Bewährungsstrafe nach Totschlagvorwurf

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Meinem Mandanten wurde vorgeworfen, Ende Februar 2018 in Röntgental gemeinsam mit seinem Bruder einen jungen Mann getötet zu haben. Dem Vorgang lag folgender Sachverhalt zu Grunde:

Im Bereich des Bahnhofsvorplatzes in Röntgental kam es zu einem zufälligen Zusammentreffen zwischen dem Bruder meines Mandanten und zwei diesem völlig unbekannten Personen. Einer dieser beiden unbekannten Personen urinierte hinter einem auf dem Bahnhofsvorplatz stehenden Glascontainer. Dies missfiel dem Bruder meines Mandanten, der hieran Anstoß nahm. Es folgte ein aggressives Wortgefecht zwischen dem Bruder meines Mandanten und den unbekannten Personen. Der Bruder meines Mandanten wurde von den beiden unbekannten Personen beschimpft und verfolgt. Der  später Geschädigte agierte hierbei aggressiver und lauter als die andere Person. Der Bruder meines Mandanten rief daraufhin meinen Mandanten an und bat diesen um Hilfe. Mein Mandant konnte zum Teil am Telefon ein aggressives Wortgefecht hören. Er verabredete sich mit seinem Bruder. Als mein Mandant seinen Bruder erreichte, war dieser wütend, aufgeregt und angespannt. Kurze Zeit später kam es zur Begegnung der beiden Brüder mit den beiden unbekannten jungen Männern. Einer der beiden Männer lief auf beide zu, er machte dabei einen aggressiven Eindruck. Eine körperliche Auseinandersetzung stand unmittelbar bevor, was vor allen zumindest billigend in Kauf genommen wurde. Der Bruder meines Mandanten nahm ein Messer in die rechte Hand, welches mein Mandant nicht bemerkte. Die beiden unbekannten Personen liefen in unterschiedliche Richtungen weg. Mein Mandant und sein Bruder nahmen die Verfolgung des später Geschädigten auf, wobei mein Mandant einige Meter vor seinem Bruder lief. Nach ein paar Minuten gelang es meinem Mandanten den Geschädigten einzuholen. Beide stießen zusammen. Der Geschädigte kam zu Fall. Es kam anschließend zu einer Rangelei zwischen meinem Mandanten und dem später Geschädigtem. Sekunden später traf der Bruder meines Mandanten am Tatort ein, nahm das Messer und stach damit, ohne dass mein Mandant hiervon etwas mitbekam, in den inneren Oberschenkel des später Geschädigten. Dieser erlitt eine starkblutende Verletzung und verstarb kurze Zeit später an einer vollständigen Durchtrennung der Beckenschlagader.

Gegen meinen Mandanten und seinen Bruder wurde Anklage wegen gemeinschaftlichen Totschlags erhoben.

Die Hauptverhandlung begann am 05. September 2019.

Im Rahmen der Beweisaufnahme konnte nicht geklärt werden, dass mein Mandant das Messer in der Hand seines Bruders wahrgenommen hat. Der Tatvorwurf des gemeinschaftlichen Totschlags konnte in der Hauptverhandlung nicht bestätigt werden, da beide Angeklagten weder gemeinschaftlich noch einer von beiden allein den Tod des Geschädigten vorsätzlich herbeigeführt hat. So fehlte es an einem gemeinsamen Tatentschluss zur Tötung des Geschädigten. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatte mein Mandant keine Kenntnis von dem Messerstich, es war noch nicht einmal der sichere Nachweis zu führen, dass mein Mandant wusste, dass sein Bruder zur Tatzeit überhaupt ein Messer bei sich führte.

 

Die Staatsanwaltschaft beantragte, meinen Mandanten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu verurteilen. Die Staatsanwaltschaft argumentierte, dass § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) keine eigenhändige Beibringung der zur Tode führenden Körperverletzungshandlung voraussetzt. Es könne auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausführt, jedoch auf Grund eines gemeinsamen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beiträgt.

Die Staatsanwaltschaft beantragte die Verhängung einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren.

In meinem Plädoyer argumentierte ich, dass Voraussetzung für eine Zurechnung der eingetretenen qualifizierenden schweren Folge bei dem nicht unmittelbar handelnden Täter jedoch ist, dass die Handlung des anderen (also des Bruders) im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Mittäter, also meinem Mandanten, hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fallen muss. Ich führte aus, dass es hieran fehlt, weil mein Mandant sich den Tod des Geschädigten nicht zurechnen lassen muss, weil ihn insoweit kein Fahrlässigkeitsvorwurf trifft. Es konnte im Rahmen der Beweisaufnahme nämlich nicht der Nachweis geführt werden, dass der Tod des Geschädigten für meinen Mandanten subjektiv vorhersehbar war. Der Stich in den Oberschenkel des Geschädigten stellte sich für meinen Mandanten nämlich als eine für ihn nicht vorhersehbare Exzesshandlung seines Bruders dar. Mein Mandant konnte daher weder mit der Schwere der dem Geschädigten beigebrachten Verletzung noch mit der Gefährlichkeit der Tatausführung rechnen.

Mein Mandant wurde nach alldem wegen gefährlicher Körperverletzung und der Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Nordhausen

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Strafrecht


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