Vertragslückenprüfung ade? – EuGH zum Rückgriff auf dispositives Recht bei unwirksamen AGB

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Gesetzliche Regelung wenn BGB-Klausel unwirksam?

Entsteht durch eine unwirksame AGB-Klausel eine Vertragslücke, werden zur Schließung dieser Lücke die geltenden gesetzlichen Vorschriften herangezogen (sog. dispositives Recht). Das dispositive Recht schafft gerechte Rahmenbedingungen für den Fall, dass die Vertragsparteien ein Problem nicht geregelt haben oder sich eine getroffene Vereinbarung im Nachhinein als unwirksam erweist. Schränkt bspw. eine AGB-Klausel die Haftung des Klauselverwenders unverhältnismäßig ein, sind ersatzweise die allgemeinen Regeln des BGB maßgebend. Dem dispositiven Recht kommt also grundsätzlich eine Ergänzungsfunktion zu. Der EuGH hat erst kürzlich in einer Reihe von Entscheidungen angedeutet, dass diesem Grundsatz insbesondere bei Fällen, die im Anwendungsbereich der Klausel-Richtlinie liegen, enge Grenzen gesetzt sein können.

Vertragslückenprüfung nur bei Nichtigkeit

In dem Verfahren Kásler (EuGH, C-26/13) hatte der EuGH noch entschieden, dass ein Rückgriff auf dispositives Recht als Ersatz für unwirksame AGB „voll und ganz gerechtfertigt“ sei. In folgenden Verfahren stellte der EuGH hierzu jedoch strengere Anforderungen auf und lehnte insbesondere in seiner Entscheidung zu dem niederländischen Finanzdienstleister Dexia (EuGH, C 229/19 und C 289/19) den Rückgriff auf dispositives Recht bei unwirksamen AGB erstmals ab. Die Vertragslückenfüllung durch dispositives Recht sei nur noch dann zulässig, wenn das nationale Gericht andernfalls gezwungen wäre, „den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären“, was besonders nachteilige Folgen für den Kunden nach sich ziehen könnte. Wann jedoch dieser Ausnahmefall vorliegt, ist im Einzelnen unklar.

Besserstellung durch Anwendung von dispositiven Recht

Dass das dispositive Recht nachteiliger ist als die unwirksame AGB-Klausel ist weitgehend nur in komplexen Vertragskonstrukten wahrscheinlich, deren Vorteilhaftigkeit oder Nachteiligkeit bspw. von zukünftigen Entwicklungen am Finanzmarkt abhängt. Tendenziell wird der Bankkunde durch die Heranziehung dispositiven Rechts bei Vertragslücken bessergestellt, sodass der Rückgriff in solchen Fällen weiterhin möglich bliebe.



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