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Realsplitting: keine Unterhaltszahlung – keine Steuer?

  • 5 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Nach der dauerhaften Trennung bzw. Scheidung können Expartner nicht mehr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Möglich ist dann aber unter Umständen das sog. Realsplitting. Hier wird der Unterhalt von bis zu 13.805 Euro im Kalenderjahr auf Antrag beim Zahlungspflichtigen als Sonderausgabe behandelt, beim Geldempfänger dagegen als steuerpflichtiges sonstiges Einkommen. Oft vereinbaren die Expartner ferner, dass der Unterhaltspflichtige seinem Verflossenen die anfallende Steuer erstattet. Bleiben diese Zahlungen jedoch aus, stellt sich die Frage, ob der Unterhaltsberechtigte dann wenigstens einen Steuererlass verlangen kann.

Ex-Ehepaar vereinbart Realsplitting

Nach der Scheidung bat ein Mann seine Exfrau im Jahr 2011, ein Mal dem Realsplitting zuzustimmen. Die Frau füllte daraufhin die betreffende Anlage U aus, auf der deutlich zu lesen war, dass die Zustimmung auch für die Folgejahre gilt, sofern sie nicht rechtzeitig widerrufen wird. Letztlich erklärte sich der Mann in einem gerichtlichen Vergleich Anfang 2015 dazu bereit, seiner Exfrau die durch das Realsplitting anfallenden Steuern zu erstatten, sog. Nachteilsausgleich. Stattdessen wurde im August 2015 jedoch das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Mannes eröffnet, ohne dass die Frau jemals einen Nachteilsausgleich erhalten hatte.

Benachteiligung durch Realsplitting?

Nachdem sie von der Insolvenz des Mannes erfahren hatte, beantragte sie beim Finanzamt (FA) einen Steuererlass für die Jahre 2011 und 2012. Schließlich werde sie durch das Realsplitting benachteiligt – so habe sie entgegen der Zusagen ihres Exmannes in den genannten Jahren keinen Nachteilsausgleich erhalten. Sie sei jedoch hoch verschuldet. Müsse sie nun auch noch Steuern auf den Unterhalt zahlen, drohe ihr ebenfalls die Insolvenz. Sie habe daher ihre Zustimmung ausdrücklich von der Zahlung des Nachteilsausgleichs abhängig gemacht. Außerdem habe ihr Exmann versichert, das Realsplitting nur ein Mal zu nutzen.

Finanzamt gewährt keinen Steuererlass

Nach Ansicht des FA gab es keinen Grund für die Gewährung eines Steuererlasses. Die Frau habe auf der Anlage U deutlich nachlesen können, dass das Realsplitting ohne rechtzeitigen Widerruf auch für die Folgejahre gelte. Sie habe der Besteuerung der Unterhaltszahlungen wirksam zugestimmt – ob sie tatsächlich Anspruch auf Unterhalt habe bzw. diesen Anspruch gegenüber ihrem Exmann vor einem Zivilgericht durchsetzen könne, müsse aber in steuerrechtlicher Hinsicht nicht geklärt werden. Auf keinen Fall führe allein die Steuerschuld zur Insolvenz der Frau, sie habe schließlich viele verschiedene Gläubiger – ein Steuererlass sei deshalb ebenfalls nicht gerechtfertigt. Die Frau bestand jedoch auf einen Steuererlass und zog vor Gericht.

Müssen Unterhaltszahlungen stets versteuert werden?

Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg kam zu dem Ergebnis, dass das FA zu Recht keinen Steuererlass gewährt hat.

Grundsätzlich müssen Unterhaltszahlungen nicht versteuert werden, vgl. § 12 Nr. 2 Einkommensteuergesetz (EStG). Das gilt aber nicht, wenn die Noch- bzw. Ex-Eheleute nach § 10 Ia Nr. 1 EStG Realsplitting beantragt haben. Hier werden Unterhaltsleistungen von bis zu 13.805 Euro im Kalenderjahr beim Zahlenden als Sonderausgaben und beim Empfänger als sonstige Einkünfte nach § 22 EStG behandelt. Das gilt aber nur so lange, bis der Unterhaltsempfänger seine Zustimmung für das kommende Kalenderjahr rechtzeitig widerruft.

