„Aufstehen bitte!“

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In Deutschland ist es üblich, sich bei Eintritt des Richters vom Sitzplatz zu erheben. Irrtümlicherweise gehen vereinzelt Richter davon aus, dass die anwesenden Personen im Sitzungssaal damit in besonderer Weise ihren Respekt für den jeweiligen Richter zum Ausdruck bringen müssen. Das ist falsch. Nicht der Person des Richters ist der Respekt geschuldet, sondern dem Richteramt. 

Es ist in der Literatur sowie in der Rechtsprechung jedoch allgemein anerkannt, dass in dem demonstrativen Sitzenbleiben bei Betreten des Sitzungssaals durch den Richter ein ungebührliches Verhalten liegen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um wichtige Verfahrensabschnitte handelt, wie z.B. die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen und bei der Verkündung der Urteilsformel. Ein ungebührliches, unangemessenes Verhalten im Sinne des § 178 GVG stellt es allerdings nicht dar, wenn man sich nach einer Pause in der Fortsetzung der Verhandlung nicht nochmals von seinem Sitzplatz erhebt. Denn dieser Abschnitt stellt keinen wesentlichen und besonderen Verfahrensabschnitt dar, so dass es auch nicht erforderlich ist, sich insoweit nochmals wiederholt zu erheben (OLG Köln, Bechluss vom 31.08.2015, WS 449/15).

Eine gesetzliche Vorschrift, die verlangt, dass man sich vor Gericht erhebt, gibt es nicht. Es gibt lediglich Richtlinien für das Strafverfahren, die darauf hinweisen, dass sich zu Beginn der Sitzung alle Anwesenden zu erheben hätten. 

Wenn man gegen diese Vorschrift und diese Praxis verstößt, erwartet einen ein Ordnungsgeld oder Ordnungshaft nach § 178 GVG, wenn darin ein ungebührliches Verhalten liegt. Das Verhalten ist jedenfalls dann nicht ungebührlich, wenn es keinen wesentlichen Verfahrensabschnitt betraf. 

Mein Tipp an Sie ist es, sich immer zu erheben, wenn das Gericht Sie dazu auffordert. Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie einfach Ihren Strafverteidiger. Er wird Ihnen sagen, wann Sie sich zu erheben haben. 


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