§ 188 StGB: Darf ich Politiker noch kritisieren? Beleidigung oder Meinungsfreiheit? Tipps vom Fachanwalt
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In politischen Debatten und öffentlichen Auseinandersetzungen kommt es häufig zu zugespitzten, provokanten und emotional aufgeladenen Aussagen. Besonders in den sozialen Medien werden Politikerinnen und Politiker oftmals Zielscheibe harscher Kritik, Spott und Beleidigungen. Doch wo liegt die Grenze zwischen zulässiger Meinungsäußerung und strafbarer Ehrverletzung? Diese Frage ist nicht nur für Betroffene von Interesse, sondern auch für all jene, die sich aktiv in politische Diskussionen einbringen und dabei ihre Worte bewusst wählen möchten. Denn was im Schutz der Meinungsfreiheit gesagt werden darf, ist nicht grenzenlos – und bei Überschreitung drohen strafrechtliche Konsequenzen, insbesondere nach § 188 StGB.
Politikerinnen und Politiker genießen in Deutschland einen besonderen strafrechtlichen Ehrenschutz. § 188 Strafgesetzbuch stellt Beleidigungen, üble Nachreden und Verleumdungen unter eine schärfere Strafandrohung, wenn sie sich gegen Personen des politischen Lebens richten. Ziel der Regelung ist es, das demokratische Gemeinwesen zu schützen, indem Personen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, nicht durch ehrverletzende Angriffe in ihrer Arbeit beeinträchtigt oder gar eingeschüchtert werden. Besonders im Fokus stehen dabei Angriffe, die über die bloße Kritik hinausgehen und bewusst auf Diffamierung, Verächtlichmachung oder Herabwürdigung zielen.
Der Schutz des § 188 StGB gilt nicht nur für aktive Mandatsträger, sondern für alle Personen, die in erheblichem Maße am politischen Meinungsbildungsprozess teilnehmen. Dazu zählen neben Bundestags- und Landtagsabgeordneten auch Mitglieder kommunaler Vertretungen, Ministerinnen und Minister, Parteivorsitzende sowie Funktionsträger in politischen Organisationen. Auch Politiker auf Landes- oder kommunaler Ebene können sich auf diesen besonderen Schutz berufen, wenn sie aufgrund ihrer politischen Stellung Ziel öffentlicher Beleidigungen werden.
Gleichzeitig ist die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes ein hohes Gut. Sie schützt auch pointierte, polemische oder überzogene Kritik – gerade im politischen Meinungskampf. Nicht jede drastische Äußerung stellt automatisch eine strafbare Beleidigung dar. Entscheidend ist stets, ob eine Aussage noch vom sachlichen Kern der Auseinandersetzung gedeckt ist oder ob sie in den Bereich der sogenannten Schmähkritik abgleitet. Schmähkritik liegt dann vor, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern allein die Herabwürdigung der Person im Vordergrund steht. Auch Äußerungen, die bewusst diffamierend oder ehrverletzend formuliert sind und keine sachliche Grundlage haben, können strafrechtlich relevant sein.
Die Gerichte legen bei der Abgrenzung zwischen erlaubter Kritik und strafbarer Beleidigung stets einen engen Maßstab an, prüfen aber immer den konkreten Einzelfall. Kontext, Medium, Reichweite und die Zielsetzung der Aussage sind entscheidende Faktoren. Das zeigt auch ein aktuelles Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts aus dem März 2025. Dort hatte ein Demonstrant während einer Kundgebung Bundeskanzler Olaf Scholz als „Volksschädling“ bezeichnet. Die Staatsanwaltschaft klagte wegen Beleidigung nach § 188 StGB. Das Gericht entschied jedoch, dass diese Äußerung im konkreten Kontext – eine kleine Versammlung mit rund 100 Teilnehmern – nicht geeignet war, das öffentliche Wirken des Kanzlers nachhaltig zu beeinträchtigen. Es erkannte daher keine Strafbarkeit an.
Das Urteil zeigt, dass selbst drastische Äußerungen in einem politischen Kontext unter Umständen noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein können. Es verdeutlicht aber auch, dass es auf die Umstände ankommt: In einem anderen Rahmen, etwa bei Äußerungen in sozialen Netzwerken mit hoher Reichweite oder in den Massenmedien, hätte dieselbe Aussage womöglich strafrechtliche Relevanz entfalten können. Die Bewertung ist also stets eine Einzelfallentscheidung, bei der viele Faktoren in Betracht gezogen werden.
Für Bürgerinnen und Bürger bedeutet das: Wer Politiker öffentlich kritisiert, sollte genau abwägen, wie er sich äußert. Kritik ist erlaubt – auch scharf und zugespitzt. Beleidigungen, Diffamierungen oder persönlich herabwürdigende Aussagen hingegen können strafrechtliche Folgen haben. Dies gilt insbesondere bei Veröffentlichung im Internet, etwa über Twitter, Facebook, YouTube oder Blogs. Dort können Aussagen in kurzer Zeit ein großes Publikum erreichen – und genau das ist es, was § 188 StGB in besonderer Weise adressiert: Angriffe auf das politische Wirken durch öffentliche Herabwürdigung.
Sollten Sie mit dem Vorwurf konfrontiert sein, eine Politikerin oder einen Politiker beleidigt zu haben, ist anwaltlicher Beistand dringend zu empfehlen. Schon im Ermittlungsverfahren ist es wichtig, die richtige Verteidigungsstrategie zu wählen, um die Grenzen zwischen zulässiger Meinungsäußerung und strafbarer Beleidigung rechtlich sauber zu ziehen. Hierbei ist es nicht nur entscheidend, was gesagt wurde, sondern auch, wie, wo und in welchem Kontext. Ein erfahrener Strafverteidiger kann prüfen, ob der Tatbestand überhaupt erfüllt ist und ob möglicherweise die Meinungsfreiheit Vorrang hat.
Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel ist Fachanwalt für Strafrecht mit besonderer Expertise im Bereich der Meinungsäußerungsdelikte und politischen Strafverfahren. Er berät und verteidigt Mandanten bundesweit – mit Kanzleistandorten in Cottbus, Berlin und Kiel. Durch seine langjährige Erfahrung in der strafrechtlichen Verteidigung ist er mit den Besonderheiten dieser Fälle bestens vertraut. Er entwickelt für Sie eine individuelle Verteidigungsstrategie, sorgt für Akteneinsicht und vertritt Sie sowohl im Ermittlungsverfahren als auch vor Gericht.
Dr. Maik Bunzel steht Ihnen jederzeit zur Seite – kompetent, diskret und engagiert. Wenn Sie eine Vorladung erhalten haben, eine Anzeige gegen Sie läuft oder Sie sich rechtlich absichern möchten, können Sie ihn direkt kontaktieren. Sie erreichen Rechtsanwalt Dr. Maik Bunzel unter der Telefonnummer 0151 21 778 788. Eine Kontaktaufnahme ist auch über WhatsApp oder das Kontaktformular auf dieser Seite möglich. Das erste Orientierungsgespräch ist kostenlos und hilft Ihnen, Ihre rechtliche Lage besser einzuschätzen und die nächsten Schritte zu planen. Lassen Sie sich frühzeitig beraten – Ihre Rechte verdienen professionellen Schutz.
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