Kein Kindesunterhalt für erwerbsunfähiges Kind, wenn Antrag auf Grundsicherung nicht gestellt ist

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Ist ein Kind aufgrund einer Erkrankung in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten nicht in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten und ist eine Behebung dieses Zustandes voraussichtlich nicht vor Ablauf von drei Jahren zu erwarten (sog. Erwerbsunfähigkeit), so muss das Kind einen Antrag auf Grundsicherung stellen. Kommt das erwerbsunfähige Kind dieser Obliegenheit nicht nach, führt dies zur Anrechnung fiktiver und bedarfsdeckender Einkünfte aus Sozialhilfe. Ein Anspruch auf Kindesunterhalt entfällt dann. Dies hat das Oberlandesgericht Hamm entschieden.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Aufgrund eines Vergleichs war der Vater einer Tochter verpflichtet, bis Juni 2013 Kindesunterhalt zu zahlen. Im Juli 2012 erwarb die nunmehr 19-jährige Tochter den Hauptschulabschluss und beabsichtigte anschließend den Realschulabschluss zu erwerben. Sie meldete sich daher für das Schuljahr 2012/2013 an einer Berufsfachschule an. Da die Tochter jedoch in der Folgezeit an schweren Depressionen litt, konnte sie den Schulbesuch nicht wahrnehmen. Dennoch verlangte sie von ihrem Vater Kindesunterhalt über den Zeitraum von Juni 2013 hinaus. Dieser weigerte sich, dem nachzukommen, so dass der Fall vor Gericht kam. Das Amtsgericht Dortmund bejahte einen Anspruch auf Kindesunterhalt. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Vaters. Er hat gewonnen! Das Oberlandesgericht Hamm entschied zu Gunsten des Vaters und hob daher die Entscheidung des Amtsgerichts auf.

Der Tochter habe kein Anspruch auf Kindesunterhalt zugestanden, da sie nicht bedürftig gewesen sei. Es sei insofern zu beachten gewesen, dass sie ihren Bedarf durch vorrangige Leistungen aus der Grundsicherung habe decken können und müssen. Die Tochter habe nach Ansicht des Oberlandesgerichts einen Anspruch auf Sozialhilfe aufgrund dauerhafter Erwerbsunfähigkeit zugestanden. Dieser Anspruch sei gegenüber dem Unterhaltsanspruch grundsätzlich vorrangig. Eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit liege vor, wenn eine Person wegen Krankheit oder Behinderung in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten nicht in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten und eine Behebung dieses Zustandes voraussichtlich nicht vor Ablauf von drei Jahren zu erwarten ist (vgl. § 41 Abs. 1 SGB XII, § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Dies sei hier angesichts der Erkrankung der Tochter der Fall gewesen.

Die Kernaussage lautet somit: Für eine unterhaltsberechtigte Person besteht die Obliegenheit, Grundsicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Wird diese Obliegenheit verletzt, so führt dies zur Anrechnung fiktiver Einkünfte in der Höhe der entgangenen Grundsicherung.

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