Fenstersturz einer dementen Krankenhauspatientin

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Ein Krankenhaus ist zum Ersatz des Schadens einer dementen Patientin verpflichtet, den sich diese zugezogen hat, weil sie aus einem ungesicherten Fenster ihres Krankenzimmers klettert und dabei abstürzt (OLG Hamm 17.01.17, 26 U 30/16).

Sachverhalt

Die demente Patientin wurde stationär in das Krankenhaus der Beklagten eingewiesen. Am Aufnahmetag zeigte sie Weglauftendenzen und andere Auffälligkeiten. Mit Medikamenten konnte die Patientin nicht ruhiggestellt werden. Um sie am Weglaufen zu hindern, wurde die Tür des Krankenzimmers der Patientin von außen zudem mit einem Krankenbett verstellt. Der Patientin gelang es aber, unbemerkt aus dem Zimmerfenster zu klettern. Dabei stürzte sie einige Meter tief ab. Sie erlitt erhebliche Verletzungen und verstarb letztendlich. Für die unfallbedingten Krankenhauskosten und ein Krankenhaustagegeld musste die Krankenversicherung der dementen Patientin ca. 90.000 EUR zahlen. Diese will sie von dem Krankenhausträger ersetzt bekommen, weil ihrer Meinung nach die Sicherungsmaßnahmen unzureichend waren.

Entscheidungsgründe

Das LG lehnte die Klage ab, das OLG Hamm gab ihr in II. Instanz statt. Der BGH nahm eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht an. Die Beklagte habe sowohl gegen ihre vertraglichen Fürsorgepflichten als auch gegen ihre Verkehrssicherungspflicht verstoßen. Sie hätte die demente Patientin im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren vor Schäden und Gefahren schützen müssen. Dieser Verpflichtung sei die Beklagte nicht gerecht geworden. Ausweislich ihrer eigenen Dokumentation sei das Verhalten der Patientin auch am Unfalltag unberechenbar gewesen, u. a. habe sie auch an dem Tag aus dem Zimmer flüchten wollen.

Der medizinische Sachverständige habe im Prozess ebenfalls bestätigt, dass Patienten mit einem derartigen Krankheitsbild in ihrem Verhalten vollkommen unberechenbar seien. Vor diesem Hintergrund habe das Krankenhauspersonal auch einen Fluchtversuch durch das Fenster des Krankenzimmers in Betracht ziehen müssen. Die Beklagte habe das Öffnen dieses Fensters durch die Patientin verhindern oder diese in ein ebenerdig gelegenes Krankenzimmer verlegen müssen. Die notwendigen Vorkehrungen gegen ein Hinaussteigen der Patientin aus dem Fenster des Krankenzimmers seien der Beklagten möglich und zumutbar gewesen. Das pflichtwidrige Unterlassen dieser Maßnahme begründe ihre Haftung.

Relevanz für die Praxis

Für Krankenhäuser bedeutet dies, dass bei Patienten, die derartige Weglauftendenzen zeigen, alle in Betracht kommenden Fluchtmöglichkeiten geprüft und aktiv verhindert werden müssen. Dies wirkt sich in Zukunft auch auf Pflegeheime aus.


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