„Der Trend im Anwaltsmarkt geht ganz klar zur extremen Spezialisierung“

  • 4 Minuten Lesezeit
Carmen Brückner anwalt.de-Redaktion
Rechtsanwalt Dr. Alexander Stevens: „Der Trend im Anwaltsmarkt geht ganz klar zur extremen Spezialisierung“

Dr. Alexander Stevens ist einer der schillerndsten Rechtsanwälte Deutschlands. Bekannt wurde er als TV-Anwalt bei „Richter Alexander Hold “ und hat sich in den letzten Jahren als Experte für Sexualstrafrecht und Buch-Autor einen Namen gemacht. Seit Anfang April 2020 moderiert er das Prime-Time-Format „Im Namen des Volkes“, eine Gerichtsshow auf RTL2. Trotz seiner Medienpräsenz ist er hauptberuflich noch immer Anwalt für Strafrecht. Warum er weder Pilot noch Staatsanwalt geworden ist und sich stattdessen auf Sexualstrafrecht spezialisiert hat, welche Fälle ihm besonders in Erinnerung geblieben sind und, was er Junganwälten für ihre Karriere rät, erzählt Alexander Stevens im anwalt.de-Interview.

Mit Ihrem anwalt.de-Profil werden Sie als Anwalt gefunden

Jetzt kostenlos testen

Mit Ihrem anwalt.de-Profil werden Sie als Anwalt gefunden

Jetzt kostenlos testen

anwalt.de: Warum sind Sie Anwalt (für Sexualstrafrecht/Strafrecht) geworden? 

Alexander Stevens: Von allen juristischen Fachbereichen fand ich schon immer das Strafrecht am spannendsten. Ich bin der festen Überzeugung, dass man in keinem anderen Rechtsgebiet so viel Spielräume und Verhandlungsmöglichkeiten hat. Eigentlich wollte ich immer Staatsanwalt werden – doch am Tag meiner mündlichen Examensprüfung bekam ich einen Anruf vom Fernsehen und sagen wir so: Sie machten mir ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte.

Welches Angebot war so verlockend?

Das TV-Angebot kam seinerzeit von „Richter Alexander Hold“. Es war ein bisschen wie „vom Tellerwäscher zum Millionär“ – vom Student zum TV-Anwalt.

Sie vertreten das Böse vor Gericht: Mörder, Vergewaltiger, Räuber. Wie fühlen Sie sich dabei?

Ich denke, es ist beim Strafverteidiger nicht anders als bei anderen Berufen: Es entwickelt sich eine gewisse Routine, wenngleich es dennoch Fälle gibt, die einem auch persönlich immer wieder sehr nah gehen und man bisweilen auch mit nach Hause nimmt. Ich erinnere mich da z.B. an einen Fall, bei dem der Täter das Opfer mit einem Messer vergewaltigte und ihm danach beide Brüste abschnitt. Das steckt man nicht so einfach weg, egal wie abgehärtet man zu sein glaubt.

Welchen Beruf hätten Sie, wenn Sie nicht Anwalt geworden wären?

Da ich vor meinem Studium widererwarten den Lufthansa-Pilotentest bestand, wäre ich wohl in der Verkehrsfliegerei gelandet.

Bekannt wurden Sie als TV-Anwalt bei „Richter Alexander Hold" und haben sich in den letzten Jahren als Experte für Sexualstrafrecht und Buch-Autor einen Namen gemacht. Seit Anfang April 2020 moderieren Sie das Prime-Time-Format „Im Namen des Volkes“, eine Gerichtsshow auf RTL2. Warum tun Sie das? Ist dieses Format noch zeitgemäß? 

Das aktuelle Format „Im Namen des Volkes“ ist ein spannendes gesellschaftspolitisches Experiment, wie in Deutschland eine Jury, zusammengestellt aus juristischen Laien, über echte Fälle entscheiden würde. Da True-Crime-Formate derzeit einen ungeahnten Hype erfahren, würde ich sogar behaupten wollen, dass wir mit der Sendung am aktuellen Zahn der Zeit nagen.

