Kinderwunschbehandlung – private Krankenversicherung zur Kostenübernahme verurteilt

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Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 08.04.2015, Az. 2 O 1683/14

Rechtsanwalt Christian Fiehl LLM konnte vor dem LG Nürnberg-Fürth in einem Verfahren gegen die private Krankenversicherung seiner Mandanten erreichen, dass diese die Kosten der Kinderwunschbehandlung übernehmen muss.

I.

Der Sachverhalt stellte sich so dar:

Der Versicherer verweigerte die Leistung mit der Begründung, in seinem Tarifwerk und den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sei die Kinderwunschbehandlung nicht in dem Leistungsumfang des Vertrages, welchen die Kläger gewählt haben, enthalten. Die Kläger hätten dies durch einen Vergleich mit dem Leistungsumfang der höherpreisigen Tarife und der entsprechenden Vertragswerke erkennen können. In dem Vertragswerk der Kläger sei nämlich die Kinderwunschbehandlung nicht ausdrücklich eingeschlossen.

Diese Argumentation konnte nicht nachvollzogen werden, da es einem Versicherungsnehmer nicht zugemutet werden kann, seinen Leistungsanspruch gegen den Versicherer dadurch zu ermitteln, dass er das Tarifwerk des eigenen Vertragstarifes mit den Vertragstarifen aller vom Versicherer angebotenen Krankenversicherungsprodukten vergleicht, um anhand der Behandlungen und Heilmethoden, die in den anderen Versicherungsbedingungen und Tarifen erwähnt werden zu erkennen, welche im eigenen Vertrag nicht erfasst sind.

Außerdem wurde im Versicherungsvertrag die Kostenübernahme „schulmedizinisch“ anerkannter Behandlungsmethoden pauschal vom Versicherer zugesagt, wovon der Versicherer im Gerichtsverfahren nun nichts mehr wissen wollte.

II.

Die Argumentation von Rechtsanwalt Christian Fiehl LLM konnte das Landgericht Nürnberg-Fürth schließlich überzeugen:

Dem Krankenversicherungsvertrag des Klägers liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen Teil I für das BestMed Tarifsystem sowie die allgemeinen Versicherungsbedingungen Teil II für die BestMed Tarif BM 3 zugrunde. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Teil I ist folgendes vereinbart:

㤠3 Was ist der Versicherungsfall?

Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Der Versicherungsfall beginnt mit der Heilbehandlung; er endet, wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht. Muss die Heilbehandlung auf eine Krankheit oder Unfallfolgen ausgedehnt werden, die mit der bisher Behandelten nicht ursächlich zusammenhängt, so entsteht insoweit ein neuer Versicherungsfall. Als Versicherungsfall gelten auch

a )...

b ) die Kinderwunschbehandlung (künstliche Befruchtung / Insemination), soweit hierfür tariflich

 

      Leistungen vereinbart sind,

c ).."

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird hierauf sein Tarifwerk aufschlagen und dort nachlesen, welche Regelungen die Beklagte dort für ihn vorgesehen hat. Dort findet er schließlich in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Teil II für den BestMed Tarif BM 3 folgende Regelung:

„I. Grundsätzliches zum Umfang unserer Leistungspflicht Abs. 1

Ambulante und zahnärztliche Behandlung Abs. 1.4., welche Behandlungsmethoden stehen unter Versicherungsschutz?

Wir leisten im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden oder Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Darüber hinaus leisten wir für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen; wir können jedoch unsere Leistung auf den Betrag herabsetzen, der bei der Anwendung vorhandener schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel angefallen wäre."

Durch diese Regelung schließt die Beklagte Behandlungsmethoden oder Untersuchungsmethoden oder Arzneimittel die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind in den Leistungskatalog des Klägers mit ein. Eine Einschränkung dahingehend, dass Behandlungsmethoden die in einem höherpreisigen Tarif explizit genannt werden und die nur dadurch erkennbar werden, dass der Versicherungsnehmer den für ihn einschlägigen Tarif mit einem höherpreisigen Tarif und dessen Regelungen vergleicht, ist durch diese Regelung wirksam nicht vereinbart worden. Einer solchen Regelung fehlt es an jedweder Transparenz.

