Kindesunterhalt bei nahezu hälftiger Betreuung

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Wechselmodell oder doch nicht? (Zur Entscheidung des Kammergerichts Berlin, Beschluss vom 15.04.2019 – 13 UF 89/16)

Voller Unterhalt trotz umfangreicher Betreuung? Wann wirkt sich die Betreuung auf den Unterhaltsanspruch aus? Darüber hinaus äußert sich das Gericht zu den Anforderungen eines Wechselmodells.

In dem von dem KG Berlin (Beschluss vom 15.04.2019 – 13 UF 89/16) zu entscheidendem Fall ging es um die Zahlung von Unterhalt für die Tochter getrennt lebender Eltern.

Der Vater des Kindes arbeitete im Schichtdienst und betreute seine Tochter an 9 von 20 Tagen, die Mutter in der übrigen Zeit. Zwischen den Beteiligten ergab sich also eine Aufteilung von 45 % zu 55 %. Die Kindesmutter strebte nun an, dass der Kindesvater Unterhalt für die gemeinsame Tochter bezahlen sollte. Der Vater verweigerte dies und verwies darauf, dass die Beteiligten de facto ein Wechselmodell praktizierten und er durch die Erbringung von sonstigen Leistungen seine Unterhaltspflicht abdeckte.

Das Kammergericht hat diesem Vorbringen des Kindesvaters vollständig widersprochen:

Die gemeinsame Tochter befinde sich zunächst in der Obhut der Mutter, bei der es den Schwerpunkt seiner Lebensführung hat. Dafür reicht nach Ansicht des Kammergerichts bereits ein „eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind“ aus. Deshalb ist die Mutter auch zur Geltendmachung von Unterhalt berechtigt.

Das Kammergericht führte zudem aus, dass eine quotale Unterhaltsregelung – nur nach den jeweiligen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern – abzulehnen ist. Vielmehr verbleibt es auch bei einer annähernd hälftigen Betreuungsverteilung bei der Regelung des § 1606 Abs. 3 BGB („Einer betreut, der andere zahlt“). Anderes kann nur dann gelten, wenn die tatsächliche Betreuungsleistung – inklusive alltäglicher Organisation, Arztbesuchen, Schulgesprächen etc. – hälftig aufgeteilt wird (sog. „strenges Wechselmodell“). Ab wann von einer (etwa) hälftigen Aufteilung gesprochen werden kann, lässt das KG aber auch hier offen. Denn bei einer Verteilung von 45 % zu 55 % sei ein eindeutiges Übergewicht des einen Elternteils gegeben. Bei einer solchen Aufteilung liegt demnach kein Wechselmodell, sondern lediglich ein erweiterter Umgang vor. 

Als Indiz für das Vorliegen eines echten Wechselmodells könne aber die tragfähige Kommunikations- und Kooperationsbasis zwischen den Eltern sein. Denn ohne ein solches Verhältnis zwischen den Eltern ist ein Wechselmodell jedenfalls ausgeschlossen.

Allerdings könne eine „Korrektur“ des Unterhalts wegen des erheblichen Betreuungsanteils des Barunterhaltspflichtigen über eine entsprechende Herabstufung in der Düsseldorfer Tabelle vorgenommen werden.

Bei den Kosten, die der Vater hier zusätzlich aufwendet – etwa Kleidung, Urlaubsreisen etc. – ist aber zu differenzieren, ob es sich um Leistungen handelt, die sonst die Mutter als hauptsächlich betreuender Elternteil zu tragen hätte, oder ob es sich insofern um „freiwillige“ Mehraufwendungen des Vaters handelt. Nur Ausgaben der ersten Gruppe können von dem Elternteil, der zum Barunterhalt verpflichtet ist, als unterhaltsmindernd geltend gemacht werden. Auch diese dürfen jedoch nicht eigenmächtig erworben werden, um ein vorsätzliches Schädigen des Unterhaltsberechtigten Elternteils zu vermeiden. Alles andere wird durch eine entsprechende Eingruppierung in der Düsseldorfer Tabelle abgegolten.

In der Frage, ab wann ein Wechselmodell mit unterhaltsrechtlichen Auswirkungen angenommen werden kann, hat auch dieser Entschluss des KG nicht wirklich beigetragen. Zu mehr als einer Umgruppierung zugunsten des barunterhaltspflichtigen Elternteils lässt sich das Kammergericht nicht hinreißen.

Haben Sie Fragen zum Unterhalt? Wollen Sie sich über die rechtlichen Aspekte des Wechselmodells informieren? Vereinbaren Sie gerne einen Termin bei mir.

Bettina Bachinger

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht


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