Die 10 größten Fallen beim Vererben

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 Die 10 größten Fallen beim Vererben - Mit dieser Schlagzeile macht heute, am Freitag, den 13., eine Münchner Boulevardzeitung auf. Muss also ein Thema sein, das die Menschen interessiert. Mehr als Corona, der Bachelor oder der aktuelle Tabellenstand des FC Bayern. Denn sonst wäre es ja nicht die Schlagzeile des Tages.

 

Grund genug, sich die Erkenntnisse und Empfehlungen des „Zeitungsexperten“ einmal etwas genauer anzusehen. Wie gut ist er, der Rechtsrat, den man hier für 1,20 € bekommt?

 

Was also sind die 10 größten Fallen beim Vererben?

 

1. Falle: Wenn unverheiratete Paare kein Testament machen

 

Der Zeitungsexperte hält es für einen Kardinalfehler, wenn unverheiratete Paare die Erbfolge nicht durch Testament regeln.

 

a) Dazu muss man vorab folgendes wissen:

 

Wenn ein Mensch kein Testament errichtet (und auch keinen Erbvertrag schließt), dann wird er nach der gesetzlichen Erbfolge beerbt. Das Gesetz sieht also durchaus auch von sich aus Regelungen vor, wie der Nachlass einer verstorbenen Person verteilt wird. Ein Testament ist also vom Grundsatz her nicht zwingend erforderlich.

 

Das Gesetz knüpft bei der Erbfolge bekanntlich an 2 Merkmale an, nämlich Verwandtschaft und Ehe. Wenn der Erblasser also damit zufrieden ist, dass sein Vermögen in dem vom Gesetz vorgesehenen „Verteilerschlüssel“ auf seinen Ehegatten und seine Verwandten (Kinder, Eltern usw.) übergeht, dann passt die gesetzliche Erbfolge vom Grundsatz her.

 

b) An gute Freunde oder auch den Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft denkt das Gesetz dagegen nicht. Das liegt daran, dass unser BGB und damit eben auch das Erbrecht schon ziemlich alt sind. Da spielt vielleicht auch noch der Gedanke mit: Wenn 2 Leute zwar zusammen leben, aber nicht heiraten wollen, dann wollen sie eben auch keine rechtliche Bindung eingehen, weder für die Lebenszeit noch über den Tod hinaus. Deshalb wird der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vom gesetzlichen Erbrecht nicht bedacht.

 

c) Will man das nicht, also will man umgekehrt, dass gerade der Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zum Beispiel so wie ein Ehegatte erbrechtlich bedacht wird, dann muss man das in der Tat testamentarisch (oder durch Erbvertrag) regeln. Daher ist der Rat des Experten an dieser Stelle absolut richtig. Unverheiratete Paare sollten sich (frühzeitig) darum kümmern, wem das Vermögen des zuerst versterbenden Partners zufließt. Denn sonst erbt tatsächlich, anstelle des geliebten Partners oder der geliebten Partnerin, der böse Bruder oder die böse Schwester.

 

d) Haben die Partner der nichtehelichen Lebensgemeinschaft dagegen Kinder, sieht das Ganze schon weniger dramatisch aus. Denn dann sind die Kinder von Gesetzes wegen als gesetzliche Erben berufen.

 

2. Falle: Wenn Alleinstehende glauben, ohnehin keine Hinterbliebenen zu haben, und deshalb kein Testament machen

 

a) Ein Testament wird auch solchen Menschen empfohlen, die glauben, sie hätten gar keine Erben. Das stimmt nämlich nicht. Irgendeinen weit entfernten Verwandten gibt es eigentlich immer. Und wenn das einmal tatsächlich nicht der Fall sein sollte, dann erbt der Staat.

 

b) In so einer Konstellation hätte der Erblasser aber zu Lebzeiten die Möglichkeit, durch Testament beispielsweise einen Freund oder eine gemeinnützige Einrichtung zu bedenken. Wenn ihm das wichtig ist, dann sollte er das tatsächlich tun oder zumindest in Erwägung ziehen.

