🍺 Die Nachtrunkbehauptung – Verteidigung gegen den Vorwurf der Trunkenheitsfahrt

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Wer wegen einer Trunkenheitsfahrt (§ 316 StGB) oder wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG belangt werden soll, steht häufig vor einer entscheidenden Frage: War der Angeklagte zur Zeit der Fahrt tatsächlich alkoholisiert – oder erst danach?

Genau hier setzt die sogenannte Nachtrunkbehauptung an – ein klassisches, aber heikles Verteidigungsmittel, das bei richtiger Anwendung über Freispruch oder Verurteilung entscheiden kann.


⚖️ 1. Was ist eine Nachtrunkbehauptung?

Die Nachtrunkbehauptung bedeutet, dass die betreffende Person zwar zum Zeitpunkt der Blutentnahme oder Kontrolle einen relevanten Blutalkoholwert hatte, aber dieser erst durch Alkoholkonsum nach der Fahrt entstanden ist. Das Ziel: Die Fahrt war (angeblich) noch nüchtern – und daher nicht strafbar.

Beispiel: Der Betroffene fährt nach Hause, stellt das Auto ab, trinkt zwei Bier – kurz darauf klingelt die Polizei und ordnet eine Blutentnahme an. Die Verteidigung sagt: Der Alkohol stammt nicht von der Fahrt, sondern vom „Nachtrunk“.


🔍 2. Wann ist eine Nachtrunkbehauptung glaubhaft?

Die Gerichte stellen hohe Anforderungen. Eine Nachtrunkbehauptung ist nur dann erfolgversprechend, wenn:

  • eine konkrete, plausible Schilderung zum Nachtrunk erfolgt (z. B. welche Getränke, wann, wie viel),

  • die Trinkmenge realistisch ist,

  • ein Trinkverlauf mit Uhrzeiten nachvollziehbar dargelegt wird,

  • keine WidersprĂĽche zu anderen Beweismitteln (z. B. Zeugenaussagen, Videoaufnahmen, Fahrtzeitpunkt) bestehen.

Faustregel: Je frĂĽher nach der Fahrt der Alkohol nachweisbar ist, desto schwieriger wird es, eine reine Nachtrunkwirkung glaubhaft zu machen.


đź§Ş 3. Bedeutung der Begleitstoffanalyse

Ein wichtiges forensisches Mittel zur Überprüfung einer Nachtrunkbehauptung ist die sogenannte Begleitstoffanalyse(oder „Ethanol-Kongeneren-Analyse“). Dabei wird geprüft, ob im Blut typische Begleitstoffe des konsumierten Alkohols vorhanden sind – etwa Fuselalkohole, Methanol, höhere Alkohole.

Beispiel: Behauptet der Betroffene, Bier getrunken zu haben, müssen die entsprechenden Bierbegleitstoffe im Blut sein. Fehlen diese → Hinweis auf unwahre Behauptung.

Auch die Verhältniswerte (z. B. Methanol zu Ethanol) können Hinweise auf einen Alkoholkonsum nach der Tat liefern oder entkräften.


⏱️ 4. Zeitfaktor – Rückrechnung entscheidend

Gerichte nutzen in der Regel eine sogenannte rĂĽckgerechnete Blutalkoholkonzentration (BAK), um den mutmaĂźlichen Wert zum Fahrtzeitpunkt zu bestimmen:

  • Abbauwert: ca. 0,1–0,2 Promille pro Stunde (individuell verschieden)

  • Bei Nachtrunk: Kombination von Auf- und Abbauphase zu beachten

  • Problem: Bei schneller Blutentnahme ist die Trennung zwischen Fahrzeit und Nachtrunkzeit kaum rekonstruierbar

➡️ Deshalb sind präzise Zeitangaben zum Trinken und zur Fahrt unbedingt erforderlich!


📌 5. Verteidigungstaktiken bei Nachtrunk

Um eine Nachtrunkbehauptung erfolgreich einzusetzen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

  1. Konkrete Einlassung: Genaue Angabe zu Sorte, Menge, Trinkbeginn, -ende, Ort und Begleitung.

  2. GlaubwĂĽrdigkeit prĂĽfen: Keine WidersprĂĽche zu objektiven Beweismitteln oder Zeugen.

  3. Begleitstoffanalyse beantragen: Bei ernsthafter Einlassung kann ein Antrag auf forensisch-toxikologische Untersuchung erfolgen.

  4. Eigenen Gutachter einbinden: Rückrechnung durch Sachverständige kann Einlassung stützen.

  5. Keine unüberlegte Aussage im Ermittlungsverfahren: Zunächst Schweigen – Einlassung erst nach Akteneinsicht und anwaltlicher Beratung!


âť— 6. Grenzen der Nachtrunkbehauptung

  • BloĂźes Bestreiten reicht nicht: Ein einfaches „Ich habe später noch was getrunken“ ĂĽberzeugt kein Gericht.

  • Nachtrunk wird oft als Schutzbehauptung bewertet – daher ist eine detaillierte, konsistente Darstellungentscheidend.

  • Wer unsicher aussagt oder im Laufe des Verfahrens widersprĂĽchlich wird, verliert seine GlaubwĂĽrdigkeit – und damit die Chance auf einen Erfolg mit der Nachtrunkthese.


✅ Fazit: Nachtrunk kann vor Strafe schützen – aber nur gut vorbereitet

Die Nachtrunkbehauptung ist ein wirksames, aber risikobehaftetes Verteidigungsmittel. Wer es einsetzt, sollte dies nur mit anwaltlicher Begleitung und nach gründlicher Prüfung aller Umstände tun. In geeigneten Fällen kann so ein Bußgeldverfahren, eine Straftat oder gar der Führerscheinverlust verhindert werden. Der Schlüssel ist Plausibilität und forensische Nachprüfbarkeit.


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