Erbrecht: Der Vorsorgebevollmächtigte im Kreuzfeuer der Erben

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Wenn ältere Menschen gesundheitlich ein Stadium erreichen, indem sie ihre Angelegenheiten nicht mehr eigenständig erledigen können, finden sie häufig im familiären oder befreundeten Umfeld Menschen, die sich bereit erklären, ihnen zur Seite zu stehen. Oftmals findet sich ein naher Angehöriger, in der Regel ein Kind des älteren Menschen, und ist bereit, diesem betreuend zur Seite zu stehen. Mit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes des älteren Menschen, steigert sich entsprechend die Intensität und der Umfang der betreuenden Tätigkeit, die nicht selten Jahre oder gar Jahrzehnte andauert. Diese in der Regel von Mitmenschlichkeit geprägte Hilfsbereitschaft schließt neben der persönlichen Betreuung in der Regel auch die Vertretung in Vermögensangelegenheit ein. Die rechtliche Grundlage dieser Tätigkeit findet sich oftmals in von dem älteren Menschen erteilten Vorsorgevollmachten und daneben eingeräumten Bankvollmachten. Nach dem Sterbefall des Betreuten entsteht in der Regel eine Konstellation, dass die betreuende Person nicht Alleinerbe des älteren Menschen geworden ist, sondern in der Regel Miterbe oder als Abkömmling oder gar Witwe oder Witwer gar nicht Rechtsnachfolger des älteren Menschen wird, sondern allenfalls Ansprüche aus einer Pflichtteilsberechtigung oder z. B. einem Vermächtnis hat.

Das Verhältnis zwischen Betreuten und Betreuendem

Leider stellen die ehemals Bevollmächtigten nach dem Sterbefall des Betreuten sodann fest, dass sie mit einem oftmals auch durch Misstrauen geprägten Auskunftsbedürfnis der Miterben oder Erben konfrontiert werden. Hat die betreuende Tätigkeit – wie in der Regel – einen gewissen Umfang und einen gewisse Intensität erreicht, ist rechtlich von einem sogenannten Auftragsverhältnis zwischen dem Betreuten und dem Betreuenden auszugehen und nicht von einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis, das insoweit keine Rechte und Pflichten begründet. Ein derartiges Auftragsverhältnis führt dazu, dass dem oder den Erben gegenüber dem Bevollmächtigten ein Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechenschaft hinsichtlich der von den Bevollmächtigten für den Erblasser ausgeübten Angelegenheiten und Geschäften gemäß § 666 BGB für die gesamte Dauer der Betreuung entstanden ist. Hat der Bevollmächtigte sich während der betreuenden Tätigkeit nicht durch entsprechende Dokumentationen auf eine derartige Konfrontation mit diesem Anspruch vorbereitet, sind Konflikte mit dem oder den Erben des Betreuten vorprogrammiert. Wird im Extremfalle der Bevollmächtigte also mit der Aufforderung konfrontiert, möglicherweise über viele Jahre oder gar Jahrzehnte sehr detailliert und insbesondere über geldliche Verfügungen Auskunft und Rechenschaft zu erteilen, sieht er sich überfordert. Jedenfalls gelingt es ihm oft nicht – wenn er sich nicht frühzeitig schon während der betreuenden Tätigkeit entsprechend vorbereitet hatte – den oder die Erben des Betreuten zufriedenstellend zu informieren.

Konfliktsituationen bei Erbfällen

Der oder die Erben des Betreuten entfalten vielfach ein erhebliches Misstrauen, weil zum einen ihre Erwartungen über die Werthaltigkeit des Nachlasses enttäuscht werden und sie den Verdacht entwickeln, dass der Betreuende bzw. Bevollmächtigte oder dessen Angehörige sich ungerechtfertigt am Vermögen des Betreuten bereichert haben könnten. Diese Konfliktsituation entfaltet sich häufig in besonderer Heftigkeit und Intensität zwischen Geschwistern. Psychologisch mag dies auch dadurch erklärbar sein, dass insbesondere in den letzten Lebensjahren naturgemäß durch die intensive, betreuende Tätigkeit eine menschliche Nähe immer stärker geworden war, während die persönliche Bindung zu den anderen Kindern vergleichsweise nachließ. Auch Eifersuchtsgefühle zwischen Kindern in diesem Zusammenhang sind nicht selten oder auch der Eindruck, dass sich Geschwister zu Lebzeiten ihrer Eltern gegenüber den anderen Geschwistern unter verschiedenen Aspekten ohnehin zurückgesetzt oder benachteiligt gefunden haben und nun nach den Erbfällen der Eltern mit besonderer Intensität auf die Wahrung ihrer Rechte pochen.

