Warum ist sie so gefährlich? Abmahnung wegen fehlendem oder falschem Grundpreis

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Einer der häufigsten Abmahnthemen in unserer Beratungspraxis ist eine Abmahnung wegen einem fehlenden oder falschen Grundpreis. Ich möchte Ihnen in diesem Beitrag erläutern, warum eine Abmahnung wegen einem Grundpreis so ein großes Problem darstellt.

Wann muss ein Grundpreis angegeben werden?

Die Verpflichtung zur Grundpreisangabe ergibt sich aus der Preisangabenverordnung (PAngV). § 4 Abs. 1 PAngV regelt, dass ein Grundpreis angegeben werden muss in Fertigpackungen, offenen Packungen oder als Verkaufseinheiten ohne Umhüllung, die nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche angeboten werden. Wir ein derartiges Produkt unter Angabe eines Preises beworben, muss neben dem Gesamtpreis auch der Grundpreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar angegeben werden.

In der Praxis bedeutet dies, dass überall dort, wo ein grundpreispflichtiges Produkt mit einem Preis beworben wird, in räumlicher Nähe auch der Grundpreis anzugeben ist. Die räumliche Nähe des Grundpreises zum Preis ist für die praktische Darstellung im Internet durchaus wichtig. Der Bundesgerichtshof (BGH „Grundpreisangabe im Internet“, Az: I ZR 79/21) hatte dies in einem Urteil vom 19.05.2022 klargestellt. Streitig war, ob die konkreten räumlichen Vorgaben aus der Preisangabenverordnung gegen eine EU-Richtlinie verstoßen, was der BGH nicht so sah. Wir von Internetrecht-Rostock.de hatten in diesem Verfahren in der I. und II. Instanz (die dies noch anders gesehen hatten) den Beklagten vertreten.

Auf die Angabe des Grundpreises kann im Übrigen verzichtet werden, wenn dieser mit dem Gesamtpreis identisch ist. In der Praxis bedeutet dies, wenn z. B. 1 Liter Flüssigkeit angeboten wird, ist der Endpreis identisch mit dem Grundpreis.

Die Formulierung aus der Preisangabenverordnung „nach Gewicht, Volumen, Länge oder Fläche“ kann in der Praxis durchaus eine Rolle spielen, wenn eine gewichtsbezogene oder volumenbezogene Angabe nicht zwangsläufig üblich ist. Es macht durchaus einen Unterschied, ob 200 Schrauben angeboten werden oder 2 kg Schreiben. Im letzteren Fall müsste ein Grundpreis angegeben werden. Auf der anderen Seite muss z. B. bei Lebensmitteln immer die Füllmenge (in der Regel Volumen oder Gewicht) angegeben werden, so dass es nicht weiterhilft, diese Einheit im Angebot einfach wegzulassen.

Ausnahmen

§ 4 Abs. 3 Preisangabenverordnung regelt Ausnahmen, bei denen ein Grundpreis nicht anzugeben ist:

  • Waren, die über ein Nenngewicht oder Nennvolumen von weniger als 10 Gramm oder 10 Milliliter verfügen;
  •  Waren, die verschiedenartige Erzeugnisse enthalten, die nicht miteinander vermischt oder vermengt sind;
  •  Waren, die von kleinen Direktvermarktern, insbesondere Hofläden, Winzerbetrieben oder Imkern, sowie kleinen Einzelhandelsgeschäften, insbesondere Kiosken, mobilen Verkaufsstellen oder Ständen auf Märkten oder Volksfesten, angeboten werden, bei denen die Warenausgabe überwiegend im Wege der Bedienung erfolgt, es sei denn, dass das Warensortiment im Rahmen eines Vertriebssystems bezogen wird;
  • Waren, die im Rahmen einer Dienstleistung angeboten werden;
  • Waren, die in Getränke- und Verpflegungsautomaten angeboten werden;
  • Kau- und Schnupftabak mit einem Nenngewicht bis 25 Gramm;
  • kosmetische Mittel, die ausschließlich der Färbung oder Verschönerung der Haut, des Haares oder der Nägel dienen;
  • Parfüms und parfümierte Duftwässer, die mindestens 3 Volumenprozent Duftöl und mindestens 70 Volumenprozent reinen Ethylalkohol enthalten.