Zutreffend hat das Gericht erkannt, dass der Kläger zu 2 gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kostenerstattung einer IVF/ICSI-Behandlung gemäß den zwischen den Parteien geltenden Tarifbestimmungen hat.

In den zwischen den Parteien geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen Teil I (§ 3) ist der Versicherungsfall definiert als eine medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen. Eine medizinische Behandlungsmaßnahme ist dann notwendig, wenn es nach objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Behandlung vertretbar ist, sie als medizinisch notwendig anzusehen. Eine solche Behandlung ist im vorliegenden Fall die von dem Kläger zu 2 begehrte Behandlung. Bei dem Kläger zu 2 liegt unstreitig eine organisch bedingte Unfruchtbarkeit vor. Die Behandlung stellt eine medizinisch anerkannte Methode zur Gewinnung einer Sterilität dar. Insoweit stellt auch § 3b erster Halbsatz der AVB Teil I klar, dass eine Kinderwunschbehandlung auch als Versicherungsfall gilt.

Der Anspruch des Klägers zu 2 ist auch nicht gemäß § 3 b zweiter Halbsatz der Allgemeinen Versicherungsbedingungen Teil I ausgeschlossen. Dort heißt es, dass eine Kinderwunschbehandlung dann als Versicherungsfall gilt, soweit hierfür tarifliche Leistungen vereinbart sind. In den Tarifbestimmungen des zwischen den Parteien vereinbarten Tarifs BM 3 heißt es, dass die Beklagte für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind, leistet (Nr. 1. 4 der Tarifbestimmungen BM 3).

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer welcher eine Lektüre der Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie der Tarifbestimmungen vornimmt, muss bei dieser Lektüre zu der Erkenntnis gelangen, dass die von ihm angestrebte Kinderwunschbehandlung als etablierte Behandlungsmethode der Schulmedizin von dem Versicherungsvertrag umfasst ist. Hierzu verweist der Unterfertigte insbesondere auf seine Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 27.08.2014 Seite 2 und 3 sowie die Entscheidungsgründe der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts, dort Seite 7 Ziff. 2. Der Unterfertigte macht die dortigen Ausführungen zum Gegenstand seines Vortrages.

Insbesondere ist dem Erstgericht zuzustimmen, soweit es festhält, dass "ein Vergleich mit dem höhergestuften Tarif BM 4 zur Auslegung der Tarifbestimmungen nach dem Tarif BM 3 nicht zugemutet werden kann und zu Intransparenz der Klausel führt. Das Gericht hat ausgeführt: Soweit die Beklagte darauf verweist, dass die Tarifbestimmungen in dem Tarif BM 4 eine solche ausdrückliche Regelung für Kinderwunschbehandlung besteht, ändert dies an der für den Versicherungsnehmer bestehenden Unklarheit nichts. Die Tarifbestimmungen für den Tarif BM 4 werden regelmäßig dem Versicherungsnehmer, der den Tarif BM 3 vereinbart hat, nicht zur Verfügung stehen. Ein Vergleich verschiedener Tarife desselben Versicherers, ist einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer zum Zwecke der Auslegung der eigenen Versicherungsbedingungen auch nicht zumutbar."

Dem ist uneingeschränkt zuzustimmen und entsprechend muss die Private Krankenversicherung dem Versicherungsnehmer die ihn entstandenen Kosten erstatten.

Verweigert Ihre private Krankenversicherung die Übernahme von Kosten? Lassen Sie sich nicht mit einem einfachen Schreiben abfertigen und suchen Sie einen Rechtsanwalt auf, der Ihre Ansprüche klärt und durchsetzt.

Rechtsanwalt Christian Fiehl LLM

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