Kein gesetzlicher Anspruch auf Wechselmodell

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Kein Anspruch eines Elternteils auf gerichtliche Regelung eines Wechselmodells

Das Bundesverfassungsgericht hatte sich in seiner Kammerentscheidung vom 24.06.2015 mit der bestehenden Gesetzeslage und einem geltend gemachten Anspruch eines Elternteils auf Einräumung eines Wechselmodells auseinander zu setzen.

Fall:

Kurz nach der Geburt im September 2011 trennten sich die nicht miteinander verheirateten Eltern des Kindes. Das Kind hat den gewöhnlichen Aufenthalt im Haushalt der Mutter, welche die alleinige elterliche Sorge ausübt. Ein gerichtlicher Antrag des Vaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und auf Ausübung der gemeinsamen Sorge blieb erfolglos. Das Gericht regelte den Umgang anstatt im begehrten Umfang eines Wechselmodells, bei dem sich das Kind zu gleichen Zeitanteilen bei der Mutter und bei dem Vater aufhält dahingehend, dass der Vater in den geraden Kalenderwochen von Freitag 15:00 Uhr bis Montag 8:30 Uhr sowie in den ungeraden Kalenderwochen von Donnerstag, 15:00 Uhr bis Freitag, 18:30 Uhr und Umgang an Feiertagen und in den Ferien hat. Der Vater verfolgte mit einer Verfassungsbeschwerde seine Rechte weiter und rügte, dass er in seinen Grundrechten verletzt sei, da die Eltern die gleichen Rechte in Bezug auf das Kind hätten und rückte die bestehende Gesetzeslage in Deutschland.

Die Entscheidung:

  1. Aus Art. 6 II GG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgt auch unter Berücksichtigung der UN-Kinderrechtskonvention nicht, dass der Gesetzgeber den Gerichten für die Zuordnung von Rechten und Pflichten getrennt lebender Eltern eine paritätische Betreuung als Regel vorgeben und eine abweichende gerichtliche Regelung als Ausnahme gestalten müsste.
  2. Unabhängig davon, ob die Regelung der paritätischen Betreuung eines Kindes gegen den Willen eines Elternteils als Frage der elterlichen Sorge(§ 1671 BGB) oder als Umgangsregelung (§ 1684 BGB) einzuordnen ist, kann über eine paritätische Betreuung – die Möglichkeit dieser gesetzlichen Ausgestaltung unterstellt – nur nach der jeweiligen Lage des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls und unter Beachtung der berechtigten Interessen der Eltern und des Kindes sachgerecht entschieden werden.

Umgang muss dem Kindeswohl förderlich sein

Mit der Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass es keinen Anspruch eines Elternteils und keinen Anspruch auf Anpassung der Gesetzeslage gibt, nach der Trennung grundsätzlich Umgang mit dem Kind im Wechselmodell anzuordnen. Es ist bei einer Entscheidung zum Umgangsrecht immer das Kindeswohl zu berücksichtigen.

Dabei kommt es im Wesentlichen darauf an, dass der Umgang dem Kindeswohl förderlich ist. Ein Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil dient dann dem Kindeswohl, wenn ein positiver Kontakt zum Kind aufgebaut werden kann und die Konflikte der Eltern begrenzt sind. Besteht bei den Eltern ein hohes Konfliktniveau, zeigen sich eher negative Effekte für das Kind. Voraussetzung für ein Wechselmodell, mit dem ein großzügiger Umgang angestrebt wird ist daher erst recht eine Bereitschaft der Eltern zur Kommunikation und Kooperation. Aus kinderpsychologischer Sicht müssen daher solche Rahmenbedingungen vorliegen, wenn ein nahezu paritätisches Wechselmodell dem Wohl des Kindes entsprechen soll. Dabei kommen folgende Kriterien in Betracht:

Rahmenbedingungen für Wechselmodell

  • Die Eltern müssen eine hinreichende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit besitzen, d. h. sie benötigen eine tragfähige soziale Beziehung auch im Sinne einer wechselseitigen Akzeptanz, sowie einen Grundkonsens in den wesentlichen Erziehungsfragen.
  • Die Eltern müssen die Bereitschaft und Fähigkeit haben, den gesteigerten Kooperationsanforderungen des Wechselmodells gerecht zu werden.
  • Die Eltern müssen nahezu gleichwertige Bindungen zum Kind aufgebaut haben. Eine Bindung des Kindes zu beiden Elternteilen muss bereits vorhanden sein.
  • Mutter und Vater müssen zur Erziehung geeignet sein.
  • Das Wechselmodell muss dem Kindeswillen nach allgemeinen Grundsätzen gerecht werden.
  • Es müssen kindeswohlgerechte äußere Bedingungen in Form von geringer Entfernung der Elternwohnungen zueinander, sowie jeweilige angemessene Unterbringung und Versorgung des Kindes gegeben sein.

Erfüllen die Eltern die o. g. Voraussetzungen nicht, ist das Wechselmodell oft ungeeignet. Ausschlaggebend dafür, in welchem Umfang Umgang geregelt wird oder ob ein Wechselmodell in Frage kommt, ist einzig und allein das Wohl des Kindes. Es geht nicht darum, die Interessen und Rechte der Eltern am Umgang mit dem Kind gerecht zu regeln, sondern das Kindeswohl ist darüber hinaus zu beachten und zu berücksichtigen. Insoweit haben sich die Elterninteressen dem Kindeswohl unterzuordnen. 

Zusammenfassend können der Entscheidung für Gesetzgeber und Praxis weichenstellende Erwägungen entnommen werden (NJW 2015, 3148):

  1. Es ist dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht geboten, das Wechselmodell als regelhaftes Betreuungsmodell für Eltern nach Trennung vorzuschlagen.
  2. Sowohl bei der Entscheidung des Gesetzgebers als auch in der Rechtsprechung der Fachgerichte in Kindschaftssachen ist das Wohl des Kindes ausschlaggebender Entscheidungsmaßstab.
  3. Es bedarf in jedem kindschaftsrechtlichen Verfahren zur elterlichen Sorge und zum Umgang einer individualisierten Kindeswohlprüfung.
  4. Eine Ausübung des Wechselmodells entspricht bei erheblichen Kommunikationsschwierigkeiten der Eltern nicht dem Kindeswohl und ist in diesem Fall nicht gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich anzuordnen.

Fazit:

Aus der der Entscheidung wird deutlich, dass das Kindeswohl oberste Priorität hat. Mit dieser Entscheidung wird der zunehmenden Praxis der Instanzgerichte und den Jugendämtern die Kindeswohlprüfung als oberstes Maß der Dinge vor Augen gehalten, welche oft dem Wechselmodell förderlich gegenüberstehen.

Ich berate Sie gern in Angelegenheiten des Sorgerechts und Umgangsrechts und stehe Ihnen bei der Ausarbeitung von entsprechenden Vereinbarungen zur Seite.

Anett Wetterney-Richter

Fachanwältin für Familienrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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