Arbeitsgericht: Kündigung von Betriebsräten, die Datenmissbrauch begehen, gerechtfertigt

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Betriebsräte, denen Datenmissbrauch nachgewiesen werden kann, dürfen auf wenig Milde bei den Arbeitsgerichten in Deutschland hoffen. Fristlose Kündigungen der Arbeitgeber gegen Betriebsräte wegen Datenmissbrauch werden grundsätzlich als wirksam erklärt. Das belegt eine Analyse der Jahre 2020 bis 2023. Die Analyse beruht auf Auswertungen von Beck-Online.de, Zeitschrift für Datenschutz ( ZD ) sowie dejure.org, und openjur.de.

LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.03.2022, 7 Sa 63/21

Ein Beispiel dafür ist ein freigestelltes Betriebsratsmitglied, der im September 1997 bei der Robert Bosch GmbH als Entwicklungsingenieur am Standort Feuerbach beschäftigt war. Seit 2006 war er Mitglied des Betriebsrats, seit 2014 freigestelltes Betriebsratsmitglied. Zu diesem Fall heißt es in der Medienmitteilung vom 25.März 2022, Baden-Württemberg, Landesarbeitsgericht der Präsident, wie folgt:

„Wer im Rahmen eines von ihm angestrengten Gerichtsverfahrens bestimmte Schriftsätze der Gegenseite, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines zur Verfügung gestellten Links offenlegt und dadurch auch die Weiterverbreitungsmöglichkeit eröffnet, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen mit der Folge, dass vorliegend die außerordentliche Kündigung der Beklagten gerechtfertigt ist. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen des Klägers lag jedenfalls insofern nicht vor, als die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts am Tage der Zurverfügungstellung des Links noch nicht vorlagen und dem Kläger auch noch die Möglichkeit offenstand, gegen das Urteil das Rechtsmittel der Berufung einzulegen, um in diesem Verfahren seinen Standpunkt darzulegen, so: LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.03.2022, 7 Sa 63/21“

Bei openJur 2022, 10404,  Fundstelle, https://openjur.de/u/2396640.html heißt es zu diesem Fall des LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.03.2022, 7 Sa 63/21, wie folgt:

„Datenschutzrecht Arbeitsrecht

1. Die in einem gerichtlichen Verfahren von den Parteien gefertigten und zur Gerichtsakte eingereichten Schriftsätze sind zweckbestimmt. Sie sind gerichtsöffentlich, nicht aber für die Allgemeinheit oder die Betriebsöffentlichkeit bestimmt.

2. Wer solche Schriftsätze, in denen Daten, insbesondere auch besondere Kategorien personenbezogener Daten (Gesundheitsdaten), verarbeitet werden, bewusst und gewollt der Betriebsöffentlichkeit durch die Verwendung eines durch eine E-Mail zur Verfügung gestellten Links offenlegt und darüber hinaus den Adressatenkreis auffordert, die Weiterverbreitung der verlinkten E-Mail zu veranlassen, ohne dafür einen rechtfertigenden Grund zu haben, verletzt rechtswidrig und schuldhaft Persönlichkeitsrechte der in diesen Schriftsätzen namentlich benannten Personen.

3. Eine solche Verhaltensweise ist geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.“

Arbeitsgericht Iserlohn: Auflösung des gesamten Betriebsrats wegen massiver Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen.

Laut Arbeitsgericht Iserlohn war sogar der – gesamte Betriebsrat – wegen seiner massiven Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen aufzulösen.

Das ArbG Iserlohn, Beschluss vom 14.1.2020 – 2 BV 5/19 stellt wie folgt klar: Quelle: Zeitschrift für Datenschutz ( ZD ) 2020, 595, beck-online.de

„Ein Betriebsrat ist nicht berechtigt, …Firmeninterna, vollständige Namenslisten aller Arbeitnehmer und weitere personenbezogene Daten von Arbeitnehmern, einschließlich Gesundheitsdaten, und insgesamt Daten in einem Umfang von 150 MB bzw. mehr als 900 Seiten externen Dritten (hier: Prozessbevollmächtigte der klagenden Arbeitnehmer) zur Verfügung zu stellen. Ein derartiger Verstoß gegen Datenschutzbestimmungen rechtfertigt als grobe Pflichtverletzung die gerichtliche Auflösung des Betriebsrats.“

„Am 13.12.2018 versandte der Betriebsratsvorsitzende folgende E-Mail mit entsprechenden Anlagen: „Sehr geehrte Damen und Herren, zu den ihren Kanzleien anhängigen Kündigungsschutzverfahren hat der Betriebsrat mittlerweile etliche Unterlagen sammeln können. Diese sind sehr umfangreich und aus unserer Sicht nicht ohne Kommentar oder Anleitung nutzbar. Außerdem hat der komplette Ordner eine Dateigröße von mehr als 150 MB und würde jeden Mail-Server sprengen. Wir haben uns daher die Mühe gemacht ein Verzeichnis der Ordnerstruktur anzulegen und übersenden Ihnen dieses Dokument als Anlage. Den Schwerpunkt der Klagen würden wir, wie schon in den jeweiligen Stellungnahmen des Betriebsrats zu den Kündigungen genannt, auf ein Betriebs- zumindest aber Teilbetriebsübergang, stützen. Dazu haben wir etliche Unterlagen gesammelt ... Um für unsere Kolleginnen und Kollegen das Bestmögliche zu erreichen stehen wir weiterhin für alle Anfragen und Informationen zur Verfügung. Bitte nutzen Sie zu den Anfragen diese Mail-Adresse. Eventuell käme ja auch ein gemeinsamer Termin zur Abstimmung/Informationsaustausch in Frage. Zu einem solchen erwarten wir gerne Ihre Vorschläge oder Stellungnahmen. Viele Grüße, L Betriebsratsvorsitzender.“

