LG Hannover – Partnervermittlung für 1.000,00 € pro Vorschlag kann sittenwidrig sein

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Das Geschäft mit der Sehnsucht einsamer Mitbürger treibt mittlerweile eine Vielzahl von Blüten. Am Markt tummeln sich analog wie digital Singlebörsen, Hochzeitsagenturen, Partnervermittlungen, Freundschaftsservices – die Bezeichnungen der Unternehmen sind so vielfältig wie das angebliche Angebot an suchenden Traumpartnern.

All diesen Unternehmen ist gemein, dass es sich dabei in der Regel nicht um wohltätige Dienstleister handelt, sondern dass mit den Partnerwünschen umworbener Kunden Geld verdient werden soll. Dabei ist allerdings zwischen seriösen und vielleicht nicht ganz so seriösen Anbietern zu unterscheiden.

In diesem Kontext wollen wir uns hier mit einem speziellen Geschäftsmodell beschäftigen, über das kürzlich das Landgericht Hannover im Rahmen eines Berufungsverfahrens zu entscheiden hatte. Ähnliche Konzepte gibt es in unterschiedlicher Form und Ausprägung quer durch die Republik, je nach konkreter Ausgestaltung kann die Geschäftstätigkeit des jeweiligen Unternehmens anders zu bewerten sein.

Jedenfalls – wer kennt sie nicht, die stets verlockend klingenden Partnergesuche, welche vornehmlich in regionalen Tages- oder Wochenzeitungen dutzendfach abgedruckt sind? Hier ist für jeden Geschmack etwas dabei, die Kontaktaufnahme scheint unkompliziert.

Was viele jedoch wahrscheinlich nicht wissen ist, dass es sich dabei in aller Regel nicht um private Kleinanzeigen handelt, sondern um Angebote von professionellen Anbietern. Fühlt man sich von einer der Anzeigen angesprochen und versucht, mit der entsprechenden Person über die angegebene Telefonnummer Kontakt aufzunehmen, landet man in der Zentrale einer Agentur. Ziel der Kontaktaufnahme aus Sicht der Agentur ist dabei offensichtlich nicht, Kontakt zur konkreten erwünschten Person herzustellen, sondern den Anrufer zu einem Kundengespräch einzuladen.

In diesem Kundengespräch werden die Interessenten zur Unterschrift eines Vertrages motiviert. Gegenstand dieses Vertrages ist dann die Vermittlung des Kontakts zu einer überschaubaren Zahl von Partnervorschlägen gegen Zahlung von Beträgen meist mehrerer tausend Euro.

Ob es die Person gibt, wegen der man angerufen hat, oder ob man auf dem oben dargestellten Wege jemals Kontakt zu eben dieser Person erhält, sei einmal dahingestellt. Das Problem ist nach unserer Auffassung und aus Sicht der Verbraucher, dass ein Anrufer mit einem konkreten Kennenlernwunsch am Ende mit einem sehr allgemein gehaltenen aber sehr teuren Partnervermittlungsvertrag dasteht, den er jedenfalls mit seinem konkreten Anruf nicht bezweckt hat. Die teuren Verträge enthalten meist hinsichtlich der Pflichten des Vermittlungsunternehmens kaum Verbindliches.

In einem solchen Fall, in dem wir den Kunden vertreten haben, hat aktuell das Landgericht Hannover mit Urteil vom 21.06.2017, Az. 11 S 261/16, in der Berufungsinstanz zugunsten des Verbrauchers entschieden, der sich übervorteilt fühlte.

Das Urteil können Sie in Kürze auf unserer Website im Volltext abrufen. Wir geben in der Folge das Urteil in Auszügen wieder.

„Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten EUR 3.000,00 aus § 812 Absatz 1 Satz 1 Alternative 1 BGB. Die Beklagte hat von dem Kläger EUR 3.000,00 ohne rechtlichen Grund erlangt. Rechtsgrund für die Leistung ist nicht der zwischen den Parteien geschlossene Partnerschaftsvermittlungsvertrag. Dieser Vertrag ist zwar nicht nach § 138 Absatz 2 BGB nichtig. Eine Nichtigkeit ergibt sich aber aus § 138 Abs. 1 BGB.

Der Kläger hat sich in dem als Anlage K1 zu den Akten gereichten Vertrag verpflichtet, an die Beklagte für drei Partnervorschläge insgesamt EUR 3.000,00 zu zahlen.

Dieser Betrag steht unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls in einem auffälligen Missverhältnis zu der von der Beklagten erbrachten Gegenleistung.

Aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag ist nichts dazu ersichtlich, nach welchen Kriterien die Auswahl der Partner erfolgt. Die Qualität der von der Beklagten zu unterbreitenden Partnervorschläge unterliegt daher keinen einschränkenden Anforderungen. Dementsprechend hatte der Kläger keine Möglichkeit, die Erfolgschancen einer möglichen Vermittlung einzuschätzen.

Es bleibt damit völlig unklar, woran gemessen werden soll, ob ein Partnervorschlag vertragsgerecht ist (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. Juli 2009, 1-23 U 34/09, 23 U 34/09; LG Düsseldorf, Urteil vom 30. Oktober 2015, 20 0 7/14).

Der Kunde hat also ein nicht unerhebliches Risiko, einen größeren Geldbetrag für einen letztlich ungewissen Erfolg aufwenden zu müssen, was bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen ebenfalls zu beachten ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Mai 2010 – 1-24 U 188/09). Nach alledem ist der zwischen den Parteien geschlossene Partnervermittlungsvertrag nichtig, § 138 Absatz 1 BGB. Die Beklagte ist zur Rückzahlung der als Entgelt von dem Kläger geleisteten EUR 3.000,00 verpflichtet.“

In diesem Fall konnten also die Verbraucherinteressen erfolgreich umgesetzt werden. Das Urteil wird zumindest teilweise auf diverse andere Konstellationen übertragbar sein und ist somit insgesamt begrüßenswert. Nichtsdestotrotz ist es nur ein Urteil in einem Einzelfall und erlangt damit keine Allgemeingültigkeit.

Sollten Sie sich in einer ähnlichen Lage von einer Partnervermittlungsagentur übervorteilt fühlen, ist es auf jeden Fall angezeigt, sich so früh wie möglich um Gegenwehr zu bemühen, um die Erfolgsaussichten einer Rückforderung der teuren Entgelte zu steigern. Oftmals ist die Einhaltung gewisser Fristen ausschlaggebend, die im Einzelfall auch einmal sehr kurz sein können.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei diesem Rechtstipp nur um einen Überblick über eine komplexe Materie handelt, die eine anwaltliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Wenn Sie Fragen zu diesem Urteil haben oder unsere Hilfe benötigen, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.

Rechtsanwalt Christoph Birk, Häger & Birk Rechtsanwälte – Bremen, Bremen – Nord



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