⚖️ Bewertungseinheit vs. Tateinheit bei Betäubungsmitteldelikten – Bedeutung für das Strafverfahren
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Im Betäubungsmittelstrafrecht hat die Unterscheidung zwischen Bewertungseinheit und Tateinheit (§ 52 StGB)erhebliche Auswirkungen auf Strafmaß, Verjährung und Anklagegestaltung. Es handelt sich dabei nicht nur um technische Begrifflichkeiten, sondern um zentrale Weichenstellungen mit unmittelbaren Folgen für das Strafverfahren.
🔍 Bewertungseinheit:
Die Bewertungseinheit liegt vor, wenn mehrere Handlungen auf dieselbe konkrete Betäubungsmittelmenge bezogen sind. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen eine einheitlich erworbene oder besessene Menge in mehreren Teilakten (z. B. Portionierung, Veräußerung, Transport) behandelt wird.
📌 Beispiel:
Eine Person kauft 100 g Kokain und verkauft diese später in mehreren kleineren Portionen. Obwohl mehrere Verkäufe stattgefunden haben, handelt es sich wegen der einheitlichen Ursprungshandlung (der Erwerb der 100 g) um eine einzige rechtliche Tat.
✔️ Folge: Es wird nur eine Einzelstrafe gebildet – im Vergleich zur Mehrzahl selbstständiger Taten oft mit spürbarer Strafmilderung.
🔍 Tateinheit (§ 52 StGB):
Von Tateinheit spricht man, wenn mehrere Straftatbestände durch eine Handlung oder im Rahmen einer Handlungseinheit erfüllt werden, sich aber auf unterschiedliche Betäubungsmittelmengen oder -arten beziehen. Überschneiden sich etwa Teilakte mehrerer Betäubungsmittelgeschäfte, kann Tateinheit gegeben sein.
📌 Beispiel:
Eine Person lagert 20 g Heroin und 10 g Kokain gemeinsam zum Weiterverkauf. Die Besitzhandlungen betreffen unterschiedliche Substanzen, stehen aber in einem engen Zusammenhang – es liegt daher Tateinheit vor.
📌 Weiteres Beispiel:
Jemand fährt zu seinem Lieferanten, um zugleich die Zahlung für eine frühere Lieferung zu leisten und eine neue Lieferung in Empfang zu nehmen. Beide Vorgänge betreffen unterschiedliche Tatzeiträume und Drogenmengen, aber dieselbe Handlung (die Fahrt) – auch hier kann Tateinheit angenommen werden.
✔️ Folge: Die Delikte gelten als rechtlich selbstständig, werden jedoch zu einer Gesamtstrafe verbunden. Im Vergleich zur Bewertungseinheit ist die strafrechtliche Belastung tendenziell höher.
⚠️ Relevanz der Abgrenzung:
Die rechtliche Einordnung kann in BtM-Verfahren über das Strafmaß, die Zahl der Anklagepunkte und sogar über das Vorliegen eines Verfahrenshindernisses (z. B. wegen Strafklageverbrauch) entscheiden. Auch für die Frage, ob ein Verbrechenstatbestand wegen einer „nicht geringen Menge“ erfüllt ist, spielt sie eine zentrale Rolle – etwa wenn sich einzelne Teilmengen erst durch Zusammenrechnung über den Grenzwert heben.
✅ Hinweis zur Verteidigung:
In der Verteidigungspraxis ist regelmäßig sorgfältig zu prüfen:
Liegt ein einheitlicher Erwerbsvorgang mit anschließendem Teilverkauf vor (→ Bewertungseinheit)?
Oder betreffen die Handlungen unterschiedliche Betäubungsmittel oder Zeiträume (→ Tateinheit oder gar Tatmehrheit)?
Gibt es konkrete Anhaltspunkte, um die Einordnung zugunsten einer geringeren Strafwirkung zu beeinflussen?
Fazit:
Die Unterscheidung zwischen Bewertungseinheit und Tateinheit ist von erheblicher Bedeutung im Betäubungsmittelstrafrecht. Eine sorgfältige Analyse des tatsächlichen Geschehens ist erforderlich, um die Einordnung korrekt vorzunehmen – denn sie kann entscheidend sein für das Strafmaß und die prozessuale Behandlung des Vorwurfs.
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