 

Ihren Hund können Sie allerdings nicht als Erben einsetzten. Und nein, auch Herr Mooshammer wurde nicht von Daisy beerbet. Sie können aber Ihren Chauffeur zum Erben einsetzen, verbunden mit der Auflage, dass er sich mit dem ererbten Geld fürstlich um Ihr Hündchen kümmert, wenn Sie es einmal nicht mehr füttern und spazierenführen können. Das ginge schon. …

 

c) Wem es dagegen in der Tat völlig egal ist, was nach seinem Tod mit seinem Vermögen passiert, der kann das mit dem Testament auch bleiben lassen.

 

3. Falle: Wenn Eheleute, die keine Kinder haben, keinTestament machen

 

a) Nach Ansicht des Experten glauben Eheleute ohne Kinder häufig, der überlebende Ehegatte würde bereits kraft Gesetzes alles erben.

 

b) Das aber ist nicht richtig. Der überlebende Ehegatte ist gemäß § 1931 BGB neben den Verwandten des Verstorbenen nur zu einem Teil der Erbschaft als gesetzlicher Erbe berufen. Neben den Eltern und Geschwistern des Erblassers erbt er nur die Hälfte, plus ein weiteres Viertel als Zugewinnausgleich im Todesfall nach § 1371 BGB.

 

Das kann dann tatsächlich dazu führen, dass sich der überlebende Ehegatte beispielsweise mit einem Bruder des Verstorbenen in einer Erbengemeinschaft wiederfindet. Das bisherige Familienheim würde dann also nicht vollumfänglich auf den überlebenden Ehegatten übergehen, sondern nur zu drei Viertel, während ein Viertel dem Bruder des Verstorbenen gehört. Das kann durchaus zu Konflikten führen.

 

c) Will man das nicht, ist es in der Tat angebracht, den überlebenden Ehegatten in einem Testament zum Alleinerben einzusetzen. Auch hier ist dem Rat des Zeitungsexperten also zuzustimmen.

 

4. Falle: Nicht an einen Ersatzerben zu denken

 

a) Ja was ist das jetzt, ein Ersatzerbe?

 

Nehmen wir einmal an, Mutter M setzt ihre Tochter T als Alleinerbin ein, in der Annahme, dass die Tochter die Mutter unter normalen Umständen natürlich überleben wird. Was aber passiert, wenn das Kind vor der Mutter verstirbt? Der Erbe also „wegfällt“, bevor der Erbfall eintritt?

 

b) Guter Punkt, daran sollte man bei Abfassung eines Testamentes in der Tat denken.

 

Man kann natürlich auch sagen: Dann mach ich halt ein neues Testament, wenn dieser absurde Fall einmal eintreten sollte. – Aber was ist, wenn Sie dann schon so alt sind, dass Sie nicht mehr testierfähig sind ?  … Dazu unten Ziffer 10.

 

5. Falle: In einem Berliner Testament keine Änderungsregel vorzusehen

 

a) Das Berliner Testament kennen Sie, oder? Geregelt ist das Ganze in Paragraf 2269 BGB. In einem Berliner Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Erben ein und bestimmen des weiteren, dass nach dem Tode des Überlebenden, also des zuletzt Versterbenden, der beiderseitige Nachlass an einen Dritten fallen soll, in der Regel an die Kinder. Das Ganze wird in einem sogenannten gemeinschaftlichen Testament von beiden Ehegatten so festgelegt.

 

b) Und hier fragt jetzt der Experte: Was ist eigentlich, wenn zwischen dem Tod des Mannes und dem späteren Tod der Frau beispielsweise 10 oder 20 Jahre vergehen? Kann die Frau dann in dieser Zwischenzeit den zweiten Teil des gemeinschaftlichen Testaments, in dem die Kinder als Schlusserben eingesetzt werden, ändern? Also statt Sohn und Tochter je zur Hälfte zu bedenken, nur die Tochter, die sich um die Mutter rührend kümmert, und den Sohn gar nicht, weil sich der zum Trinker entwickelt und die Mutter regelmäßig schlägt?