Kosmetische Mittel, die ausschließlich der Färbung oder Verschönerung des Haares oder der Nägel dienen, sind im Übrigen nur dann gegeben, wenn diese Eigenschaften auch vorhanden sind. Ein medizinisches Mittel gegen Nagelpilz dient nicht der Verschönerung und ist somit nach der Rechtsprechung grundpreispflichtig. Bei Parfüms muss die Voraussetzung gegeben sein, dass mindestens 3 Vol% Duftöl enthalten sind, was heutzutage wohl eher selten ist.

Ebenso komplex ist die Frage, wann auf eine Grundpreisangabe verzichtet werden kann, wenn verschiedenartige Erzeugnisse im Angebot enthalten sind, die nicht miteinander vermischt oder vermengt sind. Dies ist insbesondere dann nicht ganz einfach zu beurteilen, wenn ein grundpreispflichtiges Produkt zusammen mit einem nicht grundpreispflichtigen Produkt, z. B. ein Set, angeboten wird.

Neu seit 23.05.2022: Grundpreiseinheit nur noch 1 kg und 1 l

Der Grundpreis muss nicht nur in räumlicher Nähe zum Preis dargestellt werden und rechnerisch richtig sein. Auch die Mengeneinheit für den Grundpreis gem. § 5 Abs. 1 Preisangabenverordnung muss stimmen. Die frühere Sonderregelung, dass ein Grundpreis auch mit 100 ml oder 100 g angegeben werden kann, ist entfallen. Der Grundpreis muss zwingend auf 1 kg oder 1 l berechnet werden.

Wer darf fehlende oder falsche Grundpreise abmahnen?

Im Dezember 2020 hat sich das Wettbewerbsrecht (UWG) durch eine Gesetzesnovelle geändert. Der Gesetzgeber wollte insbesondere rechtsmissbräuchliche Massenabmahnungen von Wettbewerbern verhindern. Folge der Gesetzesänderung ist, dass Verstöße gegen Informationspflichten im Internet zwar noch abgemahnt werden können, jedoch nur relativ zahnlos: Es dürfen keine Abmahnkosten geltend gemacht werden, bei einem erstmaligen Verstoß darf zudem keine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe gefordert werden. Folge ist, dass es kaum noch Abmahnungen wegen eines fehlenden oder falschen Grundpreises von Wettbewerbern gibt.

In diese Bresche sind die sogenannten Abmahnvereine gesprungen, die auch weiterhin einen fehlenden oder falschen Grundpreis mit Abmahnkosten abmahnen können. Ferner dürfen diese sogenannten rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbstständiger beruflicher Interessen oder Verbraucherschutzverbände auch eine Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafe fordern. Abmahnungen zum Thema fehlender Grundpreis sind uns aus der Beratungspraxis insbesondere vom Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln e. V. (VgU), dem Verband Sozialer Wettbewerb e. V. (VSW) und von dem Verbraucherschutzverband Deutscher Konsumentenbund e. V. bekannt.

Eine derartige Abmahnung kostet ca. bis zu 350,00 Euro.

Warum ist eine Abmahnung insbesondere von einem Abmahnverein wegen einem fehlenden Grundpreis ein großes Problem?


Da es in erster Linie die Abmahnvereine sind, die einen fehlenden Grundpreis abmahnen, stellen wir immer wieder fest, dass es existenzbedrohende Probleme geben kann, wenn ohne vorherige anwaltliche Beratung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben wird. Nach unserer Erfahrung ist es so, dass die Abgemahnten zunächst auf die geltend gemachten Abmahnkosten schauen. Diese sind im Vergleich zu einer Abmahnung eines Wettbewerbers, die durch einen Rechtsanwalt ausgesprochen werden, relativ gering. Übersehen wird jedoch, dass die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung genauso weitreichend ist.

Konkret wird eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gefordert: Der abgemahnte Händler soll auf der einen Seite sich verpflichten, es zu unterlassen, grundpreispflichtige Produkte ohne Angabe eines Grundpreises anzubieten. Auf der anderen Seite ist eine entsprechende Unterlassungserklärung nur dann ausreichend, wenn für den Fall der Zuwiderhandlung die Zahlung einer Vertragsstrafe eingeräumt wird. Eine einmal abgegebene Unterlassungserklärung ist sehr lange wirksam. Bis auf wenige Ausnahmen ist es kaum möglich, aus einer abgegebenen Unterlassungserklärung wieder herauszukommen. Die Motivation des abmahnenden Verbandes eine abgegebene Unterlassungserklärung zu überprüfen ist hoch: Die geltend gemachte Vertragsstrafe bessert die Finanzen des Abmahnvereins ganz erheblich auf. Man muss nur lang genug suchen, bis man einen Fehler findet.

