BGH stärkt die Rechte des Handelsvertreters

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 Am 19.1.2023 entschied der Bundesgerichtshof unter dem Aktentenzeichen VII ZR 787/21, dass die Kündigungsfreiheit eines Handelsvertreters auch mittelbar beschränkt werden kann.

Außerdem entschied der Bundesgerichtshof, dass dann eine vereinbarte Vorschusszahlung auf zu erwartende Provisionen nicht zurückgefordert werden können.

In diesem Fall war der Handelsvertreter im Vertrieb eines Möbelherstellers tätig. Der Handelsvertreter erhielt wie üblich Provisionsvorschüsse.

Irgendwann ergab sich ein Saldo zu Lasten des Handelsvertreters in Höhe von mehr als 8.000€.

Über diesen Betrag schlossen die Parteien dann ein Darlehen, sodass das Provisionskonto mit dem  jeweiligen Minusin Form eines Darlehens wieder ausgeglichen wurde.

In dem Darlehensvertrag wurde vereinbart, das im Falle der Beendigung des Handelsvertretervertrages die Restschuld des Darlehens in einer Summe sofort fällig wird.

Anschließend wurden weiterhin Provisionsvorauszahlungen geleistet. Das Provisionskonto rutschte dann mit mehr als 54.000 € ins Minus.

Das Handelsvertreterverhältnis soll dann einvernehmlich aufgelöst worden sein.

Die Vereinbarung, dass das Darlehen zurückgezahlt werden muss, verstößt nach Auffassung des Bundesgerichtshofs gegen § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB und ist deshalb gemäß § 134 BGB unwirksam. Es stellt eine unwirksame mittelbare Kündigungserschwernis dar.

Nach § 89a Abs. 1 Satz 1 HGB ist ein Handelsvertretervertrag von jedem Teil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündbar. Dieses Recht darf gemäß § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB weder ausgeschlossen noch beschränkt werden. Diese zwingende gesetzliche Regelung stellt eine Schutzvorschrift zu Gunsten des im allgemeinen wirtschaftlich schwächeren Handelsvertreters dar, die verhindern soll, dass der schwächere Vertragsteil einseitig in seiner Entscheidungsfreiheit zur Vertragsbeendigung beschnitten wird. Eine Beschränkung der Kündigungsfreiheit kann dabei nicht nur unmittelbar erfolgen, sondern auch bei mittelbaren Erschwernissen in Form von finanziellen oder sonstigen Nachteilen vorliegen. Eine solche Erschwernis ist anzunehmen, wenn an die Kündigung des Handelsvertretervertrages wesentlich die Vertragsbeendigung erschwerenden Nachteile geknüpft werden, wie etwa die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe. Gleiches gilt für Vertragsklauseln, die eine sofortige Rückzahlung langfristiger Vorschusszahlungen bei einer Kündigung des Handelsvertreters vorsehen.

Unter welchen Voraussetzungen die an die Vertragsbedingung vertraglich geknüpften Nachteile von solchem Gewicht sind, dass eine unzulässige, mittelbare Beschränkung des Kündigungsrechts des Handelsvertreters vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalles (BGH-Urteil vom 05.11.2015 – Az.: VII ZR59/14).

Ihre Beantwortung hängt insbesondere von der Höhe der gegebenenfalls zurückzuerstattenden Zahlungen und dem Zeitraum, für den sie zu erstatten sind, ab.

Nach Ansicht des BGH können auch mittelbare Folgen einer Kündigung oder Vertragsbeendigung vom Verbot des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB erfasst werden. Eine solche mittelbare Kündigungserschwernis kann auch vorliegen, wenn aufgrund der Gestaltung des Vertrages die Vertragsbeendigung für den Handelsvertreter mit erheblichen Nachteilen verknüpft ist, dieser in der Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Frage, ob er das Vertragsverhältnis auflöst, einschränken können. Solche mittelbaren Auswirkungen der Vertragsgestaltung sind stets am Maßstab des § 89a Abs. 1 Satz 2 HGB zu prüfen und könne nicht unter Hinweis darauf, es handele sich um einen bloßen Reflex, von vornerein von dieser Prüfung ausgenommen werden.

Die Aufstockung des Darlehens um die Provisionsvorschüsse stellt sich mittelbare Kündigungserschwernis dar.

Die durch § 134 BGB angeordnete Nichtigkeit des gegen ein gesetzliches Verbot verstoßendes Rechtsgeschäft betrifft im vorliegenden Fall nur die Vereinbarung, dass erstinstanzlich Beendigung des Handelsvertretervertrages ein Unterverdienst vom Handelsvertreter auszugleichen ist. Der Vertrag im Übrigen bleibt dagegen wirksam und bildet den Rechtsgrund für die erfolgten monatlichen Zahlungen, die den Beklagten verbleiben.

Diese Entscheidung ist noch immer richtungsweisend. Kürzlich kündigte das Oberlandesgericht Hamm an, dass es in einem Verfahren gegen die OVB möglicherweise eine ähnliche Position bezieht.


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