmöglichkeiten wie der Staatsanwaltschaft zur Verfügung.

Insgesamt zeigt sich somit eine breite Möglichkeit für Staatsanwaltschaft und Gericht das Verfahren im Jugendstrafrecht einzustellen. Dabei können nicht nur Jugendliche unter 18 Jahren in den Genuss der Einstellung kommen, sondern auch Heranwachsende (Personen die das 21. Lebensjahr noch nicht beendet haben). Ein Strafverteidiger kann bereits frühzeitig in einem Verfahren auf eine mögliche Einstellung hinwirken.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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