Verlust der elterlichen Sorge durch Umgangsboykott?

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Das OLG Frankfurt hatte im Jahre 2000 folgenden Fall zu entscheiden (Beschluss vom 04.05.2000, 3 UF 146/99):

Die Eltern eines im Zeitpunkt der Entscheidung 5 Jahre alten Kindes stritten vor dem Amtsgericht sowohl um das Sorgerecht als auch um das Umgangsrecht des Vaters.

Das Amtsgericht hatte ein Sachverständigengutachten eingeholt und die Eltern sowie das Kind angehört, um der Mutter als Antragstellerin unter Beibehaltung des gemeinsamen Sorgerechts das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu übertragen und den Umgang des Kindes mit dem Antragsgegner zu regeln.

Beide Elternteile hatten gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt und jeweils die Alleinsorge angestrebt. Die Antragstellerin wollte zusätzlich aufgrund von Gewalterfahrungen mit dem Antragsgegner in der Ehe, das Umgangsrecht des Antragsgegners mit dem gemeinsamen Kind auf betreute Form beschränkt wissen.

Das Oberlandesgericht hatte bereits vorher im Wege vorläufiger Anordnung dem Vater das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen, weil die Mutter trotz Belehrung durch die Sachverständige und die erstinstanzliche Entscheidung dem Vater keinen Umgang mit dem Kind ermöglicht hatte, was auch in der Folgezeit nicht geschah.

In der Sache hatte nur die Beschwerde des Vaters Erfolg.

Gemäß § 1671 I BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge jeder Elternteil im Falle der Trennung die alleinige elterliche Sorge (ganz oder teilweise) beantragen. Dem ist gemäß § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

Das OLG bestätigte das Amtsgericht insoweit, als dass aufgrund des Sachverständigengutachtens im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung noch davon ausgegangen werden konnte, dass beide Elternteile zur Erziehung des Kindes gleichermaßen geeignet sind. 

Dass deswegen das gemeinsame Sorgerecht angezeigt sei, sei jedoch von der Kindesmutter durch ihre eigene Verweigerungshaltung den Umgang betreffend widerlegt, zudem dadurch, dass sie eine Kommunikationsmöglichkeit mit dem Antragsgegner in Erziehungsfragen überhaupt nicht sehe. Aus diesem Grunde war das Sorgerecht zur alleinigen Ausübung auf den Kindesvater zu übertragen.

Diese Rechtsfolge hatte bereits die Sachverständige infolge der herausgearbeiteten Persönlichkeitsstruktur in den Raum gestellt.

Dass die Kindesmutter trotz dieses deutlichen Hinweises und trotz anschließender Umgangsregelung des Familiengerichts gleichwohl jedwede Kontaktversuche des Vaters zu dem Kind beharrlich mit Erfolg ausgehebelt habe, führe zu dem Schluss, dass die Mutter als nicht so gut erziehungsgeeignet wie der Vater anzusehen sei. Es sei anerkannt, dass die Verhinderung des Umgangsrechts mit dem anderen Elternteil einen Grund darstellen kann, die Erziehungseignung des betreuenden Elternteils zu verneinen, der die Verpflichtung hat, auf die Pflege der Umgangskontakte des Kindes mit dem anderen Elternteil aktiv hinzuwirken. 

Einen stichhaltigen Grund für diese Haltung habe die Mutter nicht angeführt. Auch wenn der Antragsgegner ihr gegenüber während der Ehe gewalttätig geworden sein mag, so rechtfertige dies nicht, das Kind vom Vater fernzuhalten. Zu ihren Lasten berücksichtigt hatte das OLG zudem den Umstand, dass sie gegenüber der Sachverständigen erklärt hatte, Umgang zuzulassen, diese Ankündigung aber ein bloßes Lippenbekenntnis blieb.

Auch dass die Mutter aufgrund ihrer neuerlichen Schwangerschaft und der Absicht, mit dem Vater dieses Kindes eine Lebensgemeinschaft zu begründen, meinte, besser als ihr Noch-Ehemann zur Erziehung des Kindes geeignet zu sein, kompensiere das Defizit in ihrer Erziehungshaltung nicht, so das OLG. Vielmehr sei zu befürchten, dass nach ihrer Vorstellung diese neue Familie Ersatz für den leiblichen Vater darstellen soll. 

Fazit:

Ein weitere, wenn auch etwas ältere Entscheidung, mit der mangelnde Bindungstoleranz eines Elternteils durch Komplettverlust der elterlichen Sorge an den anderen sanktioniert wurde. Leider jedoch legen die Instanzengerichte aus hiesiger Sicht in dieser Frage meist noch zu viel Zurückhaltung an den Tag. Eine Änderung der Rechtsprechungspraxis wäre hier durchaus wünschenswert.


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