EU-Recht: Spielgewinne bei nichtlizensiertem Onlinecasino bei EU-grenzüberschreitung einklagbar?

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Gewinne im nichtlizensierten Onlinegaming 


Bei Verlusten ist schon recht lange herrschende Meinung, dass die Spieler diese bei nicht lizensiertem Onlinegaming zurückverlangen können. Noch keine klare Linie hat sich bei Gewinnen herausgebildet welche bei nicht lizensierten Casinos gemacht werden, die aber in dem anderen Land lizensiert sind. Manche Gerichte verweigern eine Auszahlung mit Hinweis auf die Illegalität des nicht lizensierten Glücksspiels im Land des Spielers und lastet diese Illegalität welche eigentlich die Casinobetreiber zu verantworten haben den Spielern an.

Das Oberlandesgericht Wien hat am 22. Juni 2022 beschlossen (Aktenzeichen: - 2 - 33 R 4/22h), gemäß Art 267 AEUV dem Europäischen Gerichtshof die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob nicht verbraucherfreundlich immer das Recht anzuwenden ist, welches für den Verbraucher das Günstigste ist und den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Gerichtshofs ausgesetzt.


Auf die Entscheidung darf man gespannt sein.


Das Oberlandesgericht hat wörtlich beschlossen:


"Ist Art 6 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I-VO) dahin auszulegen, dass das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, dann nicht anzuwenden ist, wenn das nach Art 4 Rom I-VO anzuwendende Recht, dessen Anwendung der Kläger begehrt und das anzuwenden wäre, wenn dem Kläger die Verbrauchereigenschaft fehlen würde, für den Kläger günstiger ist?"



Im Einzelnen:


1.

Der Kläger begehrt EUR 106.000 zuzüglich Zinsen und brachte vor, er habe bei einem Online-Casino, das die Beklagte von Malta aus betreibe und über ihre Homepage auch in Österreich anbiete, im Jahr 2020 diesen Betrag gewonnen und ein Guthaben in dieser Höhe angesammelt. Das beklagte Casino verweigert die Auszahlung des Wettgewinns.


Die Streitteile haben keine Rechtswahl getroffen. Das Erstgericht, das die Klage abgewiesen hat, wendete österreichisches Recht an. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, es sei das Recht von Malta anzuwenden.


Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es entschied, dass österreichisches Recht anzuwenden sei, weil der Tatbestand des Art 6 Abs 1 lit a Rom I-VO erfüllt sei. Der Kläger habe den Status des Verbrauchers. Mangels einer Rechtswahl folge daraus die Anwendung des österreichischen Rechts.


Wesentliches Argument für die Abweisung des Klagebegehrens war § 1271 zweiter Satz des österreichischen allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuchs (ABGB), der lautet wie folgt:


«§ 1271. Redliche und sonst erlaubte Wetten sind in so weit verbindlich, als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden.»


Diese Bestimmung verweigere dem Kläger das Klagerecht auf den Wettgewinn (auf den Preis aus einem Glücksspiel). Das von der Beklagten angebotene Glücksspiel sei unerlaubt gewesen, weil sie nicht die in Österreich erforderliche staatliche Genehmigung für das Glücksspiel habe.


Das Erstgericht argumentierte auch damit, § 1271 ABGB sei eine Eingriffsnormen nach Art 9 Rom I-VO.


Damit bekommt der Kläger sein Geld nicht, weil die Beklagte verbotswidrig gehandelt hat. Ein Widerspruch in sich. Zudem werden damit die Casinos geschützt und nicht die Verbraucher. Das Gesetz will aber die Verbraucher schützen. Über diesen Widerspruch wird nun der Europäische Gerichtshof entscheiden.



2.

Das Berufungsgericht teilt die Einschätzung des Erstgerichts, dass der Kläger Verbraucher nach Art 6 Abs 1 Rom I-VO ist und dass die Voraussetzungen von Art 6 Abs 1 lit b Rom I-VO erfüllt sind. Das Berufungsgericht hat allerdings Bedenken dagegen, dass § 1271 ABGB eine Eingriffsnormen nach Art 9 Rom I-VO ist.


Das Berufungsgericht beurteilt die maltesische Rechtslage so, dass das Hindernis des § 1271 ABGB nach maltesischem Recht nicht greifen würde; dass das maltesische Recht eine vergleichbare Norm enthielte, ist nicht erkennbar und wurde nicht behauptet.


Die Anwendung des österreichischen Rechts gereicht dem Kläger somit im Ergebnis zu einem Nachteil, denn wenn der Kläger kein Verbraucher wäre, wäre nach Art 4 Rom I-VO maltesisches Recht unabhängig davon anzuwenden, ob die Streitteile das maltesische Recht in Form der Rechtswahl als anwendbar vereinbart haben. Hätten die Streitteile eine Rechtswahl getroffen, wäre das gewählte Recht nur dann anzuwenden, wenn dem Kläger dadurch nicht ein Schutz entzogen würde (Art 6 Abs 2 Rom I-VO). Das Fehlen einer Rechtswahl schließt nach dem Text der Rom I-VO diese Günstigkeitsprüfung aus.


Mit Blick auf den Erwägungsgrund 23 der Rom I-VO legt das Obrlandesgericht daher diese Rechtsfrage dem Gerichtshof der Europäischen Union vor, damit diese Rechtsfrage höchstrichterlich geklärt werden und dann europaweit einheitlich entschieden werden kann.



Dr. Hübner

Rechtsanwalt




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