„Den Empfängern dieser E-Mail wurde zudem ein Link zur Verfügung gestellt, und sobald man diesen aufrief, hatte man die Möglichkeit, den kompletten Ordner mit einer Dateigröße von mehr als 150 MB ohne einen Passwortschutz herunterzuladen. Der entsprechende Ordner mit den Dateien war in einer Cloud gespeichert. Die Arbeitgeberinnen haben den Antrag gestellt, den Betriebsrat aufzulösen.“

Amtsenthebung des Betriebsrats immer dann, wenn eine grobe Verletzung seiner gesetzlichen Pflichten vorliegt

ArbG Iserlohn: „Nach der Rspr. des BAG (vgl. z.B. BAG B. v. 22.6.1993 – 1 ABR 62/92) kommt eine Auflösung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 S. 1 BetrVG in Betracht, wenn dieser grob gegen seine Pflichten aus dem BetrVG verstoßen hat, sodass unter Berücksichtigung aller Umstände die weitere Amtsführung des Betriebsrats untragbar erscheint. Ein Verschulden des Betriebsrats ist dabei nicht erforderlich.

Als grobe Pflichtverletzungen kommen insb. die grundsätzliche Missachtung der Gebote des § 2 Abs. 1 BetrVG im Hinblick auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (ArbG Krefeld B. v. 6.2.1995 – 4 BV 34/94; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, 29. Aufl. 2018, BetrVG § 23 Rn. 37) und die Weitergabe vertraulicher Vorgänge und Daten an Dritte (ErfK/Koch, 20. Aufl. 2020, BetrVG § 23 Rn. 5) in Betracht.“

Zurverfügungstellung von mehr als 150 MB an Daten, unter anderem in Form von Abschriften von E-Mails, Schriftsätzen, Kalenderauszügen, behördlichen Bescheiden, Rechnungen, Konzeptzeichnungen, Urlaubsanträgen, Vertragstexten usw. sind massive Verstöße gegen die Datenschutzbestimmungen, Quelle: Zeitschrift für Datenschutz ( ZD ) 2020, 595, beck-online.de

Arbeitsgericht Iserlohn: „Sammlung und Zurverfügungstellung von mehr als 150 MB an Daten“ stellen „nach Auffassung der Kammer offensichtlich massive Verstöße gegen Datenschutzbestimmungen, gegen den Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit und eine massive Überschreitung der dem Betriebsrat nach dem BetrVG eingeräumten Kompetenzen dar. Bereits das methodische Vorgehen hinsichtlich der Sammlung von Daten in einem beispiellosen Umfang und in einer systematischen Art und Weise stellen sich nach Auffassung der Kammer als Handlungen dar, die eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Beteiligten als nicht mehr möglich erscheinen lassen. Das systematische Vorgehen wird bereits durch die sechs Seiten umfassende Darstellung der Ordnerstruktur in der dort angegebenen Version v. 10.4.2019 verdeutlicht. Die gesammelten Unterlagen wurden hierbei den dort gebildeten Kategorien „Betriebsübergang“, „Konsultationsverfahren“; „IA“, „SP“, „alte Ansprüche“ und „Presse“ zugeordnet. Insoweit erfolgt allerdings nicht bloß eine entsprechende Einteilung der Dokumente, sondern es folgen Rechtsausführungen und Kommentierungen…Es folgen sodann die entsprechenden Unterlagen mit einem Umfang von 921 Seiten. Die Tatsache, dass die Unterlagen kategorisiert und nummeriert worden sind, zeigt, dass hier in einem größeren zeitlichen Umfang mit vielen Stunden an entsprechender Arbeit systematisch gehandelt wurde, wobei der konkrete Inhalt der einzelnen Unterlagen im Einzelnen vor dem Hintergrund der Kategorisierung offensichtlich analysiert worden ist. Auch dürfte es sich vielfach, soweit nicht im Hinblick auf einzelne Unterlagen konkret etwas anderes behauptet wird, um Unterlagen handeln, die dem Betriebsrat bzw. dem Betriebsratsvorsitzenden i.R.d. Verrichtung seiner Betriebsratstätigkeiten zur Kenntnis gelangt worden sein dürften. Bereits hierbei handelt es sich ... um ein beispielloses Vorgehen eines Betriebsrats.“ Quelle: Zeitschrift für Datenschutz ( ZD ) 2020, 595, beck-online.de

Arbeitsgericht Iserlohn: Das gesamte BetrVG sieht an keiner Stelle vor, dass ein Betriebsrat bzw. ein Betriebsratsmitglied über einen längeren Zeitraum von mindestens mehreren Monaten Unterlagen sammelt, analysiert, kategorisiert und im Anschluss Dritten zur Verfügung stellt.

Ergebnis dieser Analyse der deutschen Rechtsprechung seit 2020:

Datenschutzverstöße eines Betriebsratsmitglieds bzw. des Gremiums können – neben möglichen Bußgeldern – vor allem erhebliche rechtliche Konsequenzen nach dem BetrVG nach sich ziehen, sei es, dass die fristlose Kündigung durch das Arbeitsgericht bejaht wird, sei es, dass der Betriebsrat oder das einzelne Mitglied des Betriebsrats seines Amtes – per Gerichtsurteil – enthoben wird.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks vertritt seit 25 Jahren ausschließlich die rechtlichen Interessen der Arbeitgeber. Bei Fragen zu diesem Thema können Sie mich jederzeit gerne zur Beratung kontaktieren.

Foto(s): Helmut Naujoks

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