Bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses sollte der Testamentsvollstrecker keine Zeit verlieren

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Die verzögerte Erstellung des Nachlassverzeichnisses und ihre Konsequenzen 

Die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses gehört zu den ersten Aufgaben eines Testamentsvollstreckers nach Annahme seines Amtes. Der Erbe, der bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung regelmäßig von der Verwaltung des Nachlasses ausgeschlossen ist, soll damit detaillierte Kenntnis über den Umfang des Nachlasses sowie die einzelnen Nachlassgegenstände (Immobilien, Bankkonten, Kunstgegenstände etc.) sowie die Nachlassverbindlichkeiten erhalten. Das Nachlassverzeichnis ist damit Grundlage für weitere Auskunftsrechte des Erben gegen den Testamentsvollstrecker, so etwa auch für den Anspruch auf Rechnungslegung nach § 2218 BGB.

Die Erstellung des Nachlassverzeichnisses durch den Testamentsvollstrecker bildet damit meist den „Startschuss“ für das naturgemäß schwierige Verhältnis zwischen ihm und dem Erben. Der Testamentsvollstrecker hat die Möglichkeit, mit einer zügigen und ordnungsgemäßen Erstellung des Nachlassverzeichnisses Vertrauen bei dem Erben zu gewinnen und sich damit seine Vollstreckungstätigkeit zu erleichtern.  

Unverzügliche Erstellung des Nachlassverzeichnisses

Das Gesetz sieht dazu in § 2215 Abs. 1 BGB vor, dass das Nachlassverzeichnis dem Erben „unverzüglich“ nach Amtsannahme vorzulegen ist – also ohne schuldhaftes Zögern. In der Praxis ist allerdings häufig zu beobachten, dass es Testamentsvollstrecker gerade mit der „Kardinalaufgabe“, das Nachlassverzeichnis zu erstellen, nicht so genau nehmen. Das Verzeichnis wird dem Erben oft viel zu spät nach Amtsübernahme, dann erst nach wiederholten Aufforderungen, vorgelegt. Damit handelt der Testamentsvollstrecker zum einen unrechtmäßig; gleichzeitig wird dadurch eine Chance zur Vertrauensbildung vertan, und der Weg in Konflikte ist vorgezeichnet.

Die Verpflichtung zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses hängt nämlich gerade nicht von einer Aufforderung der Erben dazu ab. Was oftmals verkannt wird: Das Gesetz verlangt von dem Testamentsvollstrecker im Rahmen des Nachlassverzeichnisses keine Wertangaben. Der Testamentsvollstrecker kann bei verzögerter Erstellung gegenüber dem Erben daher nicht einwenden, er habe zu den Nachlassgegenständen, etwa bei Immobilien, noch keine Werte vorliegen.

Gleichfalls kann sich der Testamentsvollstrecker bei verspäteter Verzeichniserstellung nicht darauf berufen, dass ihm von dem Nachlassgericht noch kein Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt worden sei; denn die Verpflichtung zur Erstellung des Nachlassverzeichnisses besteht unabhängig von dem Vorliegen eines Testamentsvollstreckerzeugnisses.

Problematisch ist im Einzelfall allerdings, wie die Frist zur Verzeichniserstellung anhand des unbestimmten Rechtsbegriffs „unverzüglich“ zu bemessen ist. Dies ist abhängig von den jeweiligen Umständen, insbesondere von dem Umfang des Nachlasses. Bei einfach strukturierten Nachlässen, die im Wesentlichen beispielsweise aus ein oder zwei Immobilien im Inland und zwei bis drei Bankkonten sowie üblichem Hausrat bestehen, dürfte eine Frist von ein bis zwei Monaten angemessen sein.

Im Falle etwa von Auslandsvermögen und Unternehmen im Nachlass ist die Verzeichniserstellung naturgemäß zeitaufwendiger. Im Einzelfall kann die Verzeichniserstellung dann auch noch innerhalb von sechs Monaten „unverzüglich“ im Sinne des § 2215 Abs. 1 BGB sein.

Einen besonderen Fall stellt die Verzeichniserstellung durch einen Notar nach § 2215 Abs. 4 BGB dar, wobei auch insoweit die Verzeichniserstellung unverzüglich erfolgen muss. Die konkrete Frist ist dabei jedoch noch schwieriger zu bestimmen, da der Testamentsvollstrecker auf die Tätigkeit des Notars und dessen Bearbeitungszeit angewiesen ist. Für das Pflichtteilsrecht hat das OLG Düsseldorf im Jahr 2020 den Grundsatz aufgestellt, dass notarielle Nachlassverzeichnisse innerhalb von drei bis vier Monaten angefertigt werden müssen.

Konsequenzen einer verzögerten Verzeichniserstellung 

Unterlässt der Testamentsvollstrecker die unverzügliche Erstellung eines Nachlassverzeichnisses, kann er von dem Erben auf Erstellung des Verzeichnisses verklagt werden. Im Falle seiner Verurteilung hat der Testamentsvollstrecker auch die Prozesskosten zu tragen.

Im Weiteren kann in der unterlassenen Verzeichnisvorlage eine grobe Pflichtverletzung zu sehen sein, die je nach Einzelfall dann die Entlassung des Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht im Rahmen eines Abberufungsverfahrens nach § 2227 BGB rechtfertigt. Entscheidungserheblich sind dabei regelmäßig die berufliche Qualifikation des Amtsinhabers sowie sein Gesamtverhalten im Rahmen der Amtsführung.

Konkret bedeutet dies, dass etwa an einen Rechtsanwalt oder einen Steuerberater als Testamentsvollstrecker strengere Maßstäbe angelegt werden als an sogenannte Laien-Testamentsvollstrecker; dies sind Privatpersonen, die möglicherweise nur einmal im Leben, meist aus dem familiären Umfeld, zum Testamentsvollstrecker berufen werden.

Zu berücksichtigen ist bei der Beurteilung einer Pflichtverletzung zudem, inwieweit es durch die unterlassene Vorlage des Nachlassverzeichnisses zu einer Gefährdung der Interessen des Erben gekommen ist. Auch diesbezüglich kommt es auf den jeweiligen Einzelfall an.

Entsteht dem Erben durch die verspätete Vorlage des Nachlassverzeichnisses ein konkret bezifferbarer Schaden, spricht dies für eine gravierendere Pflichtverletzung.  

In einem solchen Fall haftet der Testamentsvollstrecker dem Erben zudem nach § 2219 BGB auf Schadensersatz. Der Erbe kann den Testamentsvollstrecker dazu gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch nehmen.

Fazit

Der Testamentsvollstrecker ist gut beraten, wenn er umgehend nach Annahme seines Amtes und der Inbesitznahme des Nachlasses mit der Bearbeitung des Nachlassverzeichnisses beginnt. Er hat durch die zügige Vorlage des Verzeichnisses gleich zu Beginn seiner Vollstreckungstätigkeit die Chance, gegenüber dem oder den Erben vertrauensbildend zu wirken. Andernfalls setzt er sich dem Risiko einer gerichtlichen Inanspruchnahme sowie einer Abberufung durch das Nachlassgericht aus.


Rechtsanwalt Martin Diefenbach, LL.M. ist zertifizierter Testamentsvollstrecker nach den Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft für Testamentsvollstreckung und Vermögenssorge (AGT) e.V.  


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