Zivilrecht vs. Steuerrecht?

Beim Realsplitting gibt es jedoch ein maßgebliches Problem: Zahlt der Unterhaltspflichtige keinen Unterhalt bzw. Nachteilsausgleich, ist es Aufgabe des Unterhaltsberechtigten, diesen zeitnah beim zuständigen Zivilgericht einzuklagen. Er trägt also das Risiko des Zahlungsausfalls. Probleme bei der Klärung bzw. Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen haben jedoch keine Auswirkung auf die Wirksamkeit der Zustimmung zum Realsplitting. Das FA muss also nicht überprüfen, ob der zu versteuernde Unterhalt gezahlt wurde oder durchsetzbar ist. Wurde die Zustimmung vielmehr wirksam erteilt, darf das FA den gezahlten Unterhalt versteuern.

Müssten die Finanzämter bzw. Finanzgerichte stets auch noch überprüfen, ob die zivilrechtlichen Ansprüche tatsächlich bestehen und durchsetzbar sind, würde ihr Arbeitsumfang immens zunehmen. Müsste dann – z. B. mangels Durchsetzbarkeit eines Anspruchs – ein Erlass gewährt werden, würde dies zu dem unannehmbaren Ergebnis führen, dass ein Teil des Einkommens des Unterhaltspflichtigen steuerfrei bliebe. 

Kein Steuererlass bei enttäuschtem Vertrauen in Expartner

Vorliegend war der Frau aus mehreren Gründen ein Steuererlass zu verweigern. So hatte sie wirksam ihre Zustimmung zum Realsplitting erteilt – allein deshalb durfte das FA die Steuer veranlagen. Das Argument, ihr Mann habe nur ein Mal das Realsplitting nutzen dürfen, führte nicht zur Unwirksamkeit ihrer Zustimmung. Denn auf der Anlage U war deutlich nachzulesen, dass die Zustimmung auch für die Folgejahre gilt, sofern sie nicht für das jeweilige Folgejahr widerrufen wird. Die Frau hätte also von sich aus tätig werden müssen und den Widerruf erklären können. Auch hätte sie ihren Exmann auf Zahlung von Unterhalt und des Nachteilsausgleichs verklagen können – der schließlich erst 2015 insolvent wurde.

Stattdessen hat sie auf die Versprechen ihres Exmannes vertraut und mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche zu lange gewartet. Darauf musste das FA aber keine Rücksicht nehmen. 

Rechtfertigt Existenzgefährdung einen Steuererlass?

Sofern die Steuererhebung unter anderem die persönliche bzw. wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen ernsthaft gefährden würde, kann das zuständige FA die Steuer erlassen. Davon ist aber unter anderem nicht auszugehen, wenn die Steuer gestundet bzw. in Raten beglichen werden kann, sich die finanzielle Situation des Steuerpflichtigen ohne den Erlass ohnehin nicht verbessern würde oder der Erlass nicht dem Steuerzahler, sondern vielmehr Dritten – z. B. seinen Gläubigern – zugutekommen würde.

Im vorliegenden Fall war die Frau zwar hoch verschuldet, sodass tatsächlich die Insolvenz drohte. Schuld daran war aber nicht allein die Steuererhebung durch das FA, sondern die Tatsache, dass die Frau diverse Gläubiger hatte, die sie nicht befriedigen konnte. Ein Steuererlass hätte ihr somit in finanzieller Hinsicht nichts gebracht – ihren Gläubigern dagegen schon. Das ist aber nicht Sinn und Zweck eines Steuererlasses. Der Frau war somit kein Steuererlass zu gewähren.

Fazit: Ein Steuererlass ist nur im Ausnahmefall möglich, z. B. wenn allein die Steuererhebung die persönliche bzw. wirtschaftliche Existenz des Betroffenen gefährden würde. Davon ist aber nicht auszugehen, wenn der Steuerpflichtige diverse Verbindlichkeiten nicht erfüllen kann – die Steuerlast also nur eine von vielen ist.

(FG Baden-Württemberg, Urteil v. 26.04.2017, Az.: 4 K 202/16)

(VOI)

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