Verschärft wird diese Konfliktsituation dann häufig auch dadurch, dass während einer Auskunftserteilung deutlich wird, dass der Bevollmächtigte zu Lebzeiten – menschlich nachvollziehbar – sich gegenüber dem Betreuenden und etwa seinen Familienangehörigen erkenntlich gezeigt hat, etwa durch Geldgeschenke, die den anderen Geschwistern nicht zu Teil wurden. So gipfelt diese Konfliktsituation oft darin, dass der oder die Erben von dem Bevollmächtigten Ausgleichszahlungen in die Erbmasse verlangen, deren Höhe aus der von den Bevollmächtigten nicht überzeugend legitimierten Vermögensverfügungen abgeleitet wird. Der Bevollmächtigte seinerseits reagiert in gewisser Weise nachvollziehbar auch empört und verweist auf seine langjährige, uneigennützige Hilfeleistung und darauf, dass oftmals die Hilfeleistungen des oder der Erben zu wünschen übrig gelassen hätten. Das in der Konfliktsituation deutlich gewordene Misstrauen führt zwischen Geschwistern natürlich zu äußerst emotionalen Betrachtungsweisen.

Darlegungs- und Beweislast über Kontobewegungen oder Rechtsgeschäfte

Mündet eine Konfliktsituation darin, dass letztendlich der oder die Erben den Bevollmächtigten auf Zahlung eines Geldbetrages entsprechend der Höhe der nicht plausibel erklärten Vermögensverfügungen, die oft viele Jahre zurückliegen, verklagen, trifft in der Tat nach einhelliger Meinung in Literatur und Rechtsprechung den Bevollmächtigten hinsichtlich seiner Geschäftshandlungen für den Betreuten die Darlegungs- und Beweislast, der er eben häufig nicht entsprechen kann und deshalb von einer entsprechenden Verurteilung bedroht ist.

Der Bundesgerichtshof hat aber schon sehr frühzeitig, etwa in seinem Urteil vom 31.01.1963 (Az.: VII ZR 284/61) entschieden, dass von dieser Darlegungs- und Beweislast des Bevollmächtigten dann eine Ausnahme zu machen ist, wenn der Betreute zu Lebzeiten über eine nicht unerhebliche Dauer der Betreuung selbst zu keinem Zeitpunkt Auskunft und Rechenschaft verlangte, weil eben zu dem Bevollmächtigen ein besonderes Vertrauensverhältnis bestand und es sich bei den Vermögensverfügungen z. B. um solche zur Deckung des täglichen Bedarfes handelte, so auch die aktuelle, obergerichtliche Rechtsprechung (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht vom 18.03.2014, Az.: 3 U 50/13 m. w. N.).

Ist es wie nicht selten so, dass zu Lasten von Bankguthaben des Betreuten über Jahre recht regelmäßige Barabhebungen feststellbar sind und auch die sonstigen Kontobewegungen in Form von Überweisungsvorgängen betragsmäßig einen gewissen alltäglichen Charakter haben, geht die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Regel von einer Umkehr der Beweislast mit dem Ergebnis aus, dass der oder die Erben zur Begründung einer Klageforderung darlegen und beweisen müssen, dass der Bevollmächtigte fremd- oder eigennützige Verfügungen zu Lasten des Vermögens des Erblassers getroffen hatte.

Diese Beweisführung ist in der Regel nicht möglich und führt dazu, dass der oder die Erben mit ihrer Klage scheitern. Anders ist es natürlich dann, wenn Sachverhalte seitens des oder der Erben nachgewiesen werden, die einen Missbrauch von Vorsorgevollmacht und/oder Bankvollmacht nahelegen oder wenn in Anbetracht der Vermögensverhältnisse des Betreuten Vermögensverfügungen in ungewöhnlicher Höhe stattfanden, die der Bevollmächtigte nicht zu seiner Entlastung aufzuklären vermag. In diesen Fällen scheidet eine derartige Beweislastumkehr aus und der Bevollmächtigte ist hinsichtlich der betreffenden Vermögensverfügungen während seiner betreuenden Tätigkeit dem Grundsatz entsprechend darlegungs- und beweisbelastet.

Wollen also Bevollmächtigte derartigen Konflikten vorbeugen, sollten sie – selbst wenn ihnen ein derartiger Konflikt in der Zukunft sehr unwahrscheinlich oder gar ausgeschlossen erscheint – sich durch entsprechende Dokumentationen der von ihnen vorgenommenen Rechtsgeschäfte für den Betreuten vorbereiten und sich durchaus in relevanten Einzelfällen anwaltlich beraten lassen. Auch wenn es zukünftig zum Ausbruch derartiger Konfliktsituationen nicht kommen sollte, haben Bevollmächtigte doch das menschlich verständliche Bedürfnis, etwa ihren Geschwistern als Miterben, dokumentiert darlegen zu können, dass ihre betreuende Tätigkeit in wirtschaftlicher Hinsicht über jeden Zweifel erhaben ist.

Sollte es, was ebenfalls nicht selten vorkommt, zu Lebzeiten des Betreuten zu Schenkungen in wertmäßig erheblichen Umfängen kommen, sollte insbesondere ein derartiger Vorgang beweissicher dokumentiert werden und ihm sollte eine fachanwaltliche Beratung vorausgehen.

Rechtsanwalt Arno Wolf

RA Arno Wolf, Fachanwalt für Erbrecht, Tätigkeitsschwerpunkt Bank- und Kapitalmarktrecht, Tel. (0351) 80 71 8-80, wolf@dresdner-fachanwaelte.de

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