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Online-Flugbuchung - Reiseschutz nicht erzwingbar

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Mittlerweile wird der Urlaub häufig nicht mehr über ein Reisebüro gebucht, sondern im Internet. Hierbei ist es wichtig, dass das jeweilige Buchungssystem transparent und für den Urlaubsbedürftigen verständlich ist, damit er am Ende keine unerwünschten Leistungen mitbucht, ohne es zu merken. Unzulässig wäre es daher, wenn der Website-Nutzer eine voreingestellte Option aktiv abwählen müsste. Doch ist auch das Anbieten mehrerer Optionen, von denen jedoch eine zwingend angeklickt werden muss, ebenfalls verboten?

Keine Häkchensetzung – keine Buchung

Die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. hielt einen Buchungsschritt im Rahmen des Buchungssystems eines Flugunternehmens für unzulässig: Nach dem Hinweis „Reiseschutz nicht vergessen – ohne kann es teuer werden“ wurde dem Buchenden eine Reiserücktrittsversicherung angeboten. Allerdings konnte man dieses Angebot nicht einfach ignorieren, da ansonsten der weitere Buchungsvorgang unterbrochen wurde. Um die Buchung tatsächlich vornehmen zu können, war der Urlaubswillige vielmehr gezwungen, sich mittels Häkchensetzung in der Checkbox für oder gegen die Versicherung („Ich verzichte auf einen Reiseschutz und trage im Schadensfall alle Kosten selbst.“) zu entscheiden.

Als sich das Flugunternehmen weigerte, diese Vorgehensweise zu ändern, zog die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. vor Gericht.

LG Frankfurt: Flugunternehmen baut „Drohkulisse“ auf

Zu Recht, wie das Landgericht (LG) Frankfurt am Main entschied. Es ist unzulässig, wenn ein Kunde sich durch aktives Handeln gegen eine unerwünschte Zusatzleistung entscheiden muss, sog. Opt-out-Verfahren.

In Art. 23 I 4 VO (EG) 1008/2008 (EU-Luftverkehrsdienste-Verordnung) wurde nämlich deutlich festgelegt, dass bei der Flugbuchung bereits zu Beginn des Buchungsvorganges unter anderem auf fakultative – also freiwillige – Zusatzkosten, wie für eine Reiserücktrittsversicherung, klar, deutlich sowie verständlich hingewiesen werden muss. Der Buchende kann dieses Angebot mittels des sog. Opt-in-Verfahrens annehmen. Die Annahme erfolgt danach durch aktives Handeln des Buchenden, mithin durch Häkchensetzung. Will er dagegen keine Zusatzleistung, kann er das Angebot ignorieren und die Buchung ohne die Zusatzleistung abschließen.

Im vorliegenden Fall musste der Kunde den Versicherungsschutz aber entweder gezielt annehmen oder ablehnen. Ein Ignorieren kam gar nicht infrage, da der Buchungsvorgang dann unterbrochen wurde, bis der Kunde eine Entscheidung für oder gegen den Versicherungsschutz getroffen hatte.

Im Übrigen bauen die Hinweise „Reiseschutz nicht vergessen – ohne kann es teuer werden“ und „Ich verzichte auf einen Reiseschutz und trage im Schadensfall alle Kosten selbst“ eine Drohkulisse auf. So sollen selbst die Kunden, die einen Versicherungsschutz eigentlich nicht brauchen oder wollen, zum Abschluss eines Vertrags gedrängt werden.

Fazit: Zwar entschieden sich die Kunden im Rahmen des strittigen Buchungssystems gezielt für oder gegen die Zusatzleistung – von einem freien Willensentschluss konnte aber aus den oben genannten Gründen dennoch nicht die Rede sein. Damit lag ein Verstoß gegen Art. 23 I 4 der EG-Verordnung Nr. 1008/2008 vor, weshalb das Flugunternehmen die Reiserücktrittsversicherung nicht mehr unter Anwendung des Opt-out-Verfahrens anbieten durfte (LG Frankfurt a. M., Urteil v. 22.01.2014, Az.: 2-06 O 379/13).

OLG Frankfurt: Das Anbieten mehrerer Optionen ist zulässig

Das Flugunternehmen legte gegen die Entscheidung des LG Frankfurt Berufung ein – und bekam vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt Recht.

Schließlich müssen sich die Urlaubswilligen vorliegend bewusst für oder gegen die Reiserücktrittsversicherung entscheiden, um den Buchungsvorgang fortsetzen zu können – sie haben also die Wahl und müssen aktiv ein Häkchen setzen. Dieses Vorgehen entspricht nicht dem „Opt-out“-Verfahren, sondern vielmehr dem zulässigen und laut der EU-Luftverkehrsdienste-Verordnung zu verwendenden „Opt-in“-System.

Damit werden die Website-Nutzer nicht gezwungen, das Zusatzangebot anzunehmen, nur um den Buchungsvorgang beenden zu können. Auch ist kein Häkchen vorausgewählt, sodass ferner keine Gefahr besteht, dass die Reiserücktrittsversicherung „aus Versehen“ mitgebucht wird. Im Übrigen werden beide Alternativen gleichermaßen klar und deutlich in der Checkbox aufgelistet – dass eine der Optionen übersehen wird, ist daher unwahrscheinlich.

Letztendlich verneinte das OLG Frankfurt auch eine unsachliche Beeinflussung des Buchenden. Zwar gerät er unter einen „gewissen Zeit- und Entscheidungsdruck“, wenn er sich im Rahmen des Buchungsvorgangs auch noch überlegen muss, ob er das Zusatzangebot annehmen möchte oder nicht. Überlegt er zu lange, könnte er überdies seinen Platz im Flieger an einen Dritten verlieren. Allerdings verneinte das OLG den Aufbau einer Drohkulisse. Einem verständigen Verbraucher ist schließlich klar, dass im Fall einer Stornierung bzw. des Reiseabbruchs weitere Kosten auf ihn zukommen werden. Daher wird er Hinweise – wie die in der Checkbox genannten – eher als Warnung verstehen, nicht als „Angstmache“. Es bleibt ihm stets selbst überlassen, ob er eine Reiserücktrittsversicherung benötigt bzw. über das Flugunternehmen mitbuchen möchte oder nicht.

(OLG Frankfurt, Urteil v. 09.04.2015, Az.: 6 U 33/14)

Fazit: Bietet ein Unternehmen im Rahmen eines Buchungsvorgangs eine Zusatzleistung an, darf die Annahme des Angebots nicht bereits durch Häkchensetzung voreingestellt sein. Allerdings ist es zulässig, wenn dem Buchenden mehrere Optionen zur Verfügung gestellt werden, zwischen denen er bewusst wählen kann bzw. muss.

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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