Reichweite der Unterlassungserklärung

Häufig, so unsere Erfahrung, wird übersehen, welche Reichweite eine geforderte Unterlassungserklärung hat: Abgemahnt wird in der Regel eins oder mehrere ganz konkrete Produkte. Die geforderte Unterlassungserklärung bezieht sich jedoch entweder ganz grundsätzlich auf grundpreispflichtige Waren oder auf Waren in einer bestimmten Branche, wie z. B. Lebensmittel, Getränke oder Spirituosen. Wer wegen des Angebotes eines Lebensmittels ohne Grundpreisangabe z. B. abgemahnt wurde, bietet in der Regel viele oder ggf. sogar ausschließlich Lebensmittel an. Gleiches gilt für Getränke aller Art oder Bastel- und Bürobedarf. In quasi jedem Angebot, das aus der gleichen Branche kommt (z. B. Lebensmittel oder Getränke) ist somit eine Grundpreisangabe verpflichtend. Die Gefahr, dass es an irgendeiner Stelle einen Fehler gibt, ist außerordentlich hoch.

Hinzukommt, dass ja nicht nur ein Grundpreis an sich dargestellt werden muss. Der Grundpreis muss auch rechnerisch richtig sein, in der richtigen Einheit dargestellt werden und zudem in räumlicher Nähe zum Preis.

Die Reichweite der Unterlassungserklärung ist jedoch noch weiter:

Unterlassungserklärung gilt für alle Plattformen und Werbeformen, die genutzt werden.

Ebenfalls häufig übersehen wird, dass die Unterlassungserklärung nicht nur für alle Produkte der Branche gilt (je nachdem, wie diese formuliert ist), sondern auch für alle Angebote, egal auf welcher Plattform diese veröffentlicht werden. Wer z. B. wegen eines Fehlers in einem Internetshop abgemahnt wurde, muss auch z. B. bei eBay oder Amazon darauf achten, dass die Grundpreisangabe vorhanden und korrekt ist. Auch bei einer Werbung von grundpreispflichtigen Produkten unter Angabe eines Preises, sei es bei Google oder in sozialen Netzwerken, muss ein Grundpreis angegeben werden.

Abmahnung wegen fehlendem Grundpreis erhalten – was tun?

Wenn Sie eine Abmahnung wegen eines fehlenden oder falschen Grundpreises erhalten haben, gibt es zwei wichtige Aspekte zu beachten:

Zunächst sollte natürlich geklärt werden, ob die Abmahnung berechtigt ist. Im nächsten Schritt sollte geprüft werden, wo überall grundpreispflichtige Produkte angeboten werden und ob die Darstellung eines Grundpreises dort überhaupt möglich ist.

Es gibt eine bessere Alternative statt der Abgabe einer Unterlassungserklärung. Diese lässt sich im Übrigen in der Regel nicht wirksam so modifizieren, dass eine Beschränkung auf eine Plattform oder ein bestimmtes Produkt möglich ist.

Genaueres bespreche ich mit Ihnen gern im Rahmen einer konkreten Beratung.

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de tagtäglich Abgemahnte wie Sie und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch. Im Rahmen meiner Beratung erörtere ich mit Ihnen die Rechtslage und die verschiedenen Handlungsalternativen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen. Selbstverständlich erhalten Sie von mir auch konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen.  

Sie haben auch eine Abmahnung wegen Grundpreisen erhalten?

Wenn Sie auch eine Abmahnung wegen einem fehlenden oder falschen Grundpreis erhalten haben, können Sie sich über die angegebenen Kontaktdaten unkompliziert mit mir in Verbindung setzen:

  • Rufen Sie mich einfach an (Tel. 0381-260 567 30).
  • Schicken Sie mir eine E-Mail (rostock@internetrecht-rostock).
  • Oder lassen Sie mir über die Funktion „Nachricht senden“ eine Mitteilung zukommen.

Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz



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