Wie hoch ist der Aufwand für Ihre Beiträge und Sendungen? Haben Sie noch Zeit für „klassische“ Rechtsberatung? 

Tatsächlich nimmt meine „außerjuristische“ Tätigkeit nur einen geringen Teil meiner Arbeit ein. Gut 90 Prozent sind nach wie vor klassische anwaltliche Tätigkeit und das ist auch gut so – denn ohne die nötige praktische Erfahrung kann man meines Erachtens auch kein guter Strafverteidiger sein.

Was sagen Kollegen und Freunde dazu? Wie sind die Reaktionen? 

TV-Anwälte haben in Fachkreisen kein gutes Standing, meist wird ihnen die nötige fachliche Kompetenz im „wahren“ Leben aberkannt – umgekehrt habe ich schon häufig von Mandanten gehört, dass sie gerade deshalb zu mir gekommen sind, weil sie mich aus dem Fernsehen kennen.

Welchen Tipp würden Sie neu zugelassenen Anwälten geben, damit diese in ein erfolgreiches erstes Jahr als Anwalt starten? 

Der Trend im Anwaltsmarkt geht – wie in der Medizin auch – ganz klar zur extremen Spezialisierung, getreu dem Motto: Bei Herzproblemen geht man nicht zum Augenarzt – und mittlerweile auch schon nicht mehr zum Internisten, sondern gleich zum noch spezialisierteren Kardiologen. Für mich heißt das: Man kommt um den Fachanwaltstitel nicht umhin und sollte sich am besten selbst im Rahmen des jeweiligen Fachgebiets nochmals dezidiert spezialisieren. Ich habe das für meine Begriffe für das sehr kleine Teilgebiet des Sexualstrafrechts gemacht, einem Gebiet das spätestens seit „Nein heißt Nein“ und „#metoo“ jeder kennt, doch vor fünf Jahren noch niemand als eigenständiges Fachgebiet ansah. 

Welche drei Fähigkeiten werden aus Ihrer Sicht unbedingt notwendig sein, um als Anwalt im Jahr 2030 erfolgreich zu sein? 

Ich glaube, dass die Anforderungen an den Anwalt sich stark verändern werden. Angesichts rasanter technologischer Entwicklungen wird es vermehrt um ethische Fragen und Rechtsprobleme gehen und gerade das Strafrecht wird sich stark verändern. Cyberkriminalität wird zunehmen, klassische Delikte werden stark zurückgehen. Eins steht für mich fest: Der Anwalt muss sich künftig deutlich digitaler aufstellen müssen.

Erinnern sie sich noch an ihren ersten Fall vor Gericht? Haben sie den gewonnen? 

Mein erster Fall vor Gericht war ein schuldrechtlicher Anspruch auf Rückabwicklung nach einem Ebay-Kauf, den ich tatsächlich – obwohl Zivilrecht – gewonnen habe. Mein Honorar: 46,41 €. 

Dr. Alexander Stevens ist promovierter Jurist, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht. Deutschlandweit bekannt wurde er als Anwalt in verschiedenen TV-Formaten und Buchautor. Zuletzt erschienen von ihm der Spiegel-Bestseller „9 ½ perfekte Morde“ sowie „Verhängnisvolle Affären“. Anfang Februar kam sein neuestes Werk „Aussage gegen Aussage – Urteile ohne Beweise“ auf den Markt. Dr. Alexander Stevens schreibt als Kolumnist und Gastautor für verschiedene Nachrichtenportale, wie zum z.B. Stern, Legal Tribune Online und Focus, über aktuelle rechtspolitische Themen, strafrechtliche Fragestellungen oder aktuelle Gerichtsentscheidungen. Dr. Alexander Stevens ist ein geschätzter Gesprächspartner in Talkshows wie Markus Lanz und anderen TV-Formaten wie dem Frühstücksfernsehen.

(CBR; ZGRA)

Foto(s): privat

Artikel teilen: