Neues zur Wertersatzklausel

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Das LG Düsseldorf, Urteil v. 12.5.2010 (Az.: 38 O 129/09), musste als erstes Gericht nach der Messner-Entscheidung des EuGH (Urt. v. 3.9.2009, C-489/07) über die Frage befinden, ob die in der Muster-Widerrufsbelehrung verwendete Wertersatzklausel gegen Wettbewerbsrecht verstößt. Der EuGH hatte entschieden, dass es unzulässig ist, dem Verbraucher im Falle des Widerrufs eine generelle Wertersatzpflicht aufzuerlegen, da der Verbraucher ansonsten von der Ausübung seines Widerrufsrecht abgehalten werde und das Widerrufsrecht zu einem bloß formalen Recht verkümmere.

Ein Online-Kontaktlinsenhändler hatte nun die folgende Klausel in seiner fernabsatzrechtlichen Widerrufsbelehrung verwendet:

Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Bei der Überlassung von Sachen gilt dies nicht, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung, wie sie Ihnen etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre, zurückzuführen ist. Im Übrigen können Sie die Pflicht zum Wertersatz für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung vermeiden, indem Sie die Sache nicht wie Ihr Eigentum in Gebrauch nehmen und alles unterlassen, was deren Wert beeinträchtigt."

Aufgrund der Verwendung dieser Klausel wurde der Kontaktlinsenhändler von einem Konkurrenten abgemahnt und u.a. auf Unterlassung in Anspruch genommen. Im sich anschließenden Hauptsacheverfahren entschied das Landgericht Düsseldorf, dass die Klausel nicht wettbewerbswidrig sei, da gerade keine generelle Wertersatzpflicht statuiert werde:

Unabhängig hiervon scheidet aber ein Unterlassungsanspruch der von der Beklagten bezeichneten Art auch aus weiteren Gründen aus. So wird eine generelle Wertersatzpflicht für eine durch bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung der Sache dem Verbraucher schon nicht durch die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin auferlegt. Ausdrücklich heißt es in der Klausel zum einen, es sei „gegebenenfalls", also nicht in jedem Fall, Wertersatz zu leisten. Zum anderen wird sodann ausgeführt, dass kein Wertersatz zu leisten ist, wenn die Verschlechterung der Sache ausschließlich auf deren Prüfung -wie sie etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre -zurückzuführen ist. Eine generelle Wertersatzpflicht wird hier demnach gerade nicht statuiert. Ein übliches Prüfungsverhalten dahingehend, ob der erworbene Gegenstand zum vertraglich vorgesehenen Zweck tauglich ist, löst auch dann keine Wertersatzpflicht aus, wenn hierbei Abnutzungseffekte entstehen."

Auch bestehe kein Widerspruch mit den Ausführungen des EuGH in der Messner-Entscheidung:

Eine darüber hinaus gehende Einschränkung etwaiger Wertersatzpflichten wird auch nicht durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 03.09.2009 ausgesprochen. Dem Urteil ist letztlich zu entnehmen, dass für eine Nutzung der Ware während der Frist, innerhalb derer ein Widerruf noch erklärt werden kann, nicht generell Wertersatz für während dieser Zeit gezogene Nutzungen vom Verbraucher verlangt werden kann. Die von der Klägerin verwendete Musterklausel enthält jedoch keine derartige generelle Wertersatzregelung. Selbst eine Verschlechterung der Ware wird hingenommen, wenn sie auf einer Prüfung der Ware beruht. Deren Umfang wiederum richtet sich entsprechend Treu und Glauben, die auch nach der Auffassung des Europäischen Gerichtshofes zu beachten sind, nach den Einzelumständen, insbesondere der Art der Ware. Der nationale Gesetzgeber hat in Kenntnis der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes eine der bisherigen Musterfassung entsprechende Belehrung als Gesetz vorgesehen. Da somit keine als Gesetzesverstoß einzuordnende unlautere geschäftliche Handlung zu erkennen ist, sind auch die geltend gemachten Folgeansprüche auf Auskunft, Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten unbegründet."

Auch wenn diese Entscheidung zu einigem Aufatmen bei Online-Shop-Betreibern führen dürfte, ist mit der Entscheidung des LG Düsseldorf das letzte Wort in der Problematik Wertersatz noch nicht gesprochen. Denn die Schlussfolgerungen des LG Düsseldorf sind vor dem Hintergrund der Messner-Entscheidung des EuGH keinesfalls zwingend. Vorrangig geht es nach dem EuGH darum, dass der Verbraucher durch eine generelle Wertersatzverpflichtung nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werden soll. Dies könnte jedoch auch bei der oben wiedergegebenen Klausel passieren, da sich aus dieser nicht eindeutig ergibt, unter welchen Voraussetzungen der Verbraucher mit der Geltendmachung etwaiger Wertersatzansprüche zu rechnen hat. Was genau ist etwa unter einer Prüfung, „wie Sie Ihnen im Ladengeschäft möglich gewesen wäre" zu verstehen? Ist eine solche Prüfung noch gegeben, wenn der Kunde, der Kontaktlinsen im Online-Handel bezogen hat, sich diese - wie Testlinsen im Ladengeschäft - ins Auge gesetzt hat? Was, wenn der Verbraucher einen Aufbewahrungsbehälter für Kontaktlinsen über Nacht in Gebrauch nimmt? Dies wäre ihm im Ladengeschäft nicht möglich gewesen, so dass eine Wertersatzpflicht in Betracht kommt? Die Unklarheiten über die Reichweite der Wertersatzpflicht führen dazu, dass dem Verbraucher im Ergebnis doch wieder eine generelle Wertersatzpflicht auferlegt wird und er - nach der Argumentation des EuGH in der Messner-Entscheidung - von der Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werden könnte.

Es bleibt abzuwarten, wie sich andere Gerichte zur Zulässigkeit der Wertersatzklausel positionieren werden. Auch nach der Entscheidung des LG Düsseldorf kann nicht bedenkenlos zur Verwendung der Wertersatzklausel geraten werden. Ein Abmahnrisiko bleibt bestehen.


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