 

Oder darf sie die gemeinsamen Kinder auch schon dann als Schlusserben streichen, wenn sie bei einem anderen Witwer Trost gefunden hat, oder vielleicht bei einem sehr viel jüngeren neuen Partner?...  - Das alles sind Punkte, über die man bei Abfassung eines Berliner Testamentes tatsächlich nachdenken sollte, wenn man das will.

 

c) Also auch hier: Guter Punkt des Zeitungsexperten. Und schon recht speziell, würde ich mal sagen. Also das geht über Boulevardniveau deutlich hinaus.

 

6. Falle: Die Erbengemeinschaft sich selbst überlassen

 

a) Das ist jetzt wahrscheinlich ein Klassiker. Stirbt ein Mensch und wird er von mehreren Personen beerbt, dann bilden diese Erben zusammen eine Erbengemeinschaft.

 

b) Nehmen wir einmal an, unser Verstorbener (oder unsere Verstorbene) besaßen 2 Häuser und hatten 3 Kinder. Dann werden diese 3 Kinder zu einer Erbengemeinschaft, und dieser Erbengemeinschaft gehören (gemeinsam) die 2 Häuser. Wie sich die Erben dann auseinandersetzen, bleibt ihnen überlassen.

 

Das kann durchaus zum Streit führen. Selbst dann, wenn sich die Erben an sich gut verstehen. Aber die Interessen von Geschwistern können sich natürlich auch in ganz unterschiedliche Richtungen entwickeln. Während einer oder eine vielleicht eines der geerbten Häuser bewohnt und auch weiter bewohnen will, sind die anderen längst weggezogen und haben eigentlich kein Erhaltungsinteresse. Oder scheuen die hohen Kosten, die der Unterhalt eines alten Gebäudes mit sich bringt. …

 

Diese Probleme bestünden nicht, wenn der Erblasser schon zu Lebzeiten zum Beispiel im Wege der Teilungsanordnung festgelegt hätte, wer welches Haus bekommt und wie ein Ausgleich aussehen soll.

 

c) Ist dem Erblasser eine solche Teilungsanordnung also in jedem Fall zu empfehlen? Ich denke nein. Ich denke, es kann durchaus gute Gründe geben, warum sich ein Erblasser in die spätere Erbauseinandersetzung nicht einmischen will, sondern diese eben den Erben überlässt. Denn der Erblasser weiß zu seinen Lebzeiten ja noch viel weniger als die späteren Erben, welche Bedürfnisse und Interessen diese einmal haben werden. Oder vielleicht will der Erblasser seine letzten Tage auch einfach nur in Ruhe und Frieden verbringen, ohne sich schon jetzt den Streit und die mit einer Erbauseinandersetzung verbundenen Belastungen anzutun.

 

d) Von daher: Es ist gut, wenn man die Probleme, die eine ungeteilte Erbengemeinschaft mit sich bringt, im Hinterkopf behält. Genauso legitim aber ist es, wenn sich der Erblasser sagt: Das sollen meine Erben später einmal unter sich ausmachen, da mische ich mich nicht mehr ein.

 

7. Falle: Übersehen, dass man jemanden auch enterben kann

 

a) An dieser Stelle erfolgt der Hinweis des Experten, dass man Personen, die von Gesetzes wegen eigentlich zur Erfolge berufen wären, auch von der Erbfolge ausschließen, also enterben kann. In diesem Fall bekommt der so Enterbte dann nicht den gesetzlichen Erbteil, sondern ggf. nur den Pflichtteil.

 

b) Ja, das ist durchaus ein Punkt, an den man denken sollte, wenn man dem einen oder anderen gesetzlichen Erben gern so wenig wie möglich von seinem Vermögen zukommen lassen möchte.

 

8. Falle: Testament nicht unterschreiben oder so gut verstecken, dass es keiner findet

 

a) An dieser Stelle muss man vielleicht etwas weiter ausholen; vor allem, wenn man an die Generation WhatsApp denkt.

 

Ein Testament kann entweder vor einem Notar errichtet werden oder in der Form, dass man das Testament eigenhändig schreibt und unterschreibt. Das bedeutet: Ein auf dem PC getipptes Testament, welches vom Erblasser lediglich handschriftlich unterschrieben wird, ist nicht formwirksam, weil nicht handschriftlich geschrieben. Und ein Testament per E-Mail, WhatsApp oder Videobotschaft auf Instagram wäre natürlich erst recht nicht wirksam. Also aufpassen an dieser Stelle.

 

b) Und für die Generation Traumschiff vielleicht noch der ergänzende Hinweis: Gemäß § 2251 BGB gibt es auch das sogenannte Nottestament auf See. Danach kann ein Testament in bestimmten Fällen auch durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichtet werden. Also beispielsweise beim Captain´s Dinner vor Tahiti. …

 

c) Und noch ein wichtiger Punkt: Damit ein Testament faktisch seine Wirksamkeit entfalten kann, muss es natürlich auch von den Überlebenden gefunden werden. Das schönste Testament nützt nichts, wenn es dann - ganz hinten im Sekretär versteckt - unbeachtet auf dem Sperrmüll landet.

 

9. Falle: Erbschaftsteuer nicht bedenken

 

a) Vom Steuerrecht verstehe ich leider herzlich wenig. Dafür gibt es ja auch Steuerberater. Aber ich weiß natürlich, dass es bei der Erbschaftsteuer Freibeträge gibt, die sich nach dem Näheverhältnis zwischen Erblasser und Erben richten.

 

Der Ehegatte hat, wenn ich es richtig sehe, einen Freibetrag von € 500.000 €, die Kinder von € 400.000 pro Erbfall. Es kann also manchmal durchaus Sinn machen, Vermögen schon zu Lebzeiten im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf die nächste Generation zu übertragen.

 

b) Aber da muss man natürlich die eventuellen steuerlichen Vorteile abwägen gegen die möglichen rechtlichen Nachteile. Denn Vermögen, welches man aus der Hand gegeben hat, gehört einem eben nicht mehr.

 

10. Falle: Mit der Errichtung des Testamentes so lange warten, bis man nicht mehr testierfähig ist

 

a) Ein Testament ist unwirksam, wenn der Erblasser bei Errichtung des Testamentes in dem Maße dement war, dass er nicht mehr testierfähig ist. Von daher empfiehlt es sich, ein Testament gegebenenfalls schon frühzeitig zu errichten.

 

b) Kein Problem mit der Testierfähigkeit hat man natürlich bei der gesetzlichen Erbfolge. Womit wir wieder beim Anfang angelangt wären: Muss oder soll man in jedem Fall ein Testament errichten?

 

Es gibt, wie wir gesehen haben, durchaus eine ganze Reihe von Situationen, in denen sich eine Abweichung von der gesetzlichen Erbfolge im Wege eines Testaments anbietet. Aber so ganz daneben ist die gesetzliche Erbfolge dann auch wieder nicht. Und sie ist in jedem Fall mit weniger Aufwand und Kosten verbunden. Aber das sollte man als Anwalt vielleicht nicht sagen, denn wir leben ja auch von der Testamentsgestaltung, zumindest dann, wenn man Fachanwalt für Erbrecht ist.

 

c) Was man aber in jedem Fall empfehlen kann, ist, dass sich Mandanten ihrer erbrechtlichen Situation bewusst sein sollten. Wenn man einmal die, sagen wir, 60 überschritten hat, sollte man sich also schon Gedanken darüber machen, wie es mit dem eigenen Vermögen einmal weitergeht, wenn man selber nicht mehr darauf aufpassen kann. Und da finde ich den Zeitungsartikel über die 10 Fallen beim Vererben durchaus hilfreich. Also die € 1,20 ist der Beitrag auf jeden Fall wert.

 

